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ADB:Feßler, Ignaz Aurelius

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Artikel „Feßler, Ignaz Aurelius“ von Hermann Palm in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 723–726, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Fe%C3%9Fler,_Ignaz_Aurelius&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 01:29 Uhr UTC)
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Feßler: Ignaz Aurelius F. wurde 18. Mai 1756 zu Czurendorf (Zurány) an der Leitha in Niederungarn geboren, trat, nachdem er die Schulen zu Preßburg und Raab besucht hatte, 1773 im Kloster zu Moór, Stuhlweißenburger Gespanschaft, in den Kapuzinerorden, empfing 1779 nach Durchwanderung verschiedener Klöster die Priesterweihen, als er schon durch eifrige classische und philosophische Studien dem strengen Katholicismus stark entfremdet war. In das Kloster Mödling bei Wien versetzt, unternahm er es 1784, dem Kaiser [724] Joseph II. nicht nur Pläne zur Aufklärung und besseren Bildung des Clerus unterzubreiten, sondern auch ihn von den geheimen Mißbräuchen der Klosterdisciplin zu unterrichten, wodurch eine strenge Untersuchung aller Klöster des Staats veranlaßt wurde. Den dadurch erwachsenden Gefahren entzog ihn 1784 die kaiserliche Ernennung zum Lector und später zum Professor der orientalischen Sprachen und der alttestamentlichen Hermeneutik in Lemberg; gleichzeitig erhielt er den theologischen Doctorgrad und später auch die von ihm geforderte Entlassung aus seinem Orden. In Lemberg begann er seine schriftstellerische Thätigkeit mit hebräischen und orientalischen Schulbüchern („Anthologia hebraica“, 1787, „Institutiones linguarum orientalium“, 1787), versuchte sich aber auch bald als dramatischer Schriftsteller. Sein 1788 gedrucktes Trauerspiel „Sidney“, eine grelle Darstellung der Tyrannei Jakobs II. und des Fanatismus der Papisten in England, wurde von seinen Gegnern benutzt, um ihn in einen bedenklichen fiscalischen Proceß zu verwickeln. Er wartete dessen Ausgang nicht ab, sondern floh im Februar 1788 nach Schlesien, wo er im Hause des Buchhändlers G. W. Korn wohlwollende Aufnahme fand. Noch in demselben Jahre trat er als Erzieher in das Haus des Fürsten Carolath-Schönaich und schrieb dort seinen „Marc Aurel“, eigentlich eine psychologische Entwicklung der Regententugenden jenes Kaisers in dialogischer Form in 3 Bänden, die großen Beifall fand und drei Auflagen (die dritte 1799 in 4 Bänden) erlebte. Im Jahre 1791 bekannte er sich zur lutherischen Kirche und schloß 1792 eine unglückliche Ehe, die er nach 10 Jahren wieder löste. Gleichzeitig schrieb er seinen „Aristides und Themistokles“, eine Art historischen Romans, nach dem Muster von Wieland und Meißner, stark verwebt mit breit ausgesponnener Moralphilosophie. Früher eifriger Spinozist wurde er in dieser Zeit ebenso entschiedener Kantianer. Seit 1794 folgte den früheren Werken eine Reihe auch in der Form ähnlicher geschichtlich didaktischer Werke, insofern auch in ihnen der Dialog stark vorwaltete. Unter Protest gegen die Bezeichnung historischer Romane wollte er sie nur als Vorarbeiten zu einer ausführlichen Darstellung der ungarischen Geschichte betrachtet wissen; gleichwol müssen auch sie jener Gattung beigezählt werden. Dahin gehören: „Matthias Corvinus, König der Ungarn und Großherzog von Schlesien“, 2 Theile, 1794, neue Aufl. 1796 und 1806; „Attila, König der Hunnen“, 1794, auch mit dem vorigen u. d. T. „Gemälde aus den alten Zeiten der Ungarn“, 3 Bde., 1800. „Alexander der Eroberer“ erschien 1797 als Fortsetzung der in Anacharsis’ Reise enthaltenen Geschichte von Altgriechenland und darin der Achäische Bund (1798) als 2. Theil. Seit 1796 lebte F. in Berlin ganz litterarischem Erwerb; er gab dort u. a. mit F. E. Rambach die beiden letzten Jahrgänge des „Archivs der Zeit“ 1799 und 1800 und nachher mit J. G. Rhode, dann mit J. Ch. Fischer, zuletzt allein eine andere Zeitschrift „Eunomia“ heraus. Schon in Lemberg hatte er der Loge Phönix angehört; in Carolath stiftete er einen Evergetenbund, d. i. eine gegenseitige sittliche und wissenschaftliche Ausbildung bezweckende Verbindung, die zwar bald wieder aufgelöst, ungegründeten politischen Verdacht gegen ihn erweckte (vgl. Actenmäßige Aufschlüsse über den Bund der Evergeten in Schlesien, 1804). In Berlin begründete er 1797 die Gesellschaft der Freunde der Humanität und affilirte sich 1796 der Loge Royal York. Durch seine Pläne und Schriften zur Reform des Freimaurerthums, namentlich zur Beseitigung der Grade und aller Geheimnißkrämerei, die er im Auftrage des Directoriums mit Fichte entworfen hatte, erwarb er sich zwar viel Vertrauen und Achtung, doch auch ebensoviel Feindschaft, so daß er 1802 aus allen Logenverbindungen wieder austrat. Seine Geschichte des Freimaurerordens ist ungedruckt geblieben, doch in Handschriften verbreitet. Dagegen erlebten seine 1801 [725] erschienenen „Sämmtliche Schriften über Freimaurerei“, 1805 eine 2. Auflage. Gegen äußerste Lebenssorgen schützte ihn eine Anstellung des Ministeriums als Consulent für die katholischen Provinzen von Neuost- und Südpreußen; gleichwol waren seine Finanzverhältnisse stets sehr üble. Durch größere Reisen in Nord- und Mitteldeutschland knüpfte er damals persönliche Bekanntschaften mit allen bedeutenden Männern an, verheirathete sich im November 1802 zum zweiten Male, kaufte sich mit einem Theile seines Einkommens das Freigut Kleinwall bei Berlin und lebte nun in Zurückgezogenheit seinen litterarischen Arbeiten, bis ihn der Krieg 1806 seines Gehaltes und seines Grundeigenthums beraubte und nöthigte, von der Unterstützung seiner Freunde an verschiedenen Orten zu leben. 1809 wurde er zum Professor der orientalischen Sprachen und der Philosophie an der Alexander-Newsky-Akademie zu Petersburg berufen, auch zum russischen Hofrathe ernannt, gab jedoch bald seine Stellung wieder auf, weil man seine Vorträge als atheistische verdächtigte, und wurde nun Mitglied der Gesetzgebungscommission mit der Erlaubniß, seinen Wohnort sich im Innern des Reiches nach Belieben zu wählen. Er ging ins Gouvernement Saratow und führte dort die Aufsicht über die philanthropische Erziehungsanstalt eines Collegienrathes v. Slobin zu Wolsk. Hier und in Saratow selbst, wohin er 1813 übersiedelte, schrieb er die ersten 5 Bände seiner „Geschichte der Ungarn“. Eine Erholungsreise, die er 1815 nach Sarepta machte, bestimmte ihn und seine Familie, sich in der dortigen Brüdergemeinde ganz niederzulassen. Dort trafen ihn schwere Schläge, der Tod eines Kindes und die Einziehung seines Gehaltes seitens der Regierung. Dies alles, so wie der mächtig ihn ergreifende Geist der Herrnhuter Gemeinde gaben seinem bisherigen Geistesleben eine ganz veränderte Richtung, er griff zur Bibel und wurde wieder streng gläubig. Im J. 1817 wurde ihm sein rückständiger Gehalt wieder ausgezahlt, und 1820 erhielt er die Stellung eines evangelischen Superintendenten und Consistorialpräsidenten im Gouvernement Saratow. Nach Aufhebung des dortigen Consistoriums ernannte man ihn 1833 zum Generalsuperintendenten und Kirchenrath der lutherischen Gemeinde in Petersburg, wo er am 15. December 1839 im Alter von 83 Jahren starb.

Feßler’s schriftstellerische Thätigkeit war eine äußerst fruchtbare und während seines Lebens durch persönliche Wirksamkeit sehr gehobene. Bedeutung hat er sich in unserer Litteratur durch seine schon erwähnten historisch-didaktischen Romane erworben, welche seine Muster, namentlich die Meißner’s an Gehalt übertreffen. Im „Archiv der Zeit“ 1796, 1. S. 242 vertheidigt er in einem Artikel „An die ästhetischen Kunstrichter der Deutschen“ diese Gattung, die er nicht Romane genannt sehen möchte, wider deren Gegner. Historische Gemälde sollen sie heißen, und solche würden immer beachtenswerth bleiben, wenn in ihnen dahin gestrebt würde, die Lücken der Geschichte durch psychologische Combinationen auszufüllen und lehrreiche Charakterbilder ihrer Helden zu entwerfen. Aehnliche Ideen sind enthalten in „Einige Gedanken über Herrn K–r’s Einwendungen gegen den historischen Roman“ in Jacobs’ philosophischem Anzeiger 1795 S. 409, so wie in der Vorrede zu seinem „Abälard“. „Man forderte die Bedingungen des historischen Romans von mir, der ich nur Geisteszustände durch ein romantisches Kleid sichtbar machen wollte.“ Sie sind vor allem Bilder seiner eigenen geistigen Entwicklungsstufen, so wie ihre weiblichen Charaktere Bilder der Frauen, die ihm im Leben nahe getreten waren. Außer den schon oben genannten gehören hieher: „Abälard und Heloise“, 1806, 2 Bde.; „Theresia oder Mysterien des Lebens und der Liebe“, 1807, 2 Bde. und 1810 2. Aufl.; „Des Corsen Bonaventura’s mystische Nächte“, 1807; „Alonso oder der Wanderer nach Montserrat, aus Don Barco’s Papieren“, 1808, 2 Bde. Anderer Art waren die Romane: „Der Groß-, Hof- und Staatsepopt Lotario [726] oder der Hofnarr“, 1808 und „Der Nachtwächter Benedict“, 1809; er selbst bezeichnet sie als satirischer Richtung; der eine sollte die Napoleonischen Anmaßungen, der andere die Nachbeterei im Gebiete der Kunst und der Wissenschaft unter Weibern, Künstlern, Gelehrten und Großen einer gewissen Stadt geißeln. Sie erfüllen diese Aufgabe freilich nur sehr unvollkommen. – Seine historischen Arbeiten: „Die drei großen Könige der Ungarn aus dem Arpadischen Stamme“, 1808; „Versuch einer Geschichte der spanischen Nation (die alten und die neuen Spanier)“, 2 Bde., 1810; „Die Geschichte der Ungarn und ihrer Landsassen“, 1812–25, 10 Bde. (neue Auflage von Klein 1867 u. ff.) und seine „Geschichte Böhmens“, 1816, 4 Bde., sind unkritische und bis auf die Geschichte Ungarns heut werthlose Darstellungen der betreffenden Landesgeschichten auf Grund des vorhandenen Materials. In der Vorrede des zuerst genannten Werkes erklärt er ausdrücklich, keine Untersuchungen über die Kritik des Stoffes anstellen zu wollen, und ebenso versichert er in der Geschichte Spaniens, nichts neues entdeckt oder gefunden zu haben.

Eine eigene Lebensgeschichte bis zum Jahre 1824 gibt er in den „Rückblicken auf seine siebzigjährige Pilgerschaft“, Breslau 1824, aus welcher alle späteren Biographien, auch die gegenwärtige, geschöpft sind. Ferner sind für seine Charakteristik wichtig: „Ansichten von Religion und Kirchenthum“, 1805, 3 Bde. in 21 Briefen; und für seine religiöse Anschauung nach seiner Bekehrung die 1826 als Ergänzung zu den „Rückblicken“ erschienenen „Resultate meines Denkens und Erfahrens“. Ebendahin gehören seine „Christlichen Reden“, 2 Bde., 1822, und seine „Liturgischen Versuche zur Erbauung der Gläubigen, so wohl geistlichen als weltlichen“, 1823.