ADB:Crato von Crafftheim, Johannes

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Artikel „Crato (Kraft) v. Crafftheim, Johannes“ von Adolf Schimmelpfennig in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 4 (1876), S. 567–569, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Crato_von_Crafftheim,_Johannes&oldid=- (Version vom 19. März 2024, 02:59 Uhr UTC)
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Crato: Johannes C. (Kraft) v. Crafftheim, kaiserl. Leibarzt, geb. in Breslau am 20. Nov. 1519, † am 19. Oct. 1585, Sohn eines Bürgers und Handwerksmannes, ging, nachdem er die Schulen seiner Vaterstadt durchlaufen, 1534 nach Wittenberg, kehrte aber nach einem Jahre, durch den Ausbruch der Pest verscheucht, wieder in die Heimath zurück. Unterstützungen seiner Breslauer Gönner und ein Rathsstipendium von jährlich 20 Fl. ermöglichten ihm die Fortsetzung seiner unterbrochenen Studien. Von Johann Heß an Luther warm empfohlen, nahm ihn dieser unter seine Convictoren auf und die während seines sechsjährigen Aufenthaltes in Luther’s Hause von C. geführten Tagebücher sind die aus Rücksicht auf seine Stellung am kaiserl. Hofe absichtlich verschwiegene Hauptquelle, aus welcher Johannes Aurifaber für die von ihm herausgegebenen Tischreden Luther’s geschöpft hat. Mit großem Erfolge widmete sich C. den classischen Sprachen, wurde Magister, und entschied sich in Anbetracht seiner schwächlichen Körperconstitution auf Luther’s Rath für das Studium der Medicin. Doch weder Wittenberg noch Leipzig, wohin sich C. 1543 als Hofmeister eines jungen Grafen von Werthheim begeben hatte, waren Universitäten, auf denen sich Aerzte hätten bilden können; C. strebte nach Italien und zog mit Erlaubniß des Breslauer Raths und mit Empfehlungsschreiben von Melanchthon und Camerarius ausgerüstet, 1545 nach Padua, wo Johannes Baptista Montanus sein Lehrer wurde. Dort erwarb er sich den Doctorhut und kehrte, nachdem er [568] in Verona eine Zeit lang prakticirt und die Halbinsel durchreist hatte, nach Ablauf seines Urlaubs bereits als Arzt von Ruf in die Heimath zurück. Der Breslauer Rath bestellte ihn alsbald zum Stadtphysicus und bewilligte ihm in Anerkennung der während der Pest von ihm geleisteten Dienste 1554 eine jährliche Besoldung von 100 Thlrn. mit der Verpflichtung, die Diener der Stadt und die armen Schüler im Hospital umsonst zu curiren. Zahlreiche glückliche Curen verbreiteten Crato’s Ruhm durch ganz Deutschland und bewirkten 1560 seine Ernennung zum kaiserl. Leibarzt. Anfänglich nur, wenn man seiner bedurfte, sich an den Hof begebend, siedelte er bei der zunehmenden Krankheit Ferdinands 1563 ganz nach Wien über, doch vermochte seine bewährte, weit berühmte Kunst den Tod nur noch eine Zeit lang aufzuhalten, nicht abzuwenden; Kaiser Ferdinand starb unter Crato’s christlichem Zuspruch am 25. Juli 1564 an der Schwindsucht. Von seinem die Gesundheit aufreibenden Dienst erlöst, verließ C. den Hof und kehrte zu seiner Familie nach Breslau zurück, wurde ihr aber das Jahr darauf durch seine Ernennung zum ersten Leibarzt Maximilians aufs neue entführt. Der Kaiser litt an einem organischen Herzübel und wie aufopfernd sich auch C. seiner Pflege widmete, so sind doch schwerlich ärztliche Dienste je großmüthiger und glänzender belohnt worden als die Crato’s. 1567 ernannte ihn der Kaiser zum Rath, erhob ihn unter dem Namen Crato von Crafftheim in den Adelstand, verlieh ihm 1568 den Titel eines Pfalzgrafen mit dem Rechte, im Umfange des ganzen römischen Reichs Notarien und ständige Richter zu ernennen, außereheliche Kinder mit Ausnahme der von Fürsten, Grafen und Freiherren zu legitimiren und erbfähig zu machen, unbescholtenen Personen Familienwappen zu verleihen und sie zum Besitz von Rittergütern zu befähigen, endlich Doctoren der Philosophie und Medicin auf Grund eines unter Zuziehung zweier Doctoren mit ihnen gehaltenen Examens zu creiren. 1569 begnadete ihn der Kaiser mit der Exemtion von dem Land-, westfälischen oder anderm fremden Gerichte, so daß er nur bei dem Hofgericht zu Rottweil sollte verklagt, gerichtet und abgeurtheilt werden können, verlieh ihm Freiheit von allen bürgerlichen und Staatslasten, und vermehrte 1575 seine Privilegen noch mit dem neuen, auch Doctoren des Civilrechts ernennen zu dürfen. Trotz dieser verschwenderisch auf sein Haupt gehäuften Ehren sind die Briefe an seine Freunde voll bittrer Klagen über das glänzende Elend, in welchem er schmachte, und unmöglich konnte der Schüler Luther’s, der im Laufe der Zeit zu calvinischen Anschauungen fortgeschritten und seine Ueberzeugungen zu verhehlen nicht gewohnt war, an einem katholischen Hofe in einer so hohen vielbeneideten Vertrauensstellung ohne Feinde bleiben. Wenn es seinen Neidern auch nicht gelang, ihm das Vertrauen seines kaiserlichen Herrn zu entziehen, so mußte er es doch erleben, daß man ihm den Zutritt auf alle Weise erschwerte und anstatt seiner eine Quacksalberin aus Ulm an das Bett des schwer erkrankten Kaisers rief. Als C. an das Lager seines Herrn drang, war es zu spät; Maximilian starb am 12. October 1576. Der Hof wurde jetzt von allen evangelischen Elementen gesäubert; C. zog aufs neue nach Breslau, aber die Hoffnung, ihn entbehren zu können, war verfrüht; schon im Herbste 1577 sah man sich genöthigt, ihn zur Rückkehr aufzufordern. C., selber leidend, zögerte, doch machte die schwere Erkrankung Rudolfs im September 1578 seinen Bedenklichkeiten ein Ende. Jede Rücksicht auf sich selber aus den Augen lassend, eilte er an das Krankenbett des Kaisers nach Prag; seine Kräfte waren bald so erschöpft, daß er die Treppen im Palaste hinaufgetragen werden mußte; eine Auszehrung fing an sich auszubilden. C. bedurfte der Ruhe und verlangte nach ihr; außerdem verleideten ihm die trostlosen Zustände des Hofes und der wachsende Einfluß der Jesuiten seine ohnehin so schwierige und mühevolle Stellung; doch erst im Herbste 1581 wurde ihm die [569] längst erbetene und heiß begehrte Entlassung aus dem Hofdienste in Gnaden gewährt. Seit 1567 besaß C. das Landgut Rückerts bei Glatz; dort hatte er 1581 mit Genehmigung des Kaisers eine Kirche gebaut und mit einem reformirten Prediger besetzt; dort sein Leben zu beschließen, scheint ursprünglich sein Vorsatz gewesen zu sein, auch hatte er seine Bibliothek dorthin bringen lassen; indeß seinem rastlosen Geiste war der lebendige Verkehr mit Männern der Wissenschaft zu sehr Bedürfniß, als daß es ihn nicht nach Breslau, wo damals Andreas Dudith, der ehemalige Bischof von Fünfkirchen, der Mittelpunkt aller religiösen und wissenschaftlichen Bestrebungen war, hätte zurückziehen sollen. Er übergab daher Rückerts seinem Sohne und kehrte 1583 nach Breslau zurück, aber so leidend, daß er nur selten das Bett verlassen konnte. Dort ist er 1585 an der Schwindsucht gestorben.

C. gehört zu den bedeutendsten Männern des 16. Jahrhunderts. Der erste Arzt seiner Zeit war sein Ruf ein europäischer. Die Contagiosität der Pest hat er zuerst erkannt und sie allen wider sie zu ergreifenden Maßregeln einsichtsvoll zu Grunde gelegt. Seine medicinischen Werke „Idea doctrinae Hippocraticae“, eine Darstellung der galenisch-hippokratischen Lehre nach den Ansichten seines Lehrers Montanus, seine „Methodus therapeutica ex sententia Galeni et J. B. Montani“, 1554, erregten bei ihrem Erscheinen das größte Aufsehn und wurden rasch vergriffen. Schüler Luther’s und Freund Melanchthon’s, dabei eine tief religiöse Natur ist C. lebenslang Theologe geblieben. An classischer Bildung und theologischer Gelehrsamkeit die damaligen lutherischen Stimmführer weit überragend, wurde er das Haupt jener kleinen über ganz Deutschland zerstreuten Gemeinde, welche die im Erstarren begriffene Reformation im Fluß zu erhalten sich bemühte, aber von der Kirche als Kryptocalvinismus geächtet worden ist. Crato’s Verdienste als Arzt hat Henschel in seiner Denkschrift zur Feier des 50jährigen Bestehens der schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur: Crato von Kraftheim’s Leben etc. Breslau 1853, gewürdigt; als Mensch, Gelehrten und Christen hat ihn Gillet in seinem Werke: Crato von Crafftheim und seine Freunde, Frankfurt a/M. 1860, 2 Theile, aus handschriftlichen Quellen geschildert.