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ADB:Ursinus, Zacharias

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Artikel „Ursinus, Zacharias“ von Theodor Julius Ney in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 39 (1895), S. 369–372, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ursinus,_Zacharias&oldid=- (Version vom 5. Dezember 2024, 13:34 Uhr UTC)
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Ursinus: Zacharias U., reformirter Theologe, geboren in Breslau am 18. Juli 1534, † in Neustadt a. H. am 6. März 1583. Er war der Sohn eines aus Neustadt in Oesterreich stammenden Diakons Kaspar Beer, welcher 1528 als Informator nach Breslau gekommen war und seinen Familiennamen bereits in Ursinus übersetzt hatte. Ursinus’ Mutter, Anna Rothe, gehörte einer angesehenen Breslauer Familie an. Trotzdem blieb Ursinus’ Vater bis zu seinem 1555 erfolgten Tode in beschränkten Verhältnissen. Auf der Elisabethschule in Breslau gründlich vorgebildet, konnte Zacharias, mit städtischen und anderen Stipendien unterstützt, schon im Alter von nicht 16 Jahren die Universität beziehen und wurde, nachdem er vor Melanchthon eine besondere Prüfung bestanden hatte, am 30. April 1550 in Wittenberg immatriculirt, wo er mit großem Eifer seinen Studien oblag und sich besonders an Melanchthon enge anschloß. Im August 1557 durfte er letzterem zum Religionsgespräche nach Worms folgen und unternahm von da aus, von den Brüdern seiner verstorbenen Mutter mit den nothwendigen Mitteln versehen und durch ein ehrenvolles Zeugniß Melanchthon’s empfohlen, eine längere Studienreise, auf welcher er in Genf mit Calvin in Beziehungen trat und in Paris einen längeren Aufenthalt nahm. Auf der Rückreise besuchte er, überall gelehrte Verbindungen anknüpfend, Zürich, Tübingen, Ulm und Nürnberg. Im September 1558 kam er wieder nach Wittenberg, um alsbald, dem Rufe des Breslauer Rathes folgend, als Lehrer an der Elisabethschule in seine Vaterstadt zurückzukehren.

Aber es sollte hier seines Bleibens nicht lange sein. Auch in Breslau brach der Abendmahlsstreit aus, welcher damals in ganz Deutschland die Gemüther erregte. U. war auf seiner Reise sich darüber völlig klar geworden, daß er in diesen Fragen nur auf Calvin’s Seite stehen könne, und gab seiner Ueberzeugnng in seiner 1559 zu Breslau erschienenen Erstlingsschrift: „Theses de sacramentis“ offenen Ausdruck. Damit war aber seine Stellung in Breslau unhaltbar geworden. U. erbat sich von dem Rathe die Enthebung von seinem Amte und erhielt dieselbe in ehrenvollster Weise und unter der Bedingung, daß er nach Breslau zurückkehren werde, sobald die Stadt seine Dienste wieder begehre. Er wendete sich nach kurzem Aufenthalte in Wittenberg, wo kurz vorher Melanchthon gestorben war, nach Zürich, wo er am 3. October 1560 ankam und mit den dortigen Theologen, besonders mit Petrus Martyr Vermigli, in die engste Verbindung trat. Bereits im folgenden Jahre fand U., dessen calvinische Ueberzeugung in Zürich noch fester gegründet worden war, den seinen [370] Fähigkeiten angemessenen Wirkungskreis. Kurfürst Friedrich III. von der Pfalz berief ihn an die mit reformirten Lehrern neu besetzte Hochschule nach Heidelberg, wo er am 9. September 1561 ankam. Zunächst übernahm er hier die Leitung des Sapienzcollegiums, einer neu organisirten Anstalt zur Heranbildung von Geistlichen. Im folgenden Jahre wurden ihm, nachdem er am 25. August 1562 die Würde eines Dr. theol. erhalten hatte, außerdem die Vorlesungen über die Dogmatik übertragen, welche er fortführte, bis ihn seine anderweitige Arbeitslast zwang, dieselben 1568 in die Hände des zu seiner Entlastung berufenen Hieronymus Zanchius zu legen. Zu den ausgedehnten Geschäften, welche die äußere und innere Leitung der genannten Anstalt mit sich brachte, kamen umfassende wissenschaftliche und litterarische Arbeiten, zu welchen seine Stellung ihn nöthigte. So übertrug der Kurfürst ihm 1562 im Vereine mit Kaspar Olevianus die Ausarbeitung eines Katechismus, welcher nicht bloß der Unterweisung der pfälzischen Jugend dienen, sondern auch den Predigern und Lehrern eine feste Norm für ihre Lehre bieten sollte. Mit gewissenhafter Treue gingen beide an das Werk. Während, wie es scheint, die treffliche Anlage und Stilisirung mehr auf den praktisch gerichteten Olevian zurückzuführen ist, ist die dogmatische Gestaltung des Stoffes offenbar vor allem das Werk Ursinus’, welcher unter Berücksichtigung der ganzen einschlägigen Litteratur als Vorarbeit zwei, dann von beiden Theologen in deutscher Sprache überarbeitete, Entwürfe angefertigt hatte. Aus ihnen ist der berühmte pfälzische oder Heidelberger Katechismus hervorgegangen, in welchem sich U. ein unvergängliches Denkmal gestiftet hat. Nachdem derselbe von einem Convente der pfälzischen Superintendenten zu Kaiserslautern gebilligt worden war, erschien er im Januar 1563 zu Heidelberg unter dem Titel: „Katechismus oder christlicher Unterricht, wie der in Kirchen und Schulen der churfürstlichen Pfalz getrieben wird“, zuerst im Drucke und wurde die bedeutendste Bekenntnißschrift der reformirten Kirche Deutschlands.

So großen und wohlverdienten Beifall dieser Katechismus aber innerhalb und außerhalb Deutschlands bei den Gesinnungsgenossen fand, so heftige Angriffe wurden von eifrig lutherischer Seite gegen denselben gerichtet. Die Aufgabe, diesen Angriffen zu begegnen und die wissenschaftliche Vertheidigung des Katechismus zu führen, fiel dem U. zu, welcher so, seiner innersten Neigung sehr zuwider, zu immer neuen theologischen Fehden genöthigt ward. In zahlreichen, meist im Namen der Heidelberger theologischen Facultät herausgegebenen Streitschriften, unter denen die 1564 unter dem Titel: „Gründlicher Bericht vom heiligen Abendmahle“ erschienene, die bekannteste ist, vertheidigte er die Lehre des Heidelberger Katechismus mit Klarheit und Schärfe. Bei dem vom 10. bis 15. April 1564 abgehaltenen unerquicklichen und ergebnißlosen Maulbronner Religionsgespräche war U. neben Olevian der schlagfertigste Vertreter der Heidelberger Lehre gegen Jakob Andreä und übernahm auch bei dem darauf folgenden erbitterten litterarischen Streite die Abfassung der die Stellung der Pfälzer vertheidigenden Schriften. Doch nahm er, von Natur friedfertig und schüchtern, nur mit Widerwillen an diesen Kämpfen theil. Als darum Friedrich III. Ende 1566 eine Disputation der Heidelberger mit den lutherischen oberpfälzischen Theologen zu Amberg veranlaßte, kam U. zwar auf Einladung des Kurfürsten ebenfalls dahin, blieb aber den Verhandlungen fern, da er sie, durch seine Maulbronner Erfahrungen belehrt, für nutzlos hielt.

Trotzdem blieben U. neue, diesmal im Schooße der pfälzischen Kirche selbst entbrennende Kämpfe nicht erspart. Es handelte sich dabei um die in den calvinischen Kirchen des Auslandes längst eingeführte Kirchenzucht. Im Mai 1568 erhob U. in einer an den Kurfürsten gerichteten Denkschrift Klage über die herrschende Zügellosigkeit und forderte entschieden die Einrichtung einer Kirchendisciplin. [371] Während Olevian und andere auf Seite des U. traten, sprachen sich andere, unter ihnen besonders der Leibarzt des Kurfürsten Thomas Craft, scharf gegen die Kirchenzucht aus. Daran schloß sich ein längerer ärgerlicher Streit, welchem Friedrich III., dazu mit veranlaßt durch das Auftreten des Pfarrers Adam Neuser in Heidelberg und des Inspectors Johann Sylvanus zu Ladenburg, am 13. Juli 1570 dadurch ein Ende machte, daß er die Einrichtung von Presbyterien und Einführung der Kirchenzucht anordnete. Die genannten beiden Theologen, eifrige Gegner der Kirchenzucht, hatten die Dreieinigkeit und die Gottheit Christi bestritten und nicht blos mit den Antitrinitariern in Siebenbürgen, sondern sogar mit dem türkischen Sultan Verbindung gesucht. Während Neuser der drohenden Verhaftung zu entgehen wußte und nach der Türkei entkam, in der er als Muhamedaner starb, wurde Sylvan am 23. December 1572 als Gotteslästerer in Heidelberg enthauptet. Ein leider auch von U. unterzeichnetes Gutachten der Heidelberger Theologen, welches die Todesstrafe für Gotteslästerung forderte, hatte zu dem beklagenswerthen Entschlusse des lange schwankenden Kurfürsten das seine beigetragen.

Alle diese unerwünschten Kämpfe und die Anstrengungen seines Amtes hatten die ohnehin zarte Gesundheit Ursinus’ untergraben. Auch nach Abgabe der dogmatischen Vorlesungen blieb seine Arbeitslast eine übergroße, da er, häufig ohne jede Hülfe, nicht bloß den gesammten Unterricht und die Erziehung der 70 Zöglinge der Sapienz, sondern auch die ökonomische Leitung der Anstalt zu besorgen hatte. An sich zur Hypochondrie geneigt, zog er sich von jedem Umgange zurück. Seine Kränklichkeit nahm von Jahr zu Jahr zu, ebendamit aber auch seine Verstimmung und Sehnsucht, aus seiner „Tretmühle“ im Sapienzcollegium befreit zu werden. Als ihm aber 1571 ein ehrenvoller Ruf zu einer theologischen Professur in Lausanne die erwünschte Gelegenheit dazu bot, legte er die Entscheidung in die Hände des Kurfürsten, welcher den trefflichen Mann nicht ziehen lassen wollte. Doch entschloß er sich auf Zureden seiner Freunde im Sommer 1574, mit Margaretha Trautwein in die Ehe zu treten. Er gewann an ihr eine liebevolle Pflegerin und tüchtige Hausfrau, welche ihn mit einem ihn überlebenden Sohne, Johannes U., beschenkte.

Zwei Jahre später, am 26. October 1576, starb Kurfürst Friedrich III. Sein streng lutherischer Sohn Ludwig VI. folgte ihm in der Regierung und setzte alsbald eine vollständige Umwälzung der ganzen pfälzischen Kirche ins Werk. Auch U. erhielt, nachdem kurz vorher das Sapienzcollegium aufgelöst worden war, am 7. October 1577 seine Entlassung und fand, unter Ablehnung eines Rufes an die Hochschule in Bern, gleich anderen entfernten Heidelberger Professoren einen neuen Wirkungskreis an der von Pfalzgraf Johann Casimir, dem gleichgesinnten jüngeren Sohne Friedrich’s III., neugegründeten Lehranstalt, dem Casimirianum in Neustadt a. H. Am 26. Mai 1578 begann er hier mit Vorlesungen über den Propheten Jesaia seine Thätigkeit und konnte dieselbe in angestrengter Arbeit unter stets zunehmenden körperlichen Leiden noch fast fünf Jahre fortsetzen. Hier verfaßte er noch, veranlaßt durch die Aufstellung der Concordienformel, zur Vertheidigung der reformirten Lehre außer mehreren kleineren Schriften sein bedeutendes letztes größeres Werk, die 1581 erschienene „Christliche Erinnerung vom Concordienbuch“, welche von ihm zuerst unter dem Titel „Admonitio christiana“ in lateinischer Sprache herausgegeben worden war. In der Stiftskirche zu Neustadt wurde U. bestattet. Die deutsche reformirte Kirche ehrt ihn als einen ihrer hervorragendsten und scharfsinnigsten Theologen.

Die lateinischen Werke Ursinus’ wurden großentheils von 1584 bis 1590 durch seinen Schüler Joh. Jungnitz, seine Erklärungen zum Heidelberger Katechismus zuerst 1591 durch David Pareus herausgegeben. Eine Gesammtausgabe seiner [372] Werke veranstaltete von 1612 an Quirinus Reuter in drei Foliobänden. Sein Leben ist außer von Melch. Adam aus den Quellen beschrieben von K. Sudhoff, K. Olevianus und Z. Ursinus (Elberfeld 1857) und von J. F. A. Gillet, Crato von Crafftheim und seine Freunde (Frankfurt a. M. 1860, 2 Bände). Außerdem vgl. Hundeshagen in Piper’s evangelischem Kalender von 1863 und J. Werle in den von dem evang. Vereine der Pfalz herausgegebenen „pfälzischen Reformatoren“, sowie meinen Artikel in der theologischen Realencyklopädie, 2. Auflage, XVI, 238 ff.