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ADB:Edelsheim, Wilhelm

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Artikel „Edelsheim, Wilhelm Freiherr von“ von Karl Obser in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 48 (1904), S. 263–265, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Edelsheim,_Wilhelm&oldid=- (Version vom 17. November 2024, 05:30 Uhr UTC)
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Edelsheim: Wilhelm Freiherr von E., badischer Minister, stammte aus einem zur fränkischen Ritterschaft gehörigen, in der Wetterau begüterten Adelsgeschlechte und wurde als ältester Sohn des gräflich Hanau-Münzenbergischen Kammerpräsidenten Philipp Reinhard v. E. am 13. November 1737 zu Hanau geboren. Ueber Jugend und Studienzeit fehlen alle Nachrichten; seine erste praktische juristische Schulung erhielt er beim Reichskammergericht in Wetzlar. Im August 1758 trat er in die Dienste des Markgrafen Karl Friedrich von Baden-Durlach, der ihn zum Hofrathe ernannte und ihm die Bearbeitung der beim Kammergerichte schwebenden Rechtshändel übertrug. Auf Wunsch seines Herrn, dessen volles Vertrauen er in kürzester Frist erwarb, ging er 1760/61 wiederholt als geheimer Sendbote nach Norddeutschland, um Badens Interessen beim Friedensschlusse im voraus zu wahren und Friedrich d. Gr. für die hochfliegenden, auf Gründung einer starken protestantischen Macht im Südwesten des Reiches abzielenden Pläne des Karlsruher Hofes zu gewinnen; ein Besuch in London verfolgte einen ähnlichen Zweck. Pflichten der Pietät gegen den kränklichen Vater nöthigten ihn dann im Frühjahr 1763, um seine Entlassung nachzusuchen und die Verwaltung der Familiengüter selbst in die Hand zu nehmen; er legte dabei den Grund zu den tüchtigen wirthschaftlichen Kenntnissen, die ihm in seiner späteren Stellung zu statten kamen. Eine ehrenvolle Einladung Friedrich’s des Großen, in preußische Dienste zu treten, schlug er ebenso aus, wie er späterhin (1775) ein schmeichelhaftes Anerbieten des ihm nahe befreundeten Herzogs Karl August von Weimar ablehnte: er wollte, sagte er ein mal, keinem anderen Herrn als seinem Markgrafen dienen. Bald erging Karl Friedrich’s Ruf von neuem an ihn. Die Schwierigkeiten, die der Lösung der baden-badischen Erbfolgefrage von österreichischer Seite bereitet wurden, machten die Entsendung eines Unterhändlers nach Wien erforderlich: auf Bitten des Markgrafen, dem er auch von der Ferne stets ein treuer Berather blieb, übernahm E. 1767 den Auftrag, der ihn fast zwei Jahre am kaiserlichen Hofe festhielt, und erzielte einen vollen Erfolg. Ausgedehnte Reisen, die ihn nach Frankreich und Italien und durch einen großen Theil des Reiches führten, erweiterten seine Bildung und boten ihm willkommene Gelegenheit, seinen vielseitigen künstlerischen und wissenschaftlichen Neigungen zu leben. Nach der Rückkehr – der Vater war inzwischen gestorben – erfolgte auf dringendes Zureden des Markgrafen seine dauernde Uebersiedlung nach Karlsruhe und seine Ernennung zum wirklichen Geh. Rath und Minister (April 1774). War seine Hauptaufgabe hierbei zunächst die Ueberwachung der auswärtigen Beziehungen, so wurde er durch das besondere Vertrauen seines Herrn, zu dem er mit der Zeit in ein freundschaftliches Verhältniß seltener Art trat, auch dazu berufen, in allen wichtigen Fragen des staatlichen Lebens sein Urtheil abzugeben. So hatte er an fast allen Reformen der nächsten zwanzig Jahre Antheil und fast überall wußte er mit dem klaren, praktischen Blicke für die Bedürfnisse des Landes, den er sich auf zahlreichen Bereisungen desselben erworben, das Richtige zu treffen. Das Jahr 1776 stellte ihn vor eine neue mühevolle Aufgabe, der er sich mit Geschick entledigte: die Verhandlungen mit Pfalz-Zweibrücken wegen der Theilung der hinteren Grafschaft Sponheim wurden von ihm zu einem glücklichen Ende geführt. Die bairische Erbfolgefrage, die nach dem Tode des Kurfürsten Max Josef eine bedrohliche Wendung annahm, gab ihm wiederholt Anlaß zum Meinungsaustausche mit dem Berliner Hofe und dessen Vertreter, seinem jüngeren Bruder; bei aller Sympathie für Preußen vermochte er indeß nicht, seinem Herrn die Uebernahme weitgehender Verpflichtungen, insbesondere den Beitritt zu der geplanten Fürstenvereinigung zu empfehlen. Erst als mit dem Anbruch der achtziger [264] Jahre die Freiheiten und Gerechtsame der Reichsstände durch die wiederholten Angriffe Josef’s II. ernstlicher gefährdet schienen und das Wiederauftauchen des bairisch-belgischen Tauschprojects die Gemüther beunruhigte, kam er auf die früher erörterten Ideen zurück und betheiligte sich lebhaft an den Verhandlungen der bedrohten Stände, die unter Preußens Leitung ihren Abschluß in dem Fürstenbund von 1785 fanden. Von seiner Hand stammt bekanntlich der erste Unionsentwurf aus dem Winter 1783. Unermüdlich und mit großem Geschick war er von diesem Zeitpunkte ab für das Project thätig und suchte es durch rege Correspondenz mit den Höfen von Weimar und Dessau zu fördern; die für die spätere Gestaltung des Fürstenbundes bedeutsame Verbindung mit dem Mainzer Hofe wurde wesentlich durch ihn vermittelt. Ein schwerer Krankheitsanfall – die Folge übermäßiger Anspannung seiner Kräfte – wurde glücklich überwunden, aber, wenngleich er in jenen Tagen gelegentlich an seinen Rücktritt dachte, vermochte er doch nicht dem Rathe des erfahrenen Arztes zu folgen und sich ins Privatleben zurückzuziehen. Er verblieb auf seinem Posten, auf dem man in den kritischen Zeiten, denen das Land mit dem Ausbruch der französischen Revolution entgegenging, seiner bald mehr bedurfte denn je. Die Beeinträchtigung der Rechte der linksrheinisch begüterten Reichsstände durch die Beschlüsse der Pariser Nationalversammlung vom 4. bis 10. August 1789 zogen auch Baden in Mitleidenschaft. Die daran anknüpfenden Entschädigungsverhandlungen mit dem Chevalier de Ternant wurden in Karlsruhe durch E. geführt und gaben Anlaß zu einem regen, infolge der weiteren Wendung der Dinge in Frankreich freilich ergebnißlosen Meinungsaustausch mit den übrigen Interessenten. Die Unruhen im Elsaß, die sich auch nach den rechtsrheinischen badischen Landen verpflanzten, erheischten energische Gegenmaßregeln; dem Einschreiten des Ministers war es wesentlich zu verdanken, daß auf dem rechten Rheinufer die Ordnung aufrecht erhalten blieb. Eine Convention mit Oesterreich, die er im Sommer 1791 zu Stande brachte, sollte die Markgrafschaft vor einem feindlichen Einfalle schützen, die im Frühjahr 1792 geplante Association der Kreise, die er eifrig betrieb, verstärkte Sicherheit schaffen. Auch sein Verhalten in der Emigrantenfrage zeugte von Einsicht: während er die unziemlichen Zumuthungen des französischen Gesandten, durch polternde Kriegsdrohungen unbeirrt, mit Würde und Entschiedenheit zurückwies, bemühte er sich andererseits, alles aus dem Wege zu räumen, was berechtigten Anlaß zu Klagen bieten konnte, und sorgte für die Entfernung der disciplinlosen Mirabeau’schen Legion vom Oberrhein. Als schließlich der Kampf doch nicht zu vermeiden war, unterzeichnete er im September 1792 eine Militärconvention, durch welche Baden gegen gewisse militärische Leistungen von Oesterreich und Preußen die Zusage voller Restitution seiner Rechte und Besitzungen im Elsaß beim künftigen Friedensschlusse erhielt. Der Abschluß eines Subsidienvertrages mit England im September 1793 war Edelsheim’s letztes Werk. Unter dem Uebermaße von Arbeit, das ihm in den letzten Jahren beschieden war, brach sein Körper zusammen; ein Schlagfluß setzte am 6. December 1793 seinem Leben ein Ziel, – zu einer Zeit, wo er, wie Karl Friedrich klagte, dem Staate zwei Mal unentbehrlich war. Er war neben Reitzenstein unzweifelhaft der bedeutendste Staatsmann, den Baden unter Karl Friedrich besessen hat: von beweglicherem Geiste und lebhafterem, lebensfroherem Temperamente, wie dieser, aber ihm ebenbürtig an Vielseitigkeit der Interessen und des Wissens. Wie die Geschichte der physiokratischen Bestrebungen auf deutschem Boden ihn als Freund des älteren Mirabeau und Dupont’s kennt und nennt, so ist er auch in der Geschichte unserer Litteratur kein Unbekannter. Mit Lavater, Klopstock und Herder, denen er in Karlsruhe [265] begegnete, hat er persönlichen und brieflichen Verkehr gepflegt; Goethe hat als Gast in seinem Hause geweilt, gemeinsame politische Arbeit hat beide späterhin näher zusammengeführt, und der Dichter hat sich am Hofe von Weimar, wie in Karlsbad stets des freundschaftlichen Umganges mit dem in „Staats- und Wirthschaftssachen“ wohl bewanderten Manne gefreut und gerne von ihm bekannt, er „kenne keinen klügeren Menschen“.

K. Obser, Zur Erinnerung an Wilhelm von Edelsheim. Karlsruher Zeitung vom 6. Dec. 1893. – B. Erdmannsdörffer und K. Obser, Politische Correspondenz Karl Friedrich’s von Baden. Bd. I ff. – Knies, Karl Friedrich von Badens brieflicher Verkehr mit Mirabeau und Dupont. 2 Bde. – Th. Ludwig, Der badische Bauer im 18. Jahrhundert. – Th. Ludwig, Die deutschen Reichsstände im Elsaß und der Ausbruch der Revolutionskriege. – In der Goethelitteratur wird Wilhelm v. E. fast durchweg mit seinem jüngeren Bruder Georg Ludwig verwechselt.