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ADB:Ferinarius, Johannes

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Artikel „Ferinarius, Johann“ von Heinrich Julius Kämmel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 711–713, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ferinarius,_Johannes&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 18:30 Uhr UTC)
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Ferinarius: Johann F. (Wildpräter), einer der späteren Schüler Melanchthon’s, die im Gewirr der confessionellen Gegensätze mehr und mehr dem [712] strengen Lutherthum sich entfremdeten und dem Calvinismus sich näherten. Er war am 24. Juli 1534 zu Stephansdorf in Schlesien geboren, wo damals sein Vater, Jakob F., später Pfarrer in Neumarkt, als Geistlicher wirkte. Nach Beendigung der Schulstudien bezog er im Sommer 1553 die Universität Wittenberg, wo er Melanchthon’s ganze Gunst gewann, auch mit Peucer und Ursinus in engere Verbindung kam. Durch den letzteren wurde er bei einem Besuche der Heimath (Februar 1557) auch mit dem nachmals so berühmten Joh. Crato bekannt. Im August desselben Jahres ging er mit Ursinus, dem großen Lehrer, nach Worms, wo ein letzter Versuch zur Wiedervereinigung der Katholiken und Protestanten Deutschlands gemacht werden sollte. Nach Wittenberg zurückgekehrt, lebte er im Hause einer Wittwe als Erzieher ihres Sohnes; auch Melanchthon’s Empfehlungen konnten ihm zunächst eine lohnendere Stellung nicht verschaffen. Aber mit einer solchen Empfehlung, die besonders seine poetische Begabung hervorhob, zog er doch 1560, wenige Wochen vor Melanchthon’s Tode, in die Welt hinaus, um Länder und Menschen zu sehen; Crato hatte die nöthigen Mittel gereicht. Er durchreiste die Niederlande und Frankreich, besuchte Genf und Zürich und ging dann, mit Konrad Gesner’s Empfehlungsschreiben ausgerüstet, auch nach Italien, wo Padua noch einige Zeit ihn festgehalten zu haben scheint; auf der Rückreise fand er in Augsburg sehr freundliche Aufnahme. Nach Wittenberg zurückgekehrt, konnte er nur durch abermaliges Eintreten in das Hauslehrerleben und aus weiteren Verlegenheiten durch Crato’s Unterstützung sich retten. Dazu kam die aus seinen theologischen Ansichten sich ergebende Gefahr, und als 1562 sein Vater in Neumarkt von den eifrigen Lutheranern verdrängt worden war, wirkte dies beengend auch auf den Sohn. Doch eben damals verlobte sich dieser mit einer Tochter des bereits verstorbenen Cruciger, und nachdem er zu Anfang des J. 1563 Magister geworden war und Vorlesungen zu halten begonnen hatte, lehnte er selbst einen Ruf nach Heidelberg ab, wohin sein Freund Ursinus ihn nachziehen wollte. Allein schon 1565 folgte er einem Rufe nach Freistadt, dessen Schule der Rector Erasmus Benedictus zu hoher Blüthe gebracht hatte. Seit dessen Tode (17. März 1559) hatte der Stadtrath sechs Jahre lang vergeblich nach einem tüchtigen Nachfolger sich umgesehen, und erst in F. glaubte er ihn gefunden zu haben. Die von diesem bei der Uebernahme des Amtes gehaltene Rede „De studiis doctrinarum“ ist in demselben Jahre noch auf Peucer’s Veranstaltung zu Wittenberg gedruckt worden und hat später (1572) auch im fünften Bande der von Melanchthon in seinen letzten Jahren geschriebenen Orationen Aufnahme gefunden. Sie zeigt uns im Verfasser einen von trüber Weltanschauung beherrschten Mann und läßt uns in die pädagogischen Grundsätze, welche sein Wirken bestimmen sollten, keinen recht befriedigenden Einblick gewinnen. Und bereits zum Wintersemester 1566–67 rief ihn der Kurfürst August, in Uebereinstimmung mit den Wünschen der Universität, nach Wittenberg zurück, um den an die Schule zu Görlitz abgegangenen Petrus Vincentius in der Professur der Aristotelischen Ethik zu ersetzen. Er entsprach nun zwar diesem Rufe und wurde sogleich Decan der Artistenfacultät, als welcher er im Februar 32 Magister zu promoviren hatte; aber er kehrte dann doch nach Freistadt zurück und leitete die dortige Schule bis 1572. In dieser Zeit erschienen (Wittenberg 1571) seine „Capita pietatis christianae, liber accommodatus et necessarius ecclesiis et scholis amplectentibus Confessionem Augustanam“, in katechetischer Form gehalten, aber in alle Subtilitäten der damaligen Dogmatik einführend. Sie verwickelten ihn dann, als der Herzog von Brieg, Georg II., ihn an die in seiner Hauptstadt eröffnete und nach dem Vorbilde der sächsischen Fürstenschulen eingerichtete Lehranstalt berufen hatte, in die ärgerlichsten Streitigkeiten mit den Theologen des Landes, die auch nicht eher [713] ruhten, als bis der verkappte Calvinist (Ostern 1575) vom Herzoge wieder entlassen war. Inzwischen war (Juli 1574) bei Vögelin in Leipzig die „Exegesis perspicua et ferme integra controversiae de sacra coena“, welche sein bereits 1573 in Glogau vom frühen Tode hingeraffter Freund Joachim Cureus hinterlassen, in die Oeffentlichkeit getreten und hatte zumal in Sachsen die härtesten Maßregeln gegen die Kryptocalvinisten zur Folge gehabt. Aber die Aufregung wirkte rasch auch nach Schlesien herüber, und der längst von Mißtrauen umgebene F. fand jetzt weder in Glogau, wohin er sich zunächst begeben hatte, noch in Breslau eine Zufluchtsstätte. Rathlos mit Weib und Kind, verzichtete er schließlich doch auch auf eine Anstellung erst in Nürnberg, dann in Bamberg, und als er Xylander’s Nachfolger in Heidelberg werden sollte, glaubte er die ausreichenden Kenntnisse zu griechischem Unterricht an einer Universität nicht zu besitzen. Da übertrug ihm 1576 der Landgraf Wilhelm von Hessen die Professur der Geschichte und Poesie in Marburg. Der durch Noth und Kummer gebeugte Mann nahm sie an, konnte sich dann aber (1577) nur schwer entschließen, auch die Leitung des vom Landgrafen begründeten Pädagogiums zu übernehmen, weil dazu volle Manneskraft erforderlich zu sein schien. Seitdem ist sein Leben in Ruhe dahin geflossen. An den kirchlichen Veränderungen der neuen Heimath, die seinen Ansichten entsprachen, konnte er ohne Bedenken theilnehmen. Mit den gleichgestimmten Freunden in Schlesien blieb er in engerem Verkehre. Noch 1601 erschien von ihm zu Liegnitz eine kurze Biographie des längst heimgegangenen Joachim Cureus; sie ist von Grusinger wieder herausgegeben in der „Commentatio de Joach. Cureo, summo saeculi XVI. medico, theologo, philosopho, historico“ (Marburg 1853, 4.). F. † am 30. Nov. 1602.

Ueber ihn s. Gillet, Crato v. Crafftheim und seine Freunde (1860), Bd. I. Außerdem vgl. Schönwälder und Guttmann, Gesch. des königl. Gymnasiums zu Brieg, 42 f. u. Koch, Gesch. des akademischen Pädagogiums in Marburg, IV. Seine Schriften sind verzeichnet bei Strieder IV. 887 u. V. 537.