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ADB:Grübel, Johann Konrad

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Artikel „Grübel, Johann Konrad“ von Georg Wolfgang Karl Lochner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 9 (1879), S. 786–789, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gr%C3%BCbel,_Johann_Konrad&oldid=- (Version vom 16. November 2024, 10:34 Uhr UTC)
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Grübel: Johann Konrad G., geboren am 3. Juni 1736 zu Nürnberg und ebendaselbst am 8. März 1809 gestorben, ist ohne Frage der bedeutendste aller Derjenigen, die in der Mundart der Stadt gedichtet oder überhaupt Verse gemacht haben, er ist in Wahrheit ein Dichter zu nennen. Wie Hebel in allemannischer Mundart und der neuere Klaus Groth in plattdeutscher, kann G. auch der erste in der Mundart seiner Heimat und seiner Vaterstadt genannt werden. Diese ist allerdings nur auf ihr Weichbild beschränkt, weil die Mundart der Umgegend nach allen Seiten hin eigene Färbung und Schattirung annimmt. Schon die nur eine Stunde Wegs entfernte Stadt Fürth zeigt sprachliche Verschiedenheit, deren Grund nicht von dem seit 350 Jahren dort eingebürgerten jüdischen Element, sondern von der Hinneigung zum ansbach-fränkischen Dialect herrühren dürfte. Ob die in neuer Zeit von außen her massenhaft angewachsene Einwohnerzahl Nürnbergs auch auf den Dialect derselben eine umgestaltende oder wenigstens umändernde Wirkung ausüben wird, muß die Zeit lehren; G. vertritt jedenfalls als ganz echter Nürnberger in Form und Wesen seine Zeit, die des alten reichsstädtischen Nürnberg. Selbständige Dichtungen, wenn man diese Reimereien so nennen darf, haben sich schon aus dem achtzehnten Jahrhundert, dem G. selbst angehört, erhalten; aber lange, bevor er selbst auftrat (denn sein erstes ohne seinen Willen veröffentlichtes Gedicht „Der Steg“ kann genau auf den 10. October 1790 gesetzt werden), war es gewöhnlich, namentlich bei den sogenannten Neujahrwünschen, die bei den Buchbindern am Markt käuflich waren und neben einem komisch-satyrischen Inhalt am Schluß einen wohlgemeinten allgemeinen Wunsch aussprachen, sich des Dialects zu bedienen. Man wolle aber das Wort „gewöhnlich“ beachten, welches den Gebrauch des Hochdeutschen nicht ausschließt, wie z. B. der Neujahrwunsch von 1783, übrigens ein elendes Machwerk, sich desselben bedient. Wenn Grübel’s erster Versuch, wie Witschel in seiner Biographie Grübel’s sagt, in die Zeit der Schlacht von Roßbach (1757) fiel, so hat sich davon nichts als die Sage erhalten, gedruckt wurde er nicht. Aber außer den Neujahrwünschen bedienten sich noch andere namenlose Reimereien der Mundart; so erschienen wahrscheinlich noch, ehe Grübel’s erstes Bändchen 1798 herausgegeben wurde, „Drey komische Gedichte nach Nürnberger Mundart“, deren drittes die in 1796 bis 1797 fallende Anwesenheit eines angeblichen persischen Prinzen behandelt, der, nachdem er vom October bis in den April mit seiner betrügerischen Rolle die ganze Stadt genarrt hatte, sich zuletzt als ein vagabundirender Schneidersgesell entpuppte. (S. Pfister’s Handbuch, zweites Bändchen, zweite Auflage, 1842, S. 361–66.) Wenn dieser Hinweis auf Vorgänger Grübel’s ihn nicht als den [787] Ersten der Zeit nach, der sich der Mundart für seine dichterischen Erzeugnisse bediente, erscheinen läßt, so bleibt er doch unbestritten der Erste dem Range nach. Und zwar nicht blos nach dem ehrenvollen Zeugniß des Meisters, der ihn zu würdigen verstand, wie er auch seinem großen Vorgänger Hans Sachs den Kranz aufs Haupt gesetzt hat, sondern auch durch die einstimmige Anerkennung aller Nachfolgenden, die, nachdem nicht Wenige sich auf demselben Pfad, und Manche mit Geschick und Erfolg, zur Ruhmeshalle der Dichtung bewegt haben, ihm neidlos den Vorrang lassen müssen. Allerdings kommt ihm dabei Manches begünstigend zu statten. Er lebte noch in einer Zeit, welche jetzt als eine fast unverstandene Vergangenheit hinter uns liegt, und deren Eigenthümlichkeiten er mit harmloser Laune darzustellen wußte, was namentlich von dem „Kränzlein“ gilt, dem ersten Gedicht, das er selbst, zögernd und bedenklich, als Flugblatt drucken ließ und damit sogleich das Publicum eroberte. Hierauf folgten andere, „Die Steckenpferde“, „Die alte und die neue Zeit“ etc., bis er durch den Beifall und die Anerkennung ermuthigt, die ihm von allen Seiten zu Theil wurde, mit der Ankündigung eines Bändchens (1798) auftrat, dem 1800 ein zweites, 1803 ein drittes, 1806 die Correspondenz und Briefe folgten, und mit der Herausgabe eines vierten Bändchens beschäftigt, ihn, den 73jährigen, der Tod überraschte. Daß Witschel und Osterhausen, welche 1812 diesen litterarischen Nachlaß ordneten und herausgaben, ihm auch schon vorher mit Sichtung und Revision zur Seite gestanden hätten, ist eine weder durch schriftliches Zeugniß noch durch mündliche Tradition unterstützte, also grundlose Hypothese neuerer Zeit. Allerdings sind nicht alle Gedichte von gleicher Bedeutung und doch möchte es schwer sein, eine Auswahl zu veranstalten und dasjenige über Bord zu werfen, was weniger werthvoll erscheinen möchte. Die Mannichfaltigkeit der Stoffe verhütet, daß man dadurch ermüdet werde. Er steigt nie über das Niveau seines Standes, des Handwerkmanns, der sich mit Arbeit sein Brot verdienen muß, hinaus, und Alles gestaltet sich ihm zu Nürnberger Art und Weise. So die aus Petronius geschöpfte, aber erst nach zahlreichen Wandlungen an G. gekommene Erzählung von der Matrone von Ephesus, die er unter dem Titel „Die zärtliche Frau“ behandelt, und die bei aller Schalkhaftigkeit doch keinen Anstoß gibt. Er ist nicht prüde und scheut vor Natürlichkeiten nicht zurück, sucht sie aber nicht auf und begnügt sich mit der Andeutung und der unvermeidlichen Erwähnung. So im „Kränzlein“, in den „Steckenpferden“, in der „Spannkette“ und in anderen das geschlechtliche Verhältniß berührenden Gedichten. Nie wird er frivol und gemein, die Sprache ist leicht und ungezwungen, der Reim bietet sich ungezwungen dar, und wie es auch im Dialect Abstufungen gibt, so ist auch G. im Vergleich zu manchem seiner Nachfolger nicht bestrebt, die gemeinste, roheste Form zu ergreifen, sondern er spricht, wie man es in den guten Nürnberger Familien so zu sagen als Hausmannskost noch heute hören kann und wol noch lange hören wird. Politik berührt er, wozu die Zeitverhältnisse leidigen Anlaß boten, nur in Bezug auf den bürgerlichen Zustand, dem der Friede immer lieber und erwünschter als der Krieg, und Religion bleibt, da sich damals noch keine kirchlichen Fragen störend geltend machten, ein ihm, wegen seiner eigenen frommen Gesinnung, fernliegender Gegenstand. Eben so ist er auch nie sentimental oder schwärmerisch, wozu der Dialect nicht im Mindesten geeignet ist. Er ist, wie Goethe gesagt hat, mit Bewußtsein ein Philister, und nur in einem einzigen Gedicht, dem „Käfer“ zeigt er, daß er auch die Naturbetrachtung von einem höheren Standpunkt erfassen konnte. Eine Parallele zwischen diesem Gedichte Grübel’s und dem gleichnamigen Hebel’s weist den Unterschied beider Dichter schlagend, als idealistisch und realistisch [788] nach, ohne daß die idealisirende Dichtergabe Hebel’s dabei minder geschätzt würde, aber Wahrheit und Natur wird dennoch für G. entscheiden.

Das Leben Grübel’s ist höchst einfach. Der Sohn des Flaschners (Klempner’s, Blechschmids) Johann Paulus Grübel’s und seiner Ehefrau Margarethe, Tochter des Jägers Rümlein aus Georgensgemünd bei Roth, erhielt er seinen Schulunterricht in einer der hiesigen deutschen Schulen, trat nach seiner Confirmation bei seinem Vater in die Lehre, besuchte auch die hiesige Zeichenschule, wurde 1753 zum Gesellen gemacht und erhielt 1761 das Meisterrecht. In seinen freien Stunden übte er sich auf der Flöte und Cither, einem damals in Nürnberg wenig bekannten Instrument, ob als Naturalist oder nach Anweisung eines Lehrers, wird nicht gesagt, auch soll er die Trommel gehandhabt haben. Von diesen musikalischen Bestrebungen findet sich aber in seinen Gedichten, mit Ausnahme der Cither, keine Andeutung, und nach dem Gedicht zu schließen, „An meine Cither“ (I. 36), scheint er nicht eine Cither, sondern eine Guitarre darunter gemeint zu haben. Unter der Lecture, der sich G. hingab, werden Gellert’s Gedichte und Rabener’s Satiren genannt. Dann werden auch geistliche Betrachtungen, wie Weidenkampf’s Trostgründe, auf ihn eingewirkt haben. Er heirathete erst in seinem 37. Lebensjahre (1773) die Tochter des Meßners (Kirchners) Giebel zu St. Sebald, Anna Maria, mit der er bei einer Thurmreparatur bekannt geworden war; sie gebar ihm neun Kinder, die er aber, zum Theil in herangereiftem Alter, alle vor sich sterben sah; seine letzten Lebensjahre brachte er als Witwer hin. Wenn er sie in dem Gedicht an die Cither Mina nannte, nicht Minna, was ein erst später, von außen her eingeführter Name ist, so bleibt immer noch die Frage, ob damit nicht eine frühere Geliebte gemeint ist. Er lebte in glücklicher Ehe, und die gelegentlichen Ausfälle in seinen Gedichten auf die Weiber sind nur als neckende Scherze und als poetische Freiheit zu betrachten. Im J. 1774 oder 1775 wurde er Stadtflaschner, in welcher Eigenschaft er auch in der Umgegend Thürme zu besteigen und Ausbesserungen vorzunehmen hatte, und einige seiner gereimten Episteln, die von Betzenstein, Hohenstein, datirt sind, bezeugen diese kleinen Amtsreisen, die, so viel man weiß, die einzigen Entfernungen Grübel’s von der Heimath waren. Geschworner seines Handwerks wurde er 1784, als Gassenhauptmann findet er sich 1800. (Wenn Witschel sagt, er wurde es 1807 wiederum, so ist dagegen zu bemerken, daß dieses Amt ein lebenslängliches war, falls sich der Träger desselben nicht durch eigne Schuld verlustig machte, oder in ein anderes Revier zog, oder aus zureichenden Gründen sich selbst abforderte, und zweitens kann man aus einem seiner Gedichte „Der in Ruhe versetzte Gassenhauptmann“ [IV. 310] schließen, daß er wahrscheinlich Alters halber enthoben worden sei. Dieses wird aber wol in das J. 1807 zu setzen sein.) Genannter oder Mitglied des größeren Raths war er nicht und wurde also auch nicht in die politischen Kämpfe hineingezogen, welche von 1784 an im Innern Nürnbergs die Gemüther gegen einander aufregten, und zuletzt durch das Edict, welches 1806 Nürnberg der Krone Baiern zuwies, wie durch einen gordischen Knotenhieb entschieden wurden. Deßwegen nahm er doch innigen Antheil an allen Ereignissen, die seine Vaterstadt besonders durch die wiederholte Invasion der Franzosen betrafen, und der Einquartierung verdankt man auch ein Lustspiel, das einzige, womit er sich auf dem dramatischen Felde versuchte, nicht eben das beste Product seiner Muse. Sein Name war gegen Ende seiner Tage weit über Nürnbergs beschränkte Sphäre hinaus bekannt; als die berühmte Hendel-Schütz auf ihrer Rundreise durch Deutschland auch nach Nürnberg kam, lud sie ihn zu sich ins Rothe Roß ein, und ein Gedicht, daß er ihr mit seinem Porträt übersandte, spricht den Dank des bescheidenen Mannes aus. Er nennt sie darin [789] die schöne Margareth. Am 7. November 1808 wurde er in den pegnesischen Blumenorden aufgenommen, am 18. November 1808 schon erkrankt, schrieb er sein letztes Gedicht, Glückwunsch an seinen alten Freund, den Schneider Wolfg. Tobias Leib. Nachdem er am 8. März gestorben war, wurde er am 12. März 1809 mit aller Feierlichkeit, die dem wackeren Dichter gebührte, auf dem St. Johanniskirchhof zur Ruhe bestattet. Er liegt unter dem Stein Nr. 200. Sein Geschlecht ist auch in weiblicher Linie im J. 1877 gänzlich erloschen. Sein Wohnhaus S. 1626 ist längst ein „zum Grübel“ genanntes Bierhaus; auch der Schießgraben heißt schon lange nach ihm Grübelstraße.

Die ersten Drucke von Grübel’s als anonyme Flugblätter erschienenen Dichtungen sind ziemlich selten, befinden sich aber sämmtlich in den von ihm selbst gesammelten und 1798 bis 1806 herausgegebenen vier Octavbänden, wovon drei Gedichte, einer Correspondenz (ebenfalls in Reimen) enthalten. Ein viertes Bändchen Gedichte wurde 1812 von Witschel und Osterhausen herausgegeben. Daneben erschien, als offenbarer Nachdruck, 1802 bei Bauer und Mann, und dann bis 1811 bei Joh. Lorenz Schmidmer, eine vierbändige Ausgabe mit Kupfern und Vignetten, der Originalausgabe ganz gleich. Beide, Original wie Nachdruck, nur noch im Antiquariat zu haben. Dann gab Friedrich Campe heraus: „Grübel’s Gedichte in Nürnberger Mundart“. Erstes Bändchen. Dritte vermehrt (sic) und verbesserte Auflage. Mit Kupfern. 1823. Zweites Bändchen. Dritte Auflage, 1826. Drittes Bändchen. Neue Auflage, 1826. Viertes Bändchen. Neue Auflage, 1825 (mit der aus Igensdorf und Nürnberg datirten Vorrede Witschel’s und Osterhausens, vom April 1812). Fünftes Bändchen. Neue Auflage, 1824. Diese Ausgabe entspricht ganz der ersten, von G. selbst besorgten, gibt aber durch keinerlei Erklärung über ihr Verhältniß zur ersten und zweiten, und über die wunderlichen Sprünge der Druckjahre auch nur den mindesten Aufschluß. Hierauf erschien zu Nürnberg bei Friedr. Campe 1835, 12°. „Grübel’s sämmtliche Werke. Mit kurzer Lebensbeschreibung Grübel’s von Witschel, Goethe’s Beurtheilung und Wurm’s Glossar.“ Sechs Theile in drei Bändchen (von den Illustrationen der früheren Ausgaben ist hier nichts mehr geblieben, als Grübel’s Porträt von Fr. Fleischmann). Da diese Ausgabe bald vergriffen war, gab J. Ludw. Schmid zu Nürnberg heraus: „Grübel’s sämmtliche Werke. Neu herausgegeben und mit einem grammatisch kritischen Abriß und Glossar versehen von Dr. Georg Karl Frommann“, 1857, 12° (mit Holzschnitten von Rühling nach Zeichnungen von A. Engelhart). In sechs Bändchen. Hievon hat Fr. Korn in Nürnberg, in dessen Besitz dieser Artikel übergegangen ist, eine neue Ausgabe, ohne Angabe des Druckjahrs, veranstaltet, in welchem Frommann’s Vorwort von 1856, Witschel’s Vorwort von 1835 und Goethe’s Beurtheilung aufgenommen sind. Illustrationen fehlen alle. Es ist eine Ausgabe nach Art der Ausgaben „gedruckt in diesem Jahr“. Es gibt zwei Porträte von G., das erste von Bährenstecher ist zuweilen der Ausgabe von 1798 beigegeben, das zweite von Fr. Fleischmann ist den Ausgaben Campe’s von 1823 und 1835 als Titelblatt vorgesetzt; jenes fast ganz en face, dieses im Profil.

S. Konrad Grübel und seine Nachfolger. Von Joh. Priem. Nbg. Ballhorn. 1873. 8°. – Hans Sachs und Grübel. Nbg. Riegel u. Wießner. 1836. kl. 8°.