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ADB:Ebner, Margareta

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Artikel „Ebner, Margareta“ von Philipp Strauch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 20 (1884), S. 332–334, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ebner,_Margareta&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 23:56 Uhr UTC)
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Margaret Ebner, visionäre Nonne im Dominikanerinnenkloster zu Maria Medingen, zwei Stunden nördlich von Dillingen, entstammte einer Donauwörther Patrizierfamilie, ist um das Jahr 1291 geboren und starb am 20. Juni 1351. Das Jahr ihres Klostereintritts wissen wir nicht, sie sagt nur, daß sie bis zu ihrem 20. Lebensjahre ohne tieferes Bewußtsein ihrer selbst lebte, aber stets Gottes väterlichen Schutz empfunden habe. In Folge schwerer Krankheit in den Jahren 1312–1315 ordnete sie sich ganz dem göttlichen Willen unter, zog sich von jedem Verkehr so viel als möglich zurück und selbst nach den Gottesfreunden zeigte sie anfangs kein Verlangen. Auch ihr weiteres Leben gestaltete sich zu einer fast ununterbrochenen Leidensgeschichte. Von 1314–1326 war sie mehr als die Hälfte des Jahres bettlägerig. Gegen Ende dieser Zeit, im J. 1324/25, als Ludwig der Baier, für den sie warme Sympathien hegte, das nahe gelegene Burgau belagerte, da drang auch der Kriegslärm bis Medingen und die leidende M. kehrte zeitweise in die Heimath zurück. Aber sie war jetzt gegen die Ihrigen unzugänglicher als sie es je im Kloster gewesen, wo sie längere Zeit nur mit einer Schwester inniger verkehrt zu haben scheint. Nach Margareta’s Rückkehr nach Medingen häuften sich die Gnadenbeweise Gottes an ihr, aber sie wurde andererseits auch wieder schwer geprüft durch den Tod verschiedener befreundeter Schwestern und es bedurfte längere Zeit für sie, um den Verlust zu überwinden. Erst als der Weltpriester Meister Heinrich von Nördlingen (s. d.) im October 1332 mit M. in Berührung trat, wurde dieser Schmerz durch seine tröstlichen Worte gelindert. Heinrich, der in den Offenbarungen Margaretas stets nur als „der getreue Freund Gottes“ erscheint, muß gleich beim ersten Besuch einen bedeutenden Eindruck auf M. gemacht haben; sie versprach sich nichts Besonderes von der Begegnung, wurde aber durch sie um so nachhaltiger an Heinrich gefesselt. Die Verwandtschaft ihrer Naturen kettete beide fest aneinander und M. wurde bald die Seelenfreundin und Beichttochter Heinrichs, auf den sie alle Gnadenbeweise, deren Gott sie selbst theilhaftig macht, deren sie sich aber unwürdig fühlt, herabwünscht. Wiederholt nennt M. ihn ihren Lehrer, von Gott [333] ihr zum Trost gegeben; er ist es, dem sie allein ihre göttlichen Eingebungen anvertraut, der ihr bei jedem Besuche als ein getreuer Arzt neuen Trost in ihren mannigfachen Leiden zu spenden weiß, durch dessen Nähe sie sich geistig wie körperlich so leicht fühlt, daß sie der Erde entrückt zu sein meint. Heinrichs wiederholte Besuche in Medingen sind stets für sie eine Zeit der Erquickung und Stärkung in ihrem leidgeprüften Leben; zudem empfängt sie selbst oft durch Gott Eingebungen über die hohe Begnadigung Heinrichs. – Von ihrer Leidensgeschichte und ihrem geistigen Verkehr mit Heinrich von Nördlingen gibt uns M. in ihren Offenbarungen einen treuen Bericht nach regelmäßig geführten, gelegentlich von Heinrich durchgesehenen Tagebüchern, die sie später (1344/45) auf Heinrichs Bitten zu größerer Einheit verband. Als Schreiberin diente ihr bei der Sammlung ihrer Offenbarungen eine befreundete Klosterschwester Elsbeth Schepach (seit 1345 Priorin von Medingen) und es kam der Theil der Offenbarungen zu Stande, der uns Margareta’s visionäres Leben in den Jahren 1312–1344 in chronologischer Reihenfolge schildert. Ergänzend fügte M. Notizen über ihre Lebensweise hinzu sowie außer einigen weiteren Offenbarungen und Eingebungen die Gründe, die sie zur Aufzeichnung veranlaßten. Heinrich von Nördlingen begrüßte Margareta’s Schrift mit überschwänglichem Lobe. Kein Wort, so schrieb er ihr, würde er weder in lateinischer noch in deutscher Sprache daran zu ändern wagen, ehe er sie nicht nochmals und zwar zusammen mit M. gelesen hätte. Er ermunterte sie wiederholt zu weiterem Schreiben, etwa Vergessenes nachzuholen, Neues hinzuzufügen und M. verzeichnete nun regelmäßig bis ins Jahr 1348 ihre Gesichte. Im Moment der Aufzeichnung waren Margareten ihre geistigen Erlebnisse jedesmal wieder in gleicher Weise gegenwärtig, als sie ihr zuerst eingegeben wurden und zwar war diese Vergegenwärtigung so eindringlich, daß die eine Begebenheit die andere zu verdrängen schien: sie konnte nicht schnell genug schreiben vor der Fülle der Erinnerungen. In den Erlebnissen selbst wie auch in der Art ihrer schriftlichen Fixirung liegt es zum Theil, wenn Margaretas Schilderungen monoton sind und viele Wiederholungen aufweisen, die um so mehr ermüden, da M. nicht im Stande ist, durch die Darstellung den eng begrenzten Inhalt ihres visionären Lebens wenigstens äußerlich zu beleben. Ihr Stil ist trotz gelegentlich eingeflochtenen Reimen und Assonanzen höchst ungewandt und schwingt sich nur einmal zu bildlicher Redeweise auf. Dennoch enthalten ihre Aufzeichnungen als Beiträge zur Kenntniß der mittelalterlichen Frauenbildung und des mystischen Lebens in den weiblichen Klöstern manche nicht uninteressante Züge, sie sind in gewissem Sinne auch medicinisch lehrreich, da M. sich wiederholt eingehend über ihre körperlichen Zustände während ihres visionären Lebens ausläßt: so litt sie insbesondere häufig an der gebundenen swige, einer Lähmung, die sich aber nicht nur auf die Zunge beschränkte, sondern auch alle anderen Glieder zeitweise befiel. – Weichheit der Empfindung, angeborene Bescheidenheit und gottvertrauendes Entsagen bilden den Grundton in Margaretas Wesen, sie war von tiefer Friedens- und Wahrheitsliebe durchdrungen. Nur einmal scheint die Schwere des körperlichen Leidens vorübergehend ihren Glauben an Gottes Barmherzigkeit erschüttert zu haben. Ihr äußeres Leben suchte sie dem inneren anzupassen. Sie übte Askese in Speise und Trank, kürzte sich den Schlaf und beschränkte ihre Rede. Auch das Waschen und Baden unterließ sie, ohne daß es ihr geschadet hätte; aber Unsauberkeit in Kleidung, Speise und Trank konnte sie nicht ertragen. Gegen Zierrat und Putz sowie gegen jegliche Bequemlichkeit des Lebens hatte sie besondere Abneigung. Neben manchen überschwänglichen, höchst naiven Schilderungen dieser Art, für deren Verständniß unserer Zeit kaum mehr die dazu erforderliche Phantasie zu Gebote steht, begegnen wir Stellen, die wirklich zart und poetisch empfunden sind. Die Lebens- und Leidensgeschichte [334] Christi bildet vorzugsweise den Gegenstand der Visionen. Viel wichtiger aber als ihr Seelenverkehr mit Gott sind für uns ihre Beziehungen zur Zeitgeschichte. Sie nimmt innigen Antheil an der Bedrängniß der Christenheit, auf der das Interdict schwer lastet; die Abendmahlsfrage ist ihr ein Gegenstand ernstester Erwägung. Besonders erwähnenswerth ist Margaretas Interesse für Ludwig den Baier. Für ihn zeigt sie in directem Gegensatz zu Heinrich von Nördlingen die aufrichtigste Theilnahme. Sie betet für ihn um Erlösung von äußeren und inneren Nöthen und erwirkt ihm durch ihr Gebet ein längeres Leben. Im Traume sieht sie ihn wandeln unter dem Schutze Gottes, der ihn nicht verlassen will weder hier auf Erden noch dort im Himmel und sie vernimmt über ihn die Worte: „Adorabunt eum omnes reges, omnes gentes servient ei“. Die glückliche Rückkehr des Kaisers von seinem Römerzuge (1327–1330) wird ihr voraus verkündet. Bei seinem Tode bittet sie für seine Seele und erhält von Gott für sie trotz großer Schuld die Verheißung auf ein ewiges Leben, weil Ludwig ihn lieb gehabt und im Herzen getragen habe: „menschliches Urtheil sei nicht immer das richtige“. Auch von Ludwigs treuestem Helfer Konrad von Schlüsselberg († 14. September 1347) ward ihr die Eingebung, seine Seele habe die „ewige Sicherheit“ empfangen, doch liege er noch so tief in der Strafe, daß er ihren Gebeten unerreichbar wäre. Ueber das gemeine Sterben im J. 1348 wird ihr offenbart, Gott habe es über die Menschen verhängt wegen der großen Gebrechen und Sünden in der Christenheit; daß die Juden zunächst die Schuldigen und Anstifter des Sterbens waren, stand auch für M. fest. – Es begreift sich, daß der Ruf der hohen Begnadigung Margareta’s nicht auf die Klosterräume Medingens beschränkt blieb: auch Auswärtige empfahlen sich in ihr Gebet und „die Freunde unseres Herren“, wie Tauler, Abt Ulrich III. von Kaisheim (s. unter Adelheid Langmann) und Margareta zum Goldenen Ring in Basel suchten ihren Verkehr und traten mit ihr in Briefwechsel. Keiner aber hat so nachhaltig Margaretas Leben beeinflußt wie Heinrich von Nördlingen, der selbst wieder zu ihr wie zu einer Prophetin aufschaute. Seine Correspondenz mit M. ist zugleich die wichtigste Quelle über die Lebensverhältnisse dieses Mystikers (s. u.). – Im J. 1744 wurden die Aufzeichnungen der Ebnerin, die im 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts wiederholt auszugsweise gedruckt wurden, in lateinischer Uebersetzung nach Rom zur Prüfung gesandt, von der ihre kirchliche Anerkennung abhängen sollte. Es kam aber nicht dazu, da man in Rom an nicht wenigen Punkten der Offenbarungen Margaretas, insbesondere wegen ihres Verhältnisses zu Ludwig dem Baier, Anstoß nahm.

Vgl. Ph. Strauch, M. Ebner und H. v. Nördlingen. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Mystik. Freiburg und Tübingen 1882. Preger, Gesch. der deutschen Mystik im Mittelalter II, 277 ff., 289 ff.