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ADB:Faustmann, Martin

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Artikel „Faustmann, Martin“ von Richard Heß in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 587–589, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Faustmann,_Martin&oldid=- (Version vom 14. November 2024, 06:47 Uhr UTC)
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Faustmann: Martin F., Forstmann, geb. 19. Februar 1822 zu Gießen, † 1. Februar 1876 zu Babenhausen (bei Darmstadt), Sohn des Kreiswundarztes Franz Xaver F. († 1871 zu Nidda). Er verbrachte seine Jugend zum Theil bei einem Onkel in Zwingenberg, absolvirte dann das Gymnasium in Bensheim und bezog 1841 die Universität Gießen, um sich dem Studium der katholischen Theologie zu widmen. Schon im ersten Semester gab er aber dieses Studium auf und wendete sich – seinem inneren Drange folgend – dem der Forstwissenschaft zu. Hierzu bot sich gerade in Gießen, der heute noch einzigen Hochschule, welche mit einem forstlichen Lehrstuhl und zugehörigen Apparat ausgestattet ist, Gelegenheit. Unter der trefflichen Leitung eines Karl Heyer (und Karl Zimmer) betrieb und vollendete er hier seine forstwissenschaftlichen Studien binnen sieben Semestern. 1845 absolvirte er die Facultätsprüfung auf der Hochschule, 1846 die erste forstliche Staatsprüfung in Darmstadt für den Grad der Revierförster (jetzt Oberförster), nach bestandenem Acceß und zurückgelegtem praktischen Cursus 1848 die zweite und letzte, welche Anwartschaft auf alle Dienstgrade des großherzoglich hessischen Forstdienstes ertheilt.

Schon nach der ersten forstlichen Staatsprüfung wurde er von dem als Forstwirth, bez. Organisator und Schriftsteller rühmlichst bekannten Oberforstrath v. Wedekind (zugleich Prüfungscommissär) bei der damals von diesem übernommenen Redaction der Allgemeinen Forst- und Jagdzeitung (1825 durch Stephan Behlen begründet) vielfach verwendet. Es entstand hierdurch zwischen beiden ein lebhafter litterarischer Verkehr, welcher bis zum Tode Wedekind’s (1856) fortdauerte. 1857 wurde ihm die Oberförsterei Dudenhofen mit dem [588] Wohnsitz in Babenhausen übertragen. Hier lebte und wirkte F. bis an sein Lebensende.

Von Natur ein speculativer, scharfer Kopf und mit besonderer Begabung für mathematische Studien ausgerüstet, arbeitete F. mit vorzüglichem Erfolg, ja sogar in gewissem Sinne bahnbrechend in den Gebieten der Waldwerthrechnung und Forsttaxation. Er stellte (1849) eine verhältnißmäßig einfache, sehr rationell fundirte Formel für den sogenannten Bodenerwartungswerth und für den Bestandeskostenwerth auf. Unter dem ersteren versteht man die Summe der Jetztwerthe aller von einem Boden zu erwartenden Einnahmen, abzüglich der Jetztwerthe aller auf diesen Einnahmen lastenden Productionskosten. Der letztere repräsentirt die Summe der bis zu dem betreffenden Bestandesalter aufgelaufenen, um die Nachwerthe der etwa angefallenen Einnahmen verminderten Productionskosten. Durch diese beiden wichtigen Formeln gab F. mit den Anstoß zur sogen. Reinertragstheorie, welche, in neuerer Zeit hauptsächlich von M. R. Preßler (in Tharand) ausgebildet, darin gipfelt, daß weder der größte durchschnittliche Naturalertrag, noch der größte Geldrohertrag, noch der größte Waldreinertrag, sondern nur der größte Bodenreinertrag als wahrer Maßstab für die finanzielle Beurtheilung einer forstlichen Betriebsoperation angesehen werden könne. Die principielle Richtigkeit dieser Lehre hat ihr inzwischen zahlreiche Anhänger zugeführt. Selbst Männer wie Roscher, Wagner etc., also die namhaftesten Nationalökonomen unserer Zeit, sprechen ihr die Zukunft zu.

Auf dem Gebiete der Holzmeßkunst ist F. durch die Erfindung eines Höhenmessers, welcher unter dem Namen „Spiegelhypsometer“ wegen seiner Einfachheit, sinnreichen Einrichtung, leichten Transportabilität und relativen Genauigkeit in weiten Kreisen Anerkennung gefunden hat (sogar ein forstakademisches Burschenlied verherrlicht denselben), bekannt geworden. Er arbeitete diese Hypsometer größtentheils selbst, gemeinschaftlich mit seiner treuen Gattin.

Nach seiner Anstellung als Oberförster richtete sich Faustmann’s Thätigkeit mehr auf das praktische Gebiet des Forstwesens. Namentlich entfaltete er als Experte bei Betriebsregulirungen, Waldwerthberechnungen, Waldtheilungen und ähnlichen forsttechnischen Geschäften eine höchst ersprießliche Thätigkeit, auch über die Grenzen Hessens hinaus. Daneben beschäftigte er sich auch – durch unermüdliches Fortschreiten in der Wissenschaft befähigt und durch eine äußerst reichhaltige Bibliothek unterstützt – vielfach mit Ausbildung junger Forstwirthe. Die Menge und Vielseitigkeit der ihm durch Uebernahme solcher freiwilliger Verpflichtungen erwachsenden Arbeiten ließ ihn sogar mitunter die rechtzeitige Erfüllung seiner nächsten Verpflichtungen im eigenen Dienstbezirk übersehen.

Eine seiner letzten Arbeiten im Gebiete der Verwaltung war die im Auftrag der Forstwittwencasse-Deputation übernommene Revision des Vermögensbestandes der hessischen Forstwittwencasse. Gestützt auf die genialen, mathematischen Entwicklungen Jahn’s (zu Zittau 1861) gab er eine Formel an, mittelst welcher der Stand des genannten Instituts jederzeit berechnet werden kann. Werthvolle Vorarbeiten in gleichem Betreff hatte bereits Oberforstrath Braun (lebt noch in Darmstadt) gegen Ende der 1840er Jahre geliefert. Es stellte sich hierbei – in Folge der Ereignisse, welche die Zahl der Mitglieder, bei gleichbleibender Staatsdotation (12,296 fl.) bedeutend beschränkten, sowie in Folge der 1849 erfolgten Ausscheidung der Forstwarte – die Zulässigkeit einer ansehnlichen Erhöhung der jährlichen Wittwenpension (410 fl. in zweiter, d. h. Oberförsterclasse gegen früher 250 fl.) heraus, welcher Erhöhung auch die ministerielle Genehmigung zu Theil wurde. Gewiß war es ein eigenthümlicher Zufall, daß gerade Faustmann’s Gattin die erste Wittwe sein sollte, welche den Vortheil dieser Berechnung zu genießen hatte.

[589] Faustmann’s litterarische Arbeiten sind sämmtlich in forstlichen Zeitschriften erschienen, namentlich in der Allgemeinen Forst- und Jagdzeitung und in v. Wedekind’s Jahrbüchern der Forstkunde. In der ersteren hat er – von litterarischen Berichten abgesehen – folgende Abhandlungen veröffentlicht: „Beleuchtung eines neuen Verfahrens, den Cubikinhalt von Baumstämmen zu bestimmen“ (Jahrg. 1847); „Auflösung einer Aufgabe der Waldwerthberechnung“ (1849); „Berechnung des Werthes, welchen Waldboden, sowie noch nicht haubare Holzbestände für die Waldwirthschaft besitzen“ (1849); „Das Verhältniß zwischen Holz- und Bodenwerth“ (1853); „In welchem Alter sind Holzbestands- und Bodenwerth einander gleich?“ (1853); „Ueber ein gemeinsames Maß- und Gewichtssystem in der Forstwirthschaft“ (1853); „Wie berechnet man den Geldwerth junger, noch nicht haubarer Holzbestände etc.“ (1854); „Eine Verbesserung an den Baumhöhenmessern“ (1854); „Die Stammzahl in ihrem Verhältniß zur Holzmasse der Bestände“ (1855); „Das Spiegelhypsometer“ (1856); „Der Waldwegbau im Basaltgebirge mit Hinweis auf andere geognostische Formationen“ (1857); „Der aussetzende und nachhaltige Betrieb in Beziehung zur Waldwerthberechnung und Erörterung der Frage, ob der Werth einer isolirten Waldparzelle durch ihre Verbindung mit einem größeren Nachhaltscomplexe sich ändere?“ (1865). In die Wedekind’schen Jahrbücher der Forstkunde schrieb F.: „Die Taxation des zum Bergbau bestimmten Waldbodens und über Bemessung der Einträglichkeit der verschiedenen Bestands-, Betriebs- und Culturarten“ (1853). – Ein neuerer Aufsatz über „Das Spiegelhypsometer in seiner Einrichtung für Metermaß“ aus seiner Feder findet sich im Judeich’schen Forstkalender für 1874 (II. Theil), eine Vergleichung seines Spiegelhypsometers mit dem Weise’schen Höhenmesser in Danckelmann’s Zeitschrift für Forst- und Jagdwesen (VIII. Bd. 1876, 1. Heft).

v. Löffelholz-Colberg, Chrestomatie IV. Bd. S. 85, 105, 106, 237 und 313 (hier sind die Faustmann’schen Arbeiten angegeben). Bernhard, Gesch. des Waldeigenthums etc., III. Bd. S. 297 und 299. Guido v. Schwarzer, Biographisches zur Gallerie berühmter und verdienter Forstmänner (Brünn 1870), S. 10. Privatmittheilungen.