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ADB:Hendel-Schütz, Henriette

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Artikel „Hendel-Schütz, Johanne Henriette Rosine“ von Joseph Kürschner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 734–736, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hendel-Sch%C3%BCtz,_Henriette&oldid=- (Version vom 18. Dezember 2024, 05:27 Uhr UTC)
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Hendel-Schütz: Johanne Henriette Rosine H., geb. Schüler, die größte mimische Künstlerin Deutschlands, geb. am 13. Febr. 1772 in Döbeln in Sachsen, † am 4. März 1849 in Köslin. Auf einer Reise, die ihre Eltern von Gotha nach Breslau unternahmen, zum Leben erweckt, über die Taufe gehoben von der berühmten Amalie Wolff und deren Mutter Malcolmi, kam Henriette schon mit 2 Jahren auf die Bühne bei einer Aufführung der „Jubelhochzeit“ in Breslau. 1775 kam sie nach Gotha, wo ihre Eltern an dem denkwürdigen Hoftheater unter Ekhof ein Engagement fanden, verlebte hier angenehme [735] Jugendjahre, erhielt Musikstunden bei Georg Benda und Tanzunterricht bei Ifflands bekanntem Lehrer Mereau. Sie spielte auch schon damals kleine Rollen. Nach abermaligem kurzen Aufenthalt in Breslau ging Schüler 1781 zu Döbelin nach Berlin, wo seine Tochter von J. J. Engel in der Declamation, in den Sprachen, in Metrik, Mimik, Geschichte und Mythologie unterrichtet wurde und bis 1785 Kinderrollen im Ballet spielte. In Schwedt a. d. O. debütirte sie dann (1785) als Schauspielerin, trat aber auch in der Oper auf und während man im recitirenden Drama ihre Gurli, Margarethe (Hagestolzen) und Galathea (Pygmalion) pries, erfreute man sich im gesungenen ihrer Zerline u. A. 1788 heirathete Henriette den Tenoristen Eunike, mit dem sie sich nach Mainz wandte, wo damals die Blüteperiode des Nationaltheaters ihren Anfang nahm. Kotzebue’sche Rollen gelangen ihr hier besonders. Von Mainz ging das Ehepaar nach dem Ausbruch der französischen Revolution nach Bonn zum kurfürstl. Cölnischen Theater, von hier 1792 nach Amsterdam und 1794 nach Frankfurt a. M. Der Maler Pforr machte sie hier mit der Rehbergschen Zeichnung von Attitüden der als mimischen Künstlerin ausgezeichneten Lady Hamilton bekannt und leistete ihrem Streben nach mimischer Ausbildung willkommenen Vorschub. Aber noch war die Stunde nicht gekommen, da sie als mimische Künstlerin Alles verdunkeln sollte. Sie ging zunächst 1796 an das Berliner Nationaltheater, wirkend im hochtragischen und sentimentalen Fach, und heirathete, nachdem ihre Ehe mit Eunike (1797) getrennt worden, 1802 den Arzt Meyer. Das ersehnte Glück aber fand sie auch in dieser neuen Verbindung nicht, die nach drei Jahren wieder gelöst wurde. Am 15. Oct. 1806 zog sich die von Seelenschmerzen gepeinigte Frau von der Berliner Bühne zurück, ging nach Stettin und heirathete dort den Militärarzt H., dessen früher Tod sie schon nach 7 Monaten zur Wittwe machte. Jetzt ging die vom Unglück Verfolgte nach Halle, wurde durch den Professor K. J. Schütz an den Archäologen Böttiger in Dresden empfohlen, bei dem sie das früher begonnene Studium der Antike fortsetzte und der Erkenntniß der verschiedenen Malerschulen den lebhaftesten Eifer widmete. So mit einer wissenschaftlichen und künstlerischen Bildung ausgerüstet, wie vielleicht keine zweite Theaterdame, widmete sich die nun mit dem Prof. Schütz Vermählte (1811) gänzlich mimisch-plastischen Darstellungen, die – wie Lewald erzählt – das Interesse von der Politik und allen wichtigen Vorgängen ab- und auf die neuen Kunstleistungen hinlenkten. Von wunderbarer Formenschönheit, unerschöpflich in ihrer Phantasie, mit großen Anschauungen von der Kunst, wußte sie die Zuschauer wunderbar zu ergreifen. Die Dichter besangen und priesen sie; Goethe nennt sie den „lieben unvergleichlichen weiblichen Proteus“, für Werner war sie die Pythia-H., für Oehlenschläger „die Künstlerin, die ihres Gleichen sucht“ und nach Schiller lebte sie für alle Zeiten. Wohin sie kam, fand sie Verehrung und Begeisterung, überall: in Dänemark und Schweden, in Holland, Rußland und Frankreich. Schütz, der sie auf ihren Kunstreisen unterstützt und begleitet hatte, übernahm 1818 wieder eine Professur an der Hallischen Universität. 1824 trennte sich die Künstlerin von dem in vieler Beziehung so unehrenhaften Mann, nachdem sie schon 1820 mit einigen Gastrollen in Leipzig ihre theatralische Laufbahn beschlossen hatte. Trotzdem behielt sie das Interesse für die Kunst bis zu ihrem Ende, spielte z. B. 1836 in Stargard bei Gelegenheit einer großen Revue noch einmal in Kotzebue’s Kleinstädtern, unterrichtete junge Mädchen in der Declamation und schrieb 1842 einen von der Berliner Akademie mit Zustimmung angenommenen Aufsatz über die Art der Darstellung der Antigone bei den Griechen und die Möglichkeit ihrer Darstellung in der modernen Zeit. Schier vergessen von der Welt starb die Künstlerin nach vollendetem 77. Lebensjahr, aber ihr Name wird dauernd fortleben in der Geschichte der Kunst und vor [736] allem in der der Mimik, deren Rechte sie wieder zu voller Geltung brachte und hierin nach W. Tischbeins Urtheil die Hamilton weit übertroffen hat. Von den Kindern, denen sie das Leben gab, hatte keins das große Talent der Mutter geerbt, nur ihre Stieftochter Thekla versprach ihr ebenbürtig zu werden, starb aber noch, bevor sie zur Jungfrau erblüht war, am 21. October 1813 in Köln. Die H.-Sch. erklärte, daß Thekla, die schon als Kind in mimischen Darstellungen gefeiert ward, die Einzige gewesen sei, die sie ganz in ihrer Kunst verstanden habe.

Vgl. u. A. Erinnerungen an Henriette Hendel-Schütz, 1870; Henriette Hendel-Schütz geschetzt benevens het Leven, Amsterdam 1816; Biographie des deutschen Schauspielers Schüler, Vaters der Hendel-Schütz, 1820; F. C. J. Schütz: Blumenlese aus dem Stammbuch der deutschen mimischen Künstlerin Hendel-Schütz, 1815; J. H. S. Hendel-Schütz, geb. Schüler, über die mimischen Darstellungen und Declamationen derselben zu Leipzig, 1810; Joh. Falk’s Aufsatz „Ueber die pantomimischen Darstellungen der Madame Hendel-Schütz“ mit 4 Kupfern, in der „Urania“ für 1812; Peroux-Ritter, Pantomimische Darstellungen von Henriette Hendel, 26 Kupfertafeln Roy. Fol. mit Text von Vogt.[1]

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 736. Z. 17 v. o.: Vgl. Reinhold Steig in d. Zeitschrift f. deutsche Philologie XXIX, 202 ff. [Bd. 45, S. 668]