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ADB:Georg II. (Herzog von Brieg)

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Artikel „Georg II. der Schwarze, Herzog von Brieg“ von Carl Krebs in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 8 (1878), S. 689–693, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Georg_II._(Herzog_von_Brieg)&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 00:57 Uhr UTC)
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Georg II. der Schwarze, Herzog von Brieg, einer der bedeutendsten Fürsten aus dem Hause der schlesischen Piasten, von den Zeitgenossen Inclytus genannt, wurde am 18. Juli 1523 geboren und starb in der Nacht vom 7. zum 8. Mai 1586. Seine Eltern waren Friedrich II. von Brieg-Liegnitz und dessen zweite Gemahlin Sophie von Ansbach[WS 1]. Die Erziehung des jungen Prinzen leiteten Dr. Lembach, Friedrich von Knobelsdorf und Johann von Wentzky; aus diesen Tagen seines geistigen Werdens wird vor allem seine große Gewandtheit im Gebrauche der lateinischen Sprache hervorgehoben. Reisen ins Ausland, welche damals als Abschluß einer wohlgeleiteten fürstlichen Erziehung zu gelten pflegten, scheint er nicht gemacht zu haben. Dagegen wurde er von seinem Vater früh in die Politik eingeführt und lernte auch den Gang der inneren Verwaltung des Landes kennen, über welches einst zu herrschen er berufen war. Am 15. Febr. 1545 verheirathete er sich mit Barbara, Tochter Kurfürst Joachims II. von Brandenburg, an demselben Tage, an dem seine Schwester Sophie sich mit dem brandenburgischen Kurprinzen Johann Georg vermählte. Beim Abschlusse dieser Doppelhochzeit wurde die schon 1537 zwischen den Häusern Brieg-Liegnitz und Brandenburg verabredete Erbverbrüderung von beiden [690] Contrahenten bekräftigt. Allein König Ferdinand von Böhmen benützte die Gunst der Verhältnisse vor Ausbruch des schmalkaldischen Krieges und erklärte die Erbvereinigung am 18. Mai 1546 für ungültig. G. erhielt nach dem am 17. September 1547 erfolgten Tode seines Vaters die Bestätigung seiner Privilegien und die Belehnung mit dem Herzogthume (7. März 1549 in Prag) in der That nicht eher, als bis er durch einen Revers der Erbverbrüderung seines Vaters mit Brandenburg entsagt hatte. Nach dem väterlichen Testamente wurden die Herzogthümer Brieg-Liegnitz so getheilt, daß G. Brieg-Wohlau, sein ältester Bruder Friedrich (III.) Liegnitz erhielt. Letzterer fühlte sich entweder durch die Theilung benachtheiligt oder hatte bei seinem launenhaften Charakter aus irgend welchen Gründen einen Groll auf seinen Bruder geworfen, so daß von 1549 bis 1550 ein heftiger Streit zwischen den Brüdern ausbrach. König Ferdinand beschied beide als Lehnsherr vor seinen gleichnamigen Sohn nach Prag, welcher den 26. April 1550 die Brüder zu einem friedlichen Abkommen zwang. Die späteren Schicksale Friedrichs III. von Liegnitz beweisen genugsam, daß unser Fürst nicht der schuldige Theil gewesen sein wird. G. nahm im Gegentheil auch in der Zukunft den größten Antheil an den unglücklichen Verhältnissen des liegnitzer Hofes; sein Neffe – der durch Schweinichen’s Denkwürdigkeiten bekannte Heinrich XI. – hat mehrfach Zuflucht am Brieger Hofe gesucht. Am 16. Mai 1558 schreibt dieser seinem Vater: er sei nur aus Furcht vor dessen Dräuen und Streichen von Liegnitz nach Brieg geflohen und weil er bei der schlechten, ihm widerfahrenen Behandlung alle Gesundheit und Farbe verloren habe. Im Februar 1585 sandte G. seinem ältesten Sohne Joachim Friedrich von Breslau ein Verzeichniß dessen, was sich vor länger als 200 Jahren mit zwei Brüdern, Herzögen von Liegnitz zugetragen, damit er daraus ersehen könne, „wie sie einander auch um Land und Leute bracht, welches diesem jetzigen Wesen gar sehr gleich und ähnlich gesehen.“ G. hat bei den Streitigkeiten Heinrichs XI. mit Vater und Bruder so viel als möglich zu vermitteln gesucht; daß der Erfolg bei dem eigen gearteten Naturell der liegnitzer Verwandten nur gering war, darf nicht Wunder nehmen. G. II. hatte die Regierung seines protestantischen Herzogthums in einem kritischen Momente, in den Tagen nach Karls V. Siege bei Mühlberg übernommen. Er hat es indeß verstanden, sich mit Geschick aus der ungünstigen politischen Lage zu ziehen. Persönlich stand er mit den Habsburgern im besten Verhältnisse, er war bei der Krönung Maximilians in Prag und Preßburg zugegen. 1565 war er unter den 20 Fürsten, welche die Leiche Kaiser Ferdinands von der Burg in Wien nach der Stephanskirche trugen. Rudolf II. übernachtete 1577 mit seinen Brüdern Matthias und Max im Brieger Schlosse. Als bei Solimans viertem Einfalle in Ungarn 1566 die Gefahr auch für Schlesien wuchs, zog G. am 2. Juli an der Spitze von 2300 Mann schlesischer und lausitzer Truppen dem Kaiser nach Ungarn zu Hülfe. Da aber Soliman schon im September vor Szigeth starb, so kamen die Schlesier nicht ins Feuer. Das hohe Vertrauen, welches man am kaiserlichen Hofe auf das Repräsentationstalent und den politischen Tact Georgs setzte, beweisen die vielfachen Commissionen, zu welchen er von Wien aus nominirt wurde; so 1558 bei Regulirung der polnisch-schlesischen Grenze, 1574 zum Empfange des neuerwählten polnischen Königs Heinrich von Valois etc. Wenn Georgs politische Thätigkeit trotzdem eine im Großen und Ganzen nicht bedeutende war, so lag das in erster Linie daran, daß die steigende Machtfülle des Hauses Habsburg die kleinen Lehnsfürsten, so eifersüchtig diese sonst auf ihre Rechte halten mochten, doch tief herabdrückte und in enge Grenzen bannte. Das Verhältniß ist häufig schon das zwischen Herrn und Unterthan. Die Briefe Georgs an den Kaiser beweisen das aufs Deutlichste. 1549 bittet er ihn, sein allergnädigster König [691] und Herr zu bleiben; ein anderes Mal nennt er ihn seinen allergnädigsten König und Erbherrn; 1573 verspricht er dem Kaiser auf dessen Aufforderung schleunigst Nachricht nach Wien zu senden, falls er in dem Streite zwischen den liegnitzer Brüdern etwas dem Kaiser Nachtheiliges erfahren sollte. Dies Gefühl der Unterwürfigkeit wirkte lähmend auf die eigene Werthbeurtheilung des Fürsten zurück. Seine letzten Lebenstage füllte die Sorge aus, daß sein 1562 zum Coadjutor des Erzbischofs von Magdeburg erwählter Sohn dem Andrängen der katholischen Reaction und den Prätensionen Kurkölns auf Magdeburg nicht werde widerstehen können; denn gegen Köln, so schreibt G. eigenhändig an Joachim Friedrich, seien beide doch nur arme, unvermögende Gesellen. Ungleich bedeutender als in den politischen Händeln der Zeit tritt nun Georgs Thätigkeit als Landesherr hervor. Als Regent seines Herzogthums Brieg gehört er ohne Zweifel zu den trefflichsten Fürsten, welche das 16. Jahrhundert hervorgebracht hat. Da kommt jener fast allen Piasten eigenthümliche nüchterne Zug, jene praktische Richtung auf die kleinen Interessen des täglichen Lebens so recht zur Geltung. Der Mangel an Schwung und Leidenschaft in Georgs Wesen ist seinem Lande eher gewiß zum Segen, als zum Nachtheil gewesen. Die wohlthätigen Folgen seiner Regierung hatte vornemlich die Stadt Brieg zu empfinden, welche G. zur Residenz wählte. Den Reigen der nutzbringenden Verordnungen des Fürsten eröffnet die Stadtordnung von 1550. Sie betrifft die Gewerbe der Bäcker, Fleischer und Brauer, wehrt der Vertheuerung der unentbehrlichsten Nahrungsmittel und enthält Strafbestimmungen gegen die auf den Straßen herrschende Unsauberkeit. 1561 erschien eine Ordnung der Maurer, Zimmerleute und Tagelöhner, nach welcher „zwei Diener den ganzen Tag durch die Stadt gehen und die in den Wirthshäusern Sitzenden nach ihrer Nahrung fragen sollen. Wer nicht arbeiten will, soll in den Stock geführt werden.“ Es folgten bald eine Feuer-, Wächter-, Hochzeitsordnung u. a., sowie Feststellung der von den Bürgern zu leistenden Abgaben. In gleicher Weise sorgte der Herzog für die Verbesserung und Erweiterung der fürstlichen Kammergüter, er hat während seiner Regierung für mehr als 150000 Thlr. Güter dazu gekauft. Das Interesse Georgs für Landwirthschaft, Fischerei und Jagd geht aus allen seinen Briefen hervor; der größte Theil seiner Correspondenz war landwirthschaftlichen oder auf die Jagd bezüglichen Angelegenheiten gewidmet, und es macht keinen Unterschied, ob sich der Fürst auf Reisen oder in der Heimath befand, fast ausnahmslos beschäftigen sich seine Briefe mit Fragen der angeregten Art. Von Prag aus ordnet er an, daß die fürstliche Mühle in Brieg mit zwei Steinen versehen werden soll. Aus Bad Landeck befiehlt er dem Brieger Magistrate, das Oberthor wölben zu lassen. Vom Könige von Dänemark, dem er seinen Dank ausspricht, daß er seiner als des unwürdigsten Dieners nicht ganz vergessen habe, tauscht er gegen Köche, Ungarwein, Hirschgeweihe und geschnitzte Köpfe Isländer Stuten und Kühe, Eimbecker Bier ein. Dem Erzherzog Ferdinand von Oesterreich verehrt er einmal 2 Turnierrosse, 3 Koppel Jagdhunde und 3 Schock große Karpfen. Ein besonderes Andenken hat sich G. II. in Brieg durch die 1574 erfolgte Stiftung der Schützengilde und durch seine Bauten errichtet. Fast alle monumentalen Bauten Briegs stammen von ihm, es ist kaum ein Stein in dieser Stadt, der nicht an ihn erinnerte. G. war der Schöpfer des herrlichen Piastenschlosses in Brieg, das eins der frühesten und besten Werke der Renaissance in Deutschland war; berühmte italienische Baumeister, die er mit vielen Kosten hatte kommen lassen, haben das stattliche Gebäude errichtet, welches bei der Belagerung Briegs durch Friedrich den Großen 1741 leider ein Raub der Flammen wurde. Erhalten geblieben ist nur das schöne Portal mit den Brustbildern der früheren Piasten und den fast lebensgroßen Figuren Georgs und [692] seiner Gemahlin, welche noch heute stolz auf ihre Schöpfungen hinabsehen. Der Herzog war ferner Fundator und Erbauer des „schloßartigen“ Brieger Gymnasiums, der Hedwigskirche mit der darunter befindlichen Fürstengruft etc. Den Bau des stattlichen Rathhauses hat er sehr gefördert, die Thürme der Nicolaikirche, so unvollendet wie sie heute noch stehen, sind sein Werk. Was seine Stellung zu den kirchlichen Fragen der Zeit betrifft, so muß hier zunächst erwähnt werden, daß G. mit den katholischen Bischöfen von Breslau, die zugleich Oberlandeshauptleute von Schlesien waren, ununterbrochen im besten Verkehre gestanden hat. Die Art, in welcher der protestantische Herzog mit den katholischen Bischöfen verkehrt, hat etwas gerade für uns ungemein Wohlthuendes. 1552 schreibt Bischof Balthasar von Promnitz an Georgs Gemahlin: er habe sich gegen ihren Gemahl alle Zeit als besonders guter Freund und Nachbar erwiesen und sich deshalb eines so verletzenden Briefes, wie er ihn jüngst erhalten, nicht versehen. G. habe ihn einen alten Herrn gescholten und bei seinem Frauenzimmer ganz unangenehm gemacht. Wenn unter dem Frauenzimmer ein Böcklein sei, das ihn deshalb nicht ungestoßen lassen könne, weil er als Bischof nicht heirathen dürfe, so wolle er sich durch die übersandte Butte guter Weintrauben aller Heirath abgekauft haben. Barbara antwortete gleich scherzhaft: sie hoffe, daß sich der Bischof, was das Heirathen betreffe, noch eines Besseren besinnen werde. Als die protestantischen Großglogauer sich mit Gewalt einer Kirche zur Ausübung ihres Gottesdienstes bemächtigt hatten, war unser Herzog zugleich mit dem Breslauer Bischofe in der vom Kaiser ernannten Commission, und seiner vermittelnden Thätigkeit ist es vor allem zuzuschreiben, daß die Glogauer im Besitze ihrer Kirche verblieben. Das Bildniß Martin Gerstmann’s (1574–85), mit welchem G. in besonders freundschaftlichem Verhältniß stand, hing stets in seinem Schlafzimmer; Bischof Gerstmann vermachte ihm testamentarisch seinen besten Ring und einen kostbaren, rothsammetnen mit Zobel gefütterten Pelz. Als der Schwabe Andreas Jerin 1585 Bischof geworden war, schrieb er den Herzoge: er wolle ihn in Brieg besuchen, um mit ihm über allgemeine Vaterlands- und Justizsachen zu reden. Der Kaiser habe ihm die Oberlandeshauptmannschaft übertragen, und er wolle gehorchen, fühle sich indeß sehr unsicher. G., der älteste und erfahrenste Fürst des Landes Schlesien, möge ihn nicht verlassen, sondern mit seinem guten Rathe unterstützen. Als Protestant erhebt sich G. weit über seine gleichzeitigen, glaubensverwandten Fürsten. Er hat zwar keinen Augenblick daran gedacht, auch nur einen Buchstaben seines protestantischen Bekenntnisses hinzugeben und ist als eifriger Lutheraner gestorben, allein sein ganzes religiöses Fühlen und Denken durchweht ein Hauch der neueren Zeit. Er hat den Kryptocalvinismus Zeit seines Lebens aufs heftigste bekämpft, er war, wenn auch nicht dem Wortlaute, so doch dem Geiste nach ein Anhänger der Concordienformel; eine von dem Herzoge Julius von Braunschweig vorgeschlagene Verheirathung seiner Tochter mit einem Pfalzgrafen vom Rheine schlug er aus, weil „am selben Orte die calvinische Lehre nit wenig eingerissen sein solle.“ Das war jedoch nur die Intoleranz des Dogma, nicht die des Lebens. Nichts war unserem Fürsten verhaßter, als wenn ihm ein Prediger zu Gefallen redete. Er liebte es im Gegentheil, wenn die Hoftheologen ihre Meinung freimüthig äußerten, und einem Pfarrer, der nicht Hofgeistlicher werden wollte, weil er einem so vornehmen Amte nicht gewachsen sei, antwortete G.: Die Fürsten gehören in denselben Himmel wie die Bauern, ich will dasselbe Evangelium hören, das den armen Leuten gepredigt wird. Zwei Pastoren, die einem liederlichen, auf dem Sterbebette liegenden Bergknappen das Abendmahl verweigert hatten, setzte er ohne weiteres ab; zwei Superintendenten, welche jene geistliche Intoleranz vertheidigten, mußten ihnen folgen. Wider die Kirchenbuße [693] eiferte G. besonders deshalb, weil sie nur die Armen, nicht aber Adel und Geistlichkeit träfe, „die doch auch stark strauchelten“. G. war unbestritten der größte Fürst unter den Brieger Piasten: „er hat das Fürstenthum in einen Stand gesetzt, daß man das alte Land nicht mehr erkannte und das neue nicht ohne Bewunderung ansehen konnte.“ Und nicht blos für Stadt und Herzogthum Brieg war seine Regierung von Bedeutung: der tiefe Eindruck seiner großen Persönlichkeit machte sich auf das wohlthätigste für die ganze Provinz geltend. Sein Hof war, wie Tilesius sagt, das Rathhaus von ganz Schlesien.

Bresl. Staatsarchiv; Schönwälder, Piasten z. Br. II; Glawnig, Brieger Wochenbl. von 1790.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Tochter des Markgrafen Friedrich V.