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ADB:Günther, Johann Friedrich Ludwig

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Artikel „Günther, Johann Friedrich Ludwig“ von Ferdinand Spehr in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 175–176, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:G%C3%BCnther,_Johann_Friedrich_Ludwig&oldid=- (Version vom 22. Dezember 2024, 01:33 Uhr UTC)
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Günther: Johann Friedrich Ludwig G., Dr. jur., Rechtsgelehrter, geboren am 15. März 1773, starb 1854, ist zu Gandersheim geboren, woselbst sein Vater Commissär bei der damals noch bestehenden reichsfreiweltlichen Abtei war. Er studirte, auf der gelehrten Schule seiner Vaterstadt vorgebildet, in Göttingen Rechtswissenschaft, trat am 29. September 1796 als Actuar beim Amte Gandersheim in den braunschweigischen Staatsdienst, wurde im J. 1800 Justizamtmann bei den Aemtern Calvörde und Bahrdorf und in der westfälischen Regierungsperiode im J. 1808 Richter bei dem Tribunale erster Instanz zu Helmstedt. Zugleich wurde er zum außerordentlichen Professor der Rechte an der Julius-Karls-Universität daselbst ernannt, an welcher er Vorträge über römisches Recht und Civilproceß hielt. Er war der letzte Rechtslehrer, der an der im J. 1810 aufgehobenen Universität zum Professor ernannt wurde. Nach Wiederherstellung des Herzogthums Braunschweig und bei Wiedereinführung des früheren Rechtsverfahrens in demselben im J. 1814, wurde G. zunächst Kreisamtmann in Königslutter, aber bereits im J. 1816 wurde er zum Hofrathe [176] und Mitgliede des Landesgerichts in Wolfenbüttel und im J. 1817 auch zum weltlichen Mitgliede des Consistoriums daselbst ernannt. Als im J. 1819 der Oberappellationsrath G. P. v. Bülow (Bd. III. S. 527) als zweiter Director an des Kammercollegium nach Braunschweig versetzt wurde, trat G. in das gemeinschaftliche Oberappellationsgericht für das Herzogthum Braunschweig und die Fürstenthümer Waldeck, Lippe-Detmold und Schaumburg-Lippe als Rath ein, in welcher Stellung er eine Menge wichtiger und schwieriger Civilsachen in letzter Instanz entschied. Durch seine Ernennung zum Propste des Klosters St. Laurentius bei Schöningen am 26. September 1831 wurde G. Mitglied der Prälatenbank der braunschweigischen Ständeversammlung, an deren Berathungen er bis zum Erlaß der neuen Landschaftsordnung thätigen, nutzbringenden Antheil nahm. In Gemeinschaft mit dem Lippe’schen Kanzleidirector Balhorn-Rosen und dem Waldeck’schen Regierungsrathe Varnhagen arbeitete er einen Entwurf einer Ordnung des gemeinschaftlichen Oberappellationsgerichts aus, welcher nach längeren Verhandlungen und nach vorgängiger Berathung durch den braunschweigischen Landtag die Genehmigung der betheiligten Staaten und damit für die betreffenden Länder Gültigkeit erhielt. – Nach dem Tode des Oberappellationsgerichtspräsidenten Weitenkampf (22. April 1841) wurden die Geschäfte des Oberappellationsgerichts derartig zwischen den beiden ältesten Räthen getheilt, daß der Geheimrath, Oberappellationsrath, späterer Präsident v. Strombeck die allgemeinen Directorialgeschäfte und die Vertheilung der Criminalacten, G. die der Civilsachen zu besorgen hatte. Als ersterer am 7. April 1846 in den Ruhestand trat, wurde G. am 25. Mai 1846 das ungetheilte Präsidium verliehen. Bis zu seinem Tode war er auch Mitglied der im J. 1832 errichteten Ministerialcommission zur Berathung der Gesetzentwürfe und anderer wichtiger Landesangelegenheiten für das Herzogthum Braunschweig und Vorsitzender der Section für die Justiz. Am 1. Juli 1850 wurde im Herzogthum die neue Gerichtsverfassung eingeführt und es hörte für dasselbe die Wirksamkeit des bisherigen höchsten Gerichtshofes, des gemeinschaftlichen Oberappellationsgerichts auf. G. wurde nun erster Präsident des neuerrichteten Obergerichts zu Wolfenbüttel und insbesondere Präsident des ersten Senats, welcher als Cassationshof über das Rechtsmittel der Nichtigkeitsbeschwerde in Civil- und Strafsachen, sowie über das Rechtsmittel der Revision in Civilsachen entscheidet. Vier Jahre lang verblieb G. in dieser Stellung als der erste Justizbeamte des Herzogthums. Er starb, 81 Jahre alt, am 17. October 1854 zu Wolfenbüttel mit dem Rufe eines der gelehrtesten, gerechtesten und unwandelbar unparteiischen Richter des Herzogthums. – Bereits am 29. September 1846 hatte er sein fünfzigjähriges Amtsjubiläum gefeiert, bei welcher Veranlassung ihm vom Herzoge von Braunschweig das Commandeurkreuz erster Classe des Ordens Heinrichs des Löwen und vom Fürsten zu Lippe-Detmold die goldene Verdienstmedaille verliehen wurde.