ADB:Ennen, Leonard
[381] in welcher Stellung er von 1845–57 verblieb. Schon bald lenkte er durch wissenschaftliche Arbeiten, welche die neuere Geschichte des Erzstiftes Köln behandelten, die Aufmerksamkeit auf seine Person. 1849 erschien von ihm die „Geschichte der Reformation im Bereiche der alten Erzdiözese Köln“, 1851 das Werk: „Der spanische Erbfolgekrieg und der Churfürst Joseph Clemens von Köln“. Der Unterrichtsminister bewilligte ihm behufs archivalischer Studien in Paris eine Staatsuntersützung. Die Frucht dieser Arbeiten war das zweibändige Werk: „Frankreich und der Niederrhein, oder Geschichte von Stadt und Kurstaat Köln seit dem 30jährigen Kriege bis zur französischen Occupation“ (Köln und Neuß 1855. 56). Inzwischen hatte E. sich auch am öffentlichen Leben betheiligt. Im Verein mit Mooren, Fahne und Anderen gründete er 1854 den Historischen Verein für den Niederrhein; insbesondere die alte Erzdiöcese Köln, dessen erster Secretär er wurde. Auch politisch trat der junge Kaplan hervor, indem er für die Legislaturperiode 1856–58 ein Mandat zum preußischen Landtage annahm. In dieser Zeit, am 12. Februar 1857, starb der Kölner Oberstadtsecretär Fuchs, der auch das reiche städtische Archiv in treuer Obhut gehalten hatte. Der Oberbürgermeister Stupp, dem sein besonderer Freund und Studiengenosse Prof. Jos. Braun in Bonn, der bekannte Hermesianer, E. aufs wärmste empfohlen hatte, übertrug diesem im Juli die neugeschaffene Stelle eines städtischen Archivars, die bis dahin nur ein Nebenamt des Stadtsecretärs gewesen war, im offenen Widerspruch zu der Mehrheit der Stadtverordneten, welche dem bekannten Arzt und Dichter Dr. Wolfgang Müller von Königswinter ihre Stimme gegeben hatten. Kurz darauf übertrug ihm der Oberbürgermeister auch die Verwaltung der Stadtbibliothek. Die Stadtverordneten hatten, wie sie offen aussprachen, von E. eine einseitige Benutzung der archivalischen Schätze im kirchlichen Interesse befürchtet. Dem Aerger, den sie über die ihnen nicht genehme Anstellung empfanden, gaben sie bald darauf Ausdruck, indem sie im Januar 1858 das Urlaubsgesuch Ennen’s behufs Theilnahme an den Sitzungen des Landtags in Berlin abschlugen, obwol der Oberbürgermeister darauf hinwies, daß der Stadtarchivar sowol unterwegs in Münster wie in Berlin selbst Studien zur Kölner Geschichte zu machen beabsichtige. Im übrigen wurden jene Sorgen durch Ennen’s inneren Entwicklungsgang nicht gerechtfertigt. Im Laufe der Zeit gelangte er zu immer freieren Anschauungen, so daß die beiden letzten Bände seiner Stadtgeschichte eine deutliche Sympathie des Verf. mit den reformatorischen Bestrebungen in Köln hervorleuchten lassen. Auch persönlich nahm er eine freie Stellung gegenüber seiner Kirche ein, wenn er sie auch niemals formell verlassen hat.
Ennen: Leonhard E. wurde am 5. März 1820 zu Schleiden in der Eifel geboren: seine Eltern waren einfache Ackersleute. In den Jahren 1841 bis 1844 studirte er in Münster und Bonn Theologie und Philosophie; den Doctortitel der letzteren erwarb er erst später. Nach seiner Priesterweihe wurde er Vicar und Leiter der höheren Stadtschule zu Königswinter a. Rh.,Seit seiner Uebersiedlung nach Köln entfaltete E. eine überaus vielseitige litterarische Thätigkeit nicht nur in zahlreichen Aufsätzen für wissenschaftliche Zeitschriften und für die Tagespresse, sondern auch in einer stattlichen Reihe von darstellenden Werken, von denen hier nur wenige erwähnt werden können. 1857 noch erschienen die „Zeitbilder aus der neueren Geschichte der Stadt Köln“, 1862–79 die 5 Bände der „Geschichte der Stadt Köln“, die freilich nur bis ins 17. Jahrhundert reicht, während die 1880 erschienene Volksausgabe in einem Bande bis zur preußischen Besitzergreifung geführt ist. 1880 wurde auch nach seinem am 14. Juni erfolgten Tode die Festschrift über den Kölner Dom veröffentlicht. 1866 schrieb er über die Wahl des Königs Adolf von Nassau. 1860–79 gab er die bis zum Jahre 1397 reichenden „Quellen zur Geschichte der Stadt Köln“ in 6 Bänden heraus, die beiden ersten gemeinsam mit dem Gymnasiallehrer Gottfried Eckertz. Auch den Verein von Alterthumsfreunden in Köln rief er ins Leben. Am wenigsten förderte er [382] die ihm unterstellten Institute. Er ging ganz in seinem litterarischen Schaffen auf und beutete die von ihm verwalteten reichen Schätze fleißig aus, zerstörte aber dabei die von Alters her überkommene, von seinem Vorgänger Fuchs so eifrig aufrechterhaltene Ordnung, sodaß namentlich die Actenbestände ganz in Verwirrung geriethen. Auch erfuhren die wissenschaftlichen Arbeiten Anderer von seiner Seite nur geringe Förderung. Doch muß zu seiner Entschuldigung gesagt werden, daß er nur in seinen letzten Lebensjahren einen Assistenten für die Bibliothek erhielt, daß ihn ferner eine langjährige Kränklichkeit quälte und verstimmte.
Seine fleißige unermüdliche litterarische Thätigkeit leidet ebenfalls an ganz erheblichen Mängeln. Er schrieb zu rasch und zu flüchtig; dazu war er von Hause aus kein Historiker. Wissenschaftliche Schulung und geschichtliche Methode waren ihm fremd; Gründlichkeit und eindringende Kritik bewies er selten. Auch dem von ihm veröffentlichten großen Quellenwerk geht die Akribie durchaus ab. Ennen’s Werke geben daher in ihrer Vielseitigkeit mannichfache Anregung; sie können aber nicht ohne sorgfältige Nachprüfung benutzt werden.