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ADB:Schorn, Ludwig von

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Artikel „Schorn, Ludwig von“ von Hyacinth Holland in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 32 (1891), S. 379–382, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schorn,_Ludwig_von&oldid=- (Version vom 16. November 2024, 11:54 Uhr UTC)
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Schorn, Karl
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Schorn: (Johann Karl) Ludwig v. S., Kunsthistoriker. Geboren am 9. Juni 1793 zu Castell (südlich von Schweinfurt gelegen) als der Sohn eines Domänenrathes der damals noch reichsständischen Grafen von Castell, erhielt er durch die zartsinnige Mutter, durch den Reiz des schönen Frankenlandes mit seinen Ruinen und Sagen, frühzeitige Eindrücke, welche nebst einem glücklichen Zusammenwirken aller bestimmenden Umstände immer weiter genährt wurden und den Jüngling auch auf jene Gebiete der Poesie, Geschichte und Kunst führten, die dann als wahre Fachwissenschaft seiner Thätigkeit die entscheidende Richtung gaben und durch das ganze Leben geleiteten. Ausgerüstet mit einer tüchtigen philologischen Grundlage ging S. 1811 zum Studium der Theologie nach Erlangen, wendete sich alsbald mit vollem Eifer zur Geschichte der bildenden Kunst, wozu ihn Sulpice Boisserée ermuthigte und bestärkte, ebenso Baron Haller v. Hallerstein (der Entdecker der berühmten Giebelgruppen vom Tempel zu Aegina), welcher erst kürzlich von einer griechischen Reise zurückgekehrt war. Seit 1816 in München, wo Fr. Thiersch anregend und fördernd auf den begeisterten jungen Mann wirkte, erschien schon 1818 seine erste Schrift „Ueber die Studien der griechischen Künstler“, welche in anerkennendster Weise Aufnahme und Beifall fand. Mit der ganzen Idealität seiner schönen Seele betrachtete er die Kunst als das schöpferische Vermögen, ewige Ideen durch sinnliche Mittel zu veranschaulichen; sie müsse mit priesterlicher Reinheit behandelt werden und, auf der Grundlage eines tiefen Naturstudiums ruhend, ihre wahre Weihe durch den Hauch der Poesie empfangen. Indem er diese durch alle Zeiten und Völker gehende Offenbarung des Geistes in ihren historischen Entwicklungen zu erforschen strebte, hielt er sich von aller Einseitigkeit, welche damals, obwohl in sehr liebenswürdiger Form, breit zu werden drohte, frei und bewährte frühzeitig jene dem Geschichtsschreiber und Aesthetiker in erster Reihe zukommende Objectivität. In Dresden, wo er 1819 die herrlichen Kunstsammlungen durchforschte, traf S. mit dem gleichgesinnten Otfried Müller zusammen und schloß mit ihm bleibende [380] Freundschaft. Damals faßte der weitblickende Freiherr v. Cotta den Plan, als ergänzende Beilage zu dem verbreiteten „Morgenblatt“ auch ein eigenes „Kunstblatt“ zu gründen, welches die Ergebnisse der neuaufblühenden Kunstforschung zugleich mit den neuesten Producten der schaffenden Künstler dem größeren Publicum in möglichster Frische vermitteln sollte. Durch Boisserée’s Empfehlung wurde S. mit der Redaction betraut, übersiedelte dazu nach Stuttgart (1820) und leitete das Unternehmen unter der steten Beihülfe der besten Zeitgenossen zweiundzwanzig Jahre lang mit musterhafter Umsicht und Gründlichkeit. Die ganze durch Ernst Förster weitergeführte und mit dem Jahrgang 1849 abgeschlossene Reihe von Bänden bildet eine wahre Fundgrube für die Geschichte der neueren Kunst und ihre innere Entwickelung. Zu Stuttgart trat S. in innigen Verkehr mit Rapp, Boisserée, Haug, Matthisson und Anderen, knüpfte mit Späth, Creuzer und Schelling Beziehungen an und besuchte 1822 und 1823 in Gesellschaft des kunstliebenden Grafen Erwin v. Schönborn (welcher zu Pommersfelden das erste Schillerdenkmal in Deutschland setzen ließ) Italien und Frankreich. Einen Theil dieser Reise hat S. im ersten Bande von Thiersch’ „Italienische Reise“ beschrieben. Um diese Zeit erschien von ihm die Fortsetzung von Tischbein’s „Homer in Zeichnungen nach Antiken“ (VII.–IX. Heft) nebst mehreren Aufsätzen in Böttiger’s „Amalthea“ und in den „Heidelberger Jahrbüchern“. Im J. 1826 berief ihn König Ludwig als Professor der Kunstgeschichte nach München. S. erbat vorerst noch Urlaub, um durch eine Reise nach den Niederlanden und England und durch Autopsie der dortigen Meisterwerke seine Kenntnisse zu erweitern und trat dann, nachdem er zu Jena noch mit einem herrlichen Wesen eine beglückende Ehe geschlossen hatte, seine Wirksamkeit zu München an, wo ihm die Function eines Generalsecretärs an der Akademie der bildenden Künste übertragen wurde, zugleich mit der Befugniß, auch an der neuorganisirten Universität Vorlesungen zu halten. Hier fanden seine Vorträge über Geschichte der alten und neuen Kunst, Aesthetik und Mythologie durch ihre Gediegenheit, Klarheit und Wärme ungetheilten Beifall, insbesondere gefiel die neue Methode, dem gesprochenen Worte durch den Augenschein weitere Nachhülfe zu geben. Obwohl das dazu verwendbare Material damals auf den kostbaren Kupferstich und die Reproductionen der Lithographie beschränkt war, wußte S. auch durch regelgerechte Zeichnungen an der Tafel nachzuhelfen, wobei die Wirkung um so nachhaltiger blieb, als das gesprochene Wort durch die unmittelbar unter den Augen des Zuhörers entstehende Formgebung bleibende Eindrücke und praktische Nachhülfe erhielt. Noch in späteren Jahren rühmten sich dankbare Schüler (z. B. der am 31. Januar 1885 als Dompropst zu Eichstätt verstorbene, feingebildete Dr. v. Hannecker) seiner einsichtigen Lehre und praktischen Unterweisung, welche von abstracter Theorie und ästhetischer Schulreiterei gleich entfernt, nur auf das Verständniß und den Kern der Sache gerichtet blieb. Immer beklagenswerth ist es, daß S. über dem Drange seiner Geschäfte nie dazu kam, seine Manuscripte für den Druck auszuarbeiten; er wäre vor Kugler und Schnaase der wissenschaftliche Begründer der Kunstgeschichte geworden. Außer seinen eigenen Forschungen und Arbeiten, den zeitraubenden Correspondenzen mit den Mitarbeitern des „Kunstblattes“, den durchaus keine Sinecure bildenden Obliegenheiten des Generalsecretariats, erblühte ihm auch die Auszeichnung, der Königin, den Prinzessen, dem Herzoge Maximilian in Baiern (welcher durch S. die Anregung zu seiner Reise nach Aegypten und Kleinasien empfing), sowie späterhin dem Kronprinzen Privatvorlesungen zu halten. Die Akademie der Wissenschaften zu München, das königl. niederländische Institut der Künste zu Amsterdam und mehrere gelehrte Corporationen ernannten ihn zu ihrem Mitgliede; die philosophische Facultät zu Erlangen hatte ihm den Doctorhut ertheilt. [381] Zur Eröffnung der Glyptothek verfaßte S. 1830 den ersten beschreibenden Katalog, welcher in der Folge bis 1861 viele unveränderte Auflagen erlebte. Bald darauf begann S. mit der Uebersetzung und Commentirung von Vasari’s Künstlerbiographieen, von welchen S. jedoch nur die beiden ersten Bände (Stuttgart 1832 und 1837) bearbeitete, worauf Ernst Förster das ganze Werk (1843–49) zum Abschluß brachte. Im vertrauten Verkehr mit den würdigsten Zeitgenossen, mit Schelling, Klenze, Thiersch, Martius, J. G. Schubert, Boisserée, Schwanthaler u. s. w. genoß S. eines geistreichen, stets anregenden und erfrischenden Ideenaustausches und des Anschauens einer sich immerfort steigernden Fülle von Kunstschätzen und neuen, ruhmwürdigen Schöpfungen, wie sie der rastlose Kunst- und Verschönerungstrieb des Königs hervorrief. Nur mit dem eigenwilligen und hartnäckigen, damals noch omnipotenten Director der Kunstakademie gestaltete sich – offenbar durch fleißig schürende Zwischenträger – das Verhältniß nicht ganz erfreulich (das etwas herbe, unzufriedene Urtheil des Cornelius über Schorn in E. Förster’s „Cornelius“ 1874, II, 82 ff.), so daß S. gerne einem im Spätherbst 1832 aus Weimar kommenden Rufe als Hofrath und Director der Kunstanstalten folgte. Auch hier kamen ihm Achtung und Vertrauen in erfreulichster Weise entgegen, alles schien sich nach Wunsch zu gestalten, als ihn der Verlust seiner blühenden, liebevollen Gattin traf. Der tieferschütterte Mann fand nur durch verdoppelte Berufsthätigkeit Ruhe und Frieden; seine Arbeits- und Schaffenskraft steigerte sich und gewann neuen, schnell geebneten Boden: Er hob mit Hülfe geschickter und bereitwilliger Lehrer und einer freieren Unterrichtsmethode die Zeichnungsschule, bewirkte die neue Aufstellung der großherzoglichen Kunstsammlungen in einem größeren Locale, wodurch diese Schätze zu erweitertem Genusse gelangten, wußte die fürstliche Freigebigkeit auf junge Talente zu lenken und verwirklichte den Entschluß, die Räume des neuen Schloßflügels zu einem lebendigen Denkmal der Dichterheroen Weimars, mit Bildern nach den Werken Goethe’s, Schiller’s, Wieland’s und Herder’s zu schmücken, wozu außer den heimischen Künstlern wie Preller, Kaiser, Simon und Angelika Facius, auch Neher aus München verwendet wurden. Auch hier hielt S. Vorträge über die Hauptepochen der Kunst und ihre jeweiligen Träger, lieferte den Text zu dem von Amsler gestochenen „Alexanderzug“ Thorwaldsen’s (1835), schrieb eine „Erklärung der am römischen Denkmale zu Igel befindlichen Bildwerke“, eine Abhandlung über Laokoon und den „Umriß einer Theorie der bildenden Künste“ (Stuttgart 1835). Sogar die Sonne des häuslichen Glückes ging ihm noch einmal auf und es gelang ihm seinen Kindern eine zweite Mutter zu geben. Schon 1838 hatte ihm der König von Württemberg den Verdienstorden, der Großherzog den weißen Falken verliehen, nun erfolgte 1839 die Ertheilung des erblichen Adels. Leider begann seine Gesundheit zu wanken; zur Kräftigung unternahm S. eine Badefahrt nach Niederbronn im Elsaß, welche sich zu einer neuen Studienreise nach Paris, Straßburg, Karlsruhe und Würzburg verlängerte; aber die Gichtanfälle, wozu sich auch ein Halsleiden gesellte, kehrten wieder und setzten unerwarteter Weise seinem thätigen Leben schon am 17. Februar 1842 ein rasches Ende. Das schöne Gleichmaaß seines Könnens und Wollens hatte sich, wie das von Bernhard Neher gezeichnete, von Julius Thäter radirte Porträt beweist, auch in seiner äußeren Erscheinung ausgeprägt; seine hohe, stattliche Gestalt, die zwanglose Angemessenheit seiner Bewegungen und der sinnige Blick seines Auges ließen alsbald den gehaltvollen, zuverlässigen Mann erkennen. Alle Erscheinungen der Kunst übersehend und concentrisch vereinend, verfügte S. über eine seine Vorträge häufig unterstützende und belebende Fertigkeit im Zeichnen. Die „Gruppen des Lebens“, welche er nach Buonarotti’s Fresken in den Fensterbogen der Sixtinischen Capelle herausgab und durch eigene Arabesken commentirte, wozu sein Freund Engelhardt den Text [382] dichtete, geben davon Zeugniß. Seiner Natur war jedes Ungeregelte, Ueberspannte, leidenschaftlich Ausschweifende fremd und im Innersten entgegengesetzt, alles Rohe, Zügellose peinlich. Jenes Princip der Mäßigung im Thun und Empfinden ließ ihn große Selbstbeherrschung gewinnen; seine ruhige Haltung und der sichere feine Tact seines Benehmens erweckten jederzeit Achtung und Zuneigung.

Vgl. Nekrolog von Friedrich von Müller in Nr. 126 der Neuen Jena. Lit. Ztg. 1842, abgedruckt in Beil. 216 und 217 der Allgem. Ztg. vom 4. und 5. August 1842 und im Neuen Nekrolog der Deutschen, 20. Jahrg., Weimar 1844, I, 186–197.