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ADB:Fouqué, Friedrich

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Artikel „Fouqué, Friedrich Heinrich Karl de la Motte-“ von Joseph Kürschner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 7 (1878), S. 198–201, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Fouqu%C3%A9,_Friedrich&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 23:20 Uhr UTC)
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Fouqué: Friedrich Heinrich Karl de la Motte-F., „der märkische Dichterfürst, der gesellschaftliche Mittelpunkt der romantischen Schule“, geboren 12. Febr. 1777 zu Brandenburg a. d. Havel, † 23. Jan. 1843 in Berlin. Von einem Candidaten A. F. Sachse unterrichtet, sollte F. eigentlich in Halle die Rechte studiren, trat aber aus Begeisterung für den Soldatenstand, angeregt durch die Zeitereignisse, bereis 1794 als Cornet in das Kuirassierregiment Herzog von Weimar und betheiligte sich als solcher am Rheinfeldzug. Zurückgekehrt, [199] verheiratete er sich in Aschersleben, doch trennte er diese Ehe später wieder und ehelichte die verwittwete Frau von Rochow. In Aschersleben, wie später in Bückeburg, wo er in Garnison lag, widmete er seine freien Stunden dem Studium der Litteratur, machte 1802 in Weimar Goethe’s und Schiller’s Bekanntschaft und zog sich dann nach seiner zweiten Verheirathung ganz vom Militär zurück um fürderhin auf dem Gute seiner Frau, Nennhausen, nur im Dienste der Musen thätig zu sein. Das Erste, was er veröffentlichte waren die „Dramatischen Spiele von Pellegrin“ 1801, herausgegeben von A. W. v. Schlegel, mit dem F. in einem sehr freundschaftlichen Verhältnisse lebte und der für Fouqué’s Talent große Hochachtung hegte (vgl. u. A. Holtei, Brief an Tieck III. S. 337). Als 1813 die Kriegsdrommete erscholl und Deutschland sich aufraffte das Joch des Corsen abzuschütteln, griff auch F. wieder zum Schwert, trat als Lieutenant zu den freiwilligen Jägern und focht als treuer Soldat in den namhaftesten der damaligen Schlachten. Gesundheitsrücksichten zwangen ihn jedoch zur Aufgabe der militärischen Laufbahn; als Major und mit dem Johanniterkreuz geschmückt schied er aus dem Dienst. Litterarisch seitdem ununterbrochen thätig, siedelte er 1831 nach dem Tode seiner Frau nach Halle über, hielt dort Vorlesungen über Geschichte und Litteratur und gab sich, von mancherlei Sorgen bedrückt, einer pietistischen Richtung hin, die ihn die moderne Welt in dunklen Farben erblicken ließ. König Friedrich Wilhelm IV. von Preußen, der in früheren Jahren ein Freund der Fouqué’schen Schriften gewesen war, berief den Dichter, ihn seiner Sorgen entlastend, 1842 nach Berlin, wo ein Schlaganfall am 23. Jan. 1843 dem Leben Fouqué’s ein Ende machte. – Einer der productivsten deutschen Dichter hat sich F. auf fast allen Gebieten der schönen Literatur versucht, aber trotz der Zahl und Mannigfaltigkeit seiner Schriften ist er heute nahezu vergessen; nur die vorzüglichste seiner Arbeiten, die Erzählung „Undine“ (Berl. 1811, 17. Aufl. 1870) erfreut sich auch heute noch wohlverdienter Beliebtheit. Diese Erzählung gehört zu den lieblichsten und sinnigsten Blüthen der romantischen Schule, gleich glücklich im Inhalt, wie anmuthend in der Form spricht sie das Geheimniß der Romantik aus: „die Beseelung der elementaren Natur“. Eine gleiche Höhe hat F. nie wieder erreicht und wenn auch seine Romane aus der Ritterzeit und aus der nordischen Sage und Mythe durchaus nicht arm sind an Zügen echter Poesie, lebhafter Phantasie und wohlthätiger Wärme, so fehlt es ihnen doch zu sehr an scharfer Charakteristik und an Verinnerlichung des Stoffes, Mängel, die durch die Manirirtheit der Form und durch starke Betonung der Aeußerlichkeiten nur noch schärfer hervortreten. Der poetisch bedeutendste dieser Ritterromane dürfte der „Zauberring“ (3 Bde. Nürnberg 1813. 3. Aufl. Braunschweig 1855) sein, der besonders durch die Mannigfaltigkeit und das lebendige Colorit der Scenerie anzieht. Dem Zauberring waren schon vorausgegangen die Romane „Historie von dem edlen Ritter Galmy und einer schönen Herzogin von Bretagne“ (1806), „Allwin“ (1808); es folgten ihm „Der Todesbund“ (Kleine Romane Berlin 1814–19, Bd. 1 separat 1815), „Die Fahrten Tiodulf’s, des Isländers“ (1815, 2. Aufl. 1848), „Sängerliebe“ (1816), „Der Verfolgte“ (1821), „Wilde Liebe“ (1822), „Der Refugié“ (1824), „Abfall und Buße“ (1844) u. a., ebenso verschiedene Novellen, wie die seltsamen Schöpfungen „Mandragora“ (1827) und „Fata Morgana“ (1830), die bereits in der Periode des Niedergangs von F.’s dichterischer Schöpfungskraft fallen. Nicht minder zahlreich wie seine Romane sind Fouqué’s Dramen, die wohl Kraft, kecken Aufschwung der Phantasie, auch sprachliche Schönheiten aufzuweisen haben, aber auch die Schwächen der erzählenden Werke, wozu vor Allem der Mangel einer wirklich dramatischen Anlage sich gesellt. Das bedeutendste und großartigst angelegte seiner Dramen ist ohne Zweifel „Der Held des Nordens“ (1803, 3 Bde.), eine [200] dem Philosophen Fichte gewidmete Trilogie, die aus den Dramen „Sigurd der Schlangentödter“, „Sigurds Rache“ und „Aslauga“ sich zusammensetzt und ihren Stoff der Niflungasage der Edda entnimmt. Von seinen übrigen Dramen sind zu nennen: die 1804 in Berlin erschienenen „Dramatischen Spiele“, mit denen F., wie schon erwähnt, unter dem Namen Pellegrin seine litterarische Laufbahn eröffnete, ferner die zwei Schauspiele (1805) „Der Falke“ und „Das Reh“, das dramatische Spiel „Die Zwerge“ (1805. 1816), „Eginhard und Emma“ (1811), mehrere „Vaterländische Schauspiele“ (1811), „Alboin, der Longobardenkönig“, ein Heldenspiel (1813), „Dramatische Dichtungen für Deutsche. Neue vaterländische Schauspiele“ (1813), von denen das Trauerspiel „Die Familie Hallersee“ und das dramatische Gedicht „Die Heimkehr des großen Kurfürsten“ auch als „Schauspiele für Preußen“ (1813) edirt wurden. Zwei Jahre später veröffentlichte er ein Vorspiel „Tassilo der Baiernherzog“, hierauf die Trauerspiele „Die Pilgerfahrt“ (1816), „Die zwei Brüder“ (1817), „Liebesrache“ (1817), „Hieronymus Stauf“ (1819) und einen hochinteressanten „Don Carlos“ (1824). Verschiedene der angeführten Dramen erhalten ein besonderes Interesse durch die in ihnen angebrachten Reimkünsteleien, Assonanzen und Alliterationsgebände; die Bühne aber blieb ihnen wegen des völligen Mangels an streng dramatischer Form und Anlage verschlossen. Fouqué’s lyrische Gedichte gefallen meist durch Leichtigkeit und Glanz, so daß sie Heine nicht mit Unrecht „süße lyrische Colibri’s“ nennt; von seinen Epen zeichnet sich „Corona“ (1814), das in ottave rime verfaßt ist und großentheils zeitgeschichtliche Stoffe verwendet, durch Gleichmäßigkeit in der Bearbeitung und südliche Bildersprache aus. Auch als Verfasser „geistlicher Lieder“ (1823) und „Geistlicher Gedichte“ (herausgegeben von Albertine de la M.-F. und bevorwortet von Kletke, Berlin 1846) ist F. aufgetreten, ebenso hat er Kriegslieder geschrieben, verschiedene Jahrbücher und mit Fr. Laun 1818 Geschichten, Sagen und Dichtungen „Aus der Geisterwelt“ herausgegeben, sich als Mitarbeiter an periodischen Schriften betheiligt, auch einen sehr unbedeutenden „Altsächsischen Bildersaal“ (1818–1820) u. A. verfaßt. Die Schriften aus der letzten Periode seines Lebens sind – außer einigen schon genannten – „Die Welt-Reiche“ zu Anfang der Jahre 1835–40 (Gedichte, 1835–40), „Von der Liebeslehre“ (1837), „Goethe und einer seiner Bewunderer“ (1840), „Der Pappenheimer Cuirassier“ (1842), „Jacob Böhme, ein biogr. Denkmal“ (1831), „Preußische Trauersprüche und Huldigungsgrüße für das Jahr 1840“ (1840) u. a.; auch redigierte er mit F. v. Alvensleben die „Zeitung für den deutschen Adel“ (Leipzig und Nordhausen 1840–42). 1840 gab er seine „Lebensgeschichte“ und 1841 „Ausgewählte Werke, Ausgabe letzter Hand“ in 16 Bänden heraus. F. war das traurige Loos beschieden seinen Ruhm zu überleben, schon nach 1820 versagte das Publicum seinen Schriften die früher reichlich bewiesene Theilnahme; eine spätere Zeit wollte nichts mehr von seiner litterarischen Eigenart wissen; man vergaß dabei, wie Gottschall (a. u. a. O. S. 460) treffend bemerkt, „daß die romantische Ironie bei ihm erloschen war, daß eine ernste edle vaterländische Gesinnung seine großen Werke beseelte und die germanistische Richtung, der wir so bedeutende wissenschafliche Resultate verdanken, die Schuld des Rühmenswerthen und auch des Tadelnswerthen trug, das seine Dichtungen charakterisirt.“

Fouqué’s dritte Frau, Albertine Tode, die er in Halle geheirathet hatte und die erst in den siebenziger Jahren als Pensionärin der Schillerstiftung starb, ist ebenfalls als Schriftstellerin, u. a. als Verfasserin des Romans „Reinhold“ (1865, 2 Bde) nicht unbekannt geblieben, doch wird sie an Reichthum der Production weit übertroffen durch seine zweite Gattin Karoline Auguste, geb. [201] v. Briest, die 1773 auf dem Gute Nennhausen bei Rathenow geboren, erst (seit 1789) mit einem Herrn v. Rochow, und nachdem sie von diesem geschieden, seit 1803 mit F. vermählt am 20. Juli 1831 in Nennhausen starb. Geistvoll und von schönem Aeußern, beherrschte sie F., mit dem sie das Loos theilt, vor dem Ende vergessen zu sein. Sie schrieb eine große Anzahl Romane, Novellen und Erzählungen („Roderich“, 1807; „Frau des Falkensteins“, 1810; „Die Spanier und der Freiwillige in Paris“, „Feodora“, 1814; „Edmunds Wege und Irrwege“, 1815; „Das Heldenmädchen aus der Vendée“, 1816; „Frauenliebe“, 1818; „Ida“, „Lodoiska und ihre Tochter“, 1820; „Die blinde Führerin“, „Heinrich und Maria“, 1821; „Vergangenheit und Gegenwart“, „Die Herzogin von Montmorency“, 1822; „Die Vertriebenen“, 1823; „Bodo von Hohenried“, 1825 u. A.), veröffentlichte 1821 „Briefe über Berlin“, 1826 „Die Frauen in der große Welt, Bildungsbuch beim Eintritt in das gesellige Leben“, gab mit Amalie v. Hellwig 1812–13 zwei Jahrgänge eines „Taschenbuchs der Sagen und Legenden“ heraus.

Vgl. zur Charakteristik Fouqué’s besonders Gottschall, Deutsche Nationallitteratur, Breslau 1875, I S. 459–471; ferner Blätter f. litt. Unterhaltung 1842, Nr. 323 ff. Augsb. Allg. Ztg. 1843, Beil. zu Nr. 55. Brandes, Die Hauptströmungen der Litteratur des 19. Jahrh. II. S. 304–31; Briefe an Fouqué, herausg. von Kletke, Berlin 1848. Fr. W. Gubitz, Erlebnisse ebd. 1869. III. S. 111–115. Allg. litter. Correspondenz 1877 Nr. 4 u. 5.