ADB:Eberl, Ferdinand

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Artikel „Eberl, Ferdinand“ von Egon von Komorzynski in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 228–229, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Eberl,_Ferdinand&oldid=- (Version vom 26. April 2024, 05:36 Uhr UTC)
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Eberl: Ferdinand E., ein wichtiger Vertreter der Wiener Volksdramatik im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts. Ueber seinen Lebensgang ist weiter nichts bekannt; er war Theaterdichter bei Marinelli, dem Director des Leopoldstädter Theaters, und übernahm später selbst die Direction des Theaters in der Josephstadt. Seine Thätigkeit für das Marinelli’sche Theater setzt mit Uebersetzungen aus dem Italienischen ein: 1788 übersetzte E. die Martin’sche Oper „Der Baum der Diana“; ihr folgten 1789 die Uebersetzungen von Daponte-Martin’s „Cosa rara“ (u. d. Titel „Der seltene Fall oder Schönheit und Tugend“) und von Goldoni’s „Talisman“. Diese Uebersetzungen werden von E. selbst als „freie“ bezeichnet; sie übertragen die Handlung mit Geschick in das von E. völlig beherrschte Milieu des Wiener Volksstückes, das sich wenige Jahrzehnte vorher von der Regellosigkeit der Stegreifkomödie befreit hatte und das unter dem fortdauernden Einfluß von Philipp Hafner’s und anderer Stücken einer mächtigen Entwicklung entgegenging. Eberl’s Werke nehmen einen bedeutsamen Platz ein in dem Uebergang von Hafner und seinen Genossen zu späteren Schauspieldichtern wie Schikaneder und Perinet. So manche Reste von früher leben in Eberl’s Possen weiter: Hanswurst und Columbine, die sich in den von Marinelli seit der Begründung seines Theaters (1781) viel gegebenen Kasperliaden in Kaspar und dessen Weib verwandelt hatten, sind auch bei E. fast immer zu finden; als Leibdichter des „Kasperle-Theaters“, wie die Leopoldstädter Bühne im Volke allgemein genannt wurde, mußte E. der beliebt gewordenen komischen Figur ganz besondere Pflege widmen. So treffen wir den Kasperle schon in der Posse „Kasperl der Mandolettikrämer oder Jedes bleib’ bey seiner Portion“ (1789) und die Figur kehrt noch unter ganz ähnlichen Umständen in dem dreiactigen Lustspiel „Die Limonadehütte“ (1793) wieder. Als Bedienter treibt Kaspar sein schnurriges Wesen in „Das verdächtige Gewerbe“ (1789) und „Noch seltner als Weibertreue“ (1795). Die Posse „Der Tote und seine Hausfreunde“ (1793) hat gar Kaspar zum Helden. Aber diese urwüchsige Komik ist auch bei E. nur Zugabe zu ernsteren Dingen. Auch E. ist bemüht gewesen, in seinen Volksstücken die Wiener adelige und bürgerliche Gesellschaft treulich und mit allen ihren Schwächen abzuschildern. Er hält der Mitwelt einen scharf zeigenden Spiegel vor. Dabei baut er schon seine Stücke nach der später so oft benützten Schablone auf: ein rechtlich und freimüthig denkender Mann ist mit einer hoffärtigen, über ihren Stand hinausstrebenden Frau verheirathet, beider Tochter (die fast stets den typisch gewordenen Namen „Luise“ führt) ist in einen armen, von der Mutter verachteten Mann verliebt, dessen Werbung der Vater unterstützt; die Mutter will die Tochter mit einem alten Lebemann oder einem Hochstapler verkuppeln. Es entwickelt sich ein Intriguenspiel und die Mutter sieht sich zum Schluß getäuscht. Hierher gehören „Die Wirtin mit der schönen Hand“ (1788), „Noch seltner als Weibertreue“ (1795) und „Die Limonadehütte“ (1793). In all’ diesen Stücken thut sich, wie späterhin noch bei Raimund, die Dienerschaft stark hervor; viel Gewicht wird auf radebrechende Ausländer gelegt; die Komik ist oft derb und drastisch: so erscheint in dem Lustspiel „Der Vetter von Eipeldau bei seiner Frau Mahm in Wien“ der Eipeldauer mit einer schnatternden Gans und mit einem an einem über [229] die Schulter gelegten Stock hängenden, quiekenden Spanferkel auf der Bühne. Dieses Stück, in welchem der städtischen Gesellschaft der naiv empfindende Landmann gegenübertritt, ist (zugleich mit dem dazu gehörigen „Die Hausmudel oder die Frau Mahm bei ihrem Herrn Vetter in Eipeldau“) ein directer Vorläufer von Schikaneder’s „Tiroler Wastel“ (1798) zu nennen. Auch sonst hat E. namentlich Schikaneder tüchtig vorgearbeitet; schon bei ihm findet sich die Lust, das Wiener Volksleben auf der Bühne vorzuführen, und die berühmten Praterscenen im „Tiroler Wastel“ haben ihre Vorläufer in Eberl’s „Limonadehütte“, worin der Prater mit seinen Verkaufsbuden und seinem Menschengewühl auf die Bühne gebracht wird. – Weniger werthvoll als diese komischen und volksthümlichen Arbeiten sind Eberl’s Versuche im ernsten Drama: das Schauspiel „Die Deutschen unter den Muselmännern“ (1803) strotzt von falschem Pathos und von Rührseligkeit.

E. liebte es, bei Gelegenheit für die Schriftsteller eine Lanze zu brechen. In dem Lustspiel „Noch seltner als Weibertreue“ (1795) fällt der Ausspruch über die Buchhändler: „Diese Gedankenkrämer werden von den Tropfen, die der Hunger dem Autor erpreßt, reich, sind unbekümmert, ob ein Mann von Talent zu Grunde geht oder nicht“. In den seinen Uebersetzungen aus dem Italienischen beigegebenen Vorreden macht er Front gegen die Recensenten und versichert immer wieder von neuem, er sei gegen allen „komischen“ (d. h. ohne Recht lächerlich machenden) Tadel „gänzlich unempfindlich“.

Goedeke’s Grundriß, 2. Aufl., 5. Bd., S. 332 (Weilen).