ADB:Falk, Johannes

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Artikel „Falk, Johannes Daniel“ von Jakob Franck in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 549–551, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Falk,_Johannes&oldid=- (Version vom 19. März 2024, 03:13 Uhr UTC)
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Falk: Johannes Daniel F., Schriftsteller und Philanthropist, wurde am 28. Octbr. 1768 zu Danzig geboren, wo sein Vater, ein armer Perückenmacher, ihn durchaus für denselben Stand erziehen wollte. Des Knaben Eifer aber und Wißbegierde, welche ihn sogar antrieben, seinen Eltern zu entlaufen, um sich den ihm verhaßten Beschäftigungen zu entziehen, trugen endlich den Sieg davon und es gelang ihm, 16 Jahre alt, mit Bewilligung seiner Verwandten und besonders seines Großvaters mütterlicher Seite, der von Geburt ein Franzose war, und von anderen Wohlgesinnten unterstützt, das akademische Gymnasium seiner Vaterstadt zu besuchen, wo er sich während der sechs Jahre, die er dort verweilte, durch Fleiß, Eifer und hohe Sittlichkeit auf das ehrenvollste auszeichnete. Denn wiewol er bei seinem Eintritte ins Gymnasium auch nicht die Elemente der lateinischen und griechischen Sprache verstand, so brachte er es dennoch durch seinen beharrlichen Fleiß in wenigen Jahren so weit, daß er die besten Schriftsteller in beiden Sprachen lesen konnte. Die äußerlichen Hindernisse, die er auch auf dem Gymnasium zu überwinden hatte, waren gleichwol nicht gering. Er hatte von Haus aus nicht einmal so viele Unterstützung, daß er sich die nöthigen Bücher anschaffen konnte, und sah sich daher gezwungen, um diesen und anderen Bedürfnissen abzuhelfen, täglich 5–7 Stunden nebenher Unterricht zu ertheilen und kleine Kinder buchstabiren und lesen zu lehren. So ging der Tag für seinen Privatfleiß verloren und er mußte die Nächte zu Hülfe nehmen, um die Classiker zu lesen. Wandelte dann den Jüngling der Schlaf an, so brauchte er künstliche Mittel, um ihn zu vertreiben, und setzte z. B. die Füße in kaltes Wasser, bis ihn heftigste Congestionen nach dem Kopfe und Blutauswurf belehrten, wie gefahrvoll dieses Mittel für ihn sei. In seinem 22. Jahre bezog er hierauf die Universität Halle, wo er in dem philologischen Seminar, das unter Fr. August Wolf’s Aufsicht stand, seine Lieblingsstudien der alten und besonders der neueren schönen Litteratur fortsetzte. Auch erwarb er sich hier die Gunst oder die Freundschaft mancher der angesehensten Professoren, z. B. seines Landsmannes Reinhold Forster’s, J. A. Eberhard’s, E. F. Klein’s u. A., suchte sich aber durch den Umgang mit diesen Männern mehr als durch ihre Vorlesungen zu belehren. Auch schlug er, um blos von sich selbst abhängig und frei zu sein, einige ihm angetragene Versorgungen aus. Durch einige gelungene satirische Gedichte war besonders Wieland auf den jungen vielversprechenden Mann aufmerksam geworden und hatte wiederholt mit großem Lobe über ihn geurtheilt. F. bildete sich nun mit Vorliebe zum Satiriker aus und ließ sich, da ihm Halle nicht mehr zusagte, 1798 als Privatgelehrter in Weimar nieder, mit litterarischen Arbeiten beschäftigt. Nach der Schlacht von Jena eröffnete sich ihm hier jedoch eine neue Laufbahn; durch Wieland empfohlen, erhielt er eine Anstellung bei der französischen Behörde und stiftete durch seine Vermittlung zwischen dieser und seinen [550] Mitbürgern großen Nutzen. In Anerkennung seiner derartigen Verdienste ernannte ihn der Großherzog von Weimar bald nachher zum Legationsrath und setzte ihm einen Jahrgehalt aus. Er beschäftigte sich nun wieder mit schönwissenschaftlichen Leistungen, ward jedoch 1813 von neuem in die Unruhen des Kriegs gezogen und erwies sich als äußerst hülfreich und thätig, obwol ihn selbst zu jener Zeit einer der härtesten Schläge traf; er verlor nämlich zu gleicher Zeit vier Kinder an dem damals herrschenden Fieber. Dieses schwere Unglück gab jedoch seinem Streben eine neue, segensvolle Richtung; er faßte den Gedanken auf, sich der durch den Krieg verwaisten und verwilderten Kinder im Weimarischen anzunehmen und gründete, im Verein mit dem Oberconsistorialrath Horn in Weimar, die Gesellschaft der „Freunde in der Noth“, deren vorzüglichster Zweck war, ihre Schützlinge zu tüchtigen, nützlichen Bürgern zu erziehen. F. nahm sich hier auf andere Art der verlassenen Jugend an, als Fellenberg (s. d.), denn er glaubte, es sei zu viel verlangt, schwer zu erreichen, es sei unchristlich und bringe die Kinder um ihre frohe Jugend, wenn sie so viel erarbeiten sollten, als ihre Erziehung koste. Er suchte sie deshalb bei rechtlichen Leuten unterzubringen, die Mädchen im Dienste von Herrschaften, die Knaben als Lehrburschen bei Meistern (bei Falk’s Tode hatte die Anstalt in 16 Jahren 293 Gesellen entlassen). Das Gedeihen derselben erfüllte F. mit großer Freude, um so mehr, als er ihr nicht geringe persönliche Opfer brachte, und es gelang ihm, einen von den Zöglingen selbst ausgeführten Bau eines Bet- und Schulhauses so weit gefördert zu sehen, daß dieser bei dem Jubelfeste des Großherzogs Karl August am 3. Septbr. 1825 der Vollendung nahe war. Die Anstalt wurde 1829 in eine öffentliche Erziehungsanstalt für verwahrloste Kinder verwandelt und führt noch heute den Namen „Falk’sches Institut“. Aber die Gesundheit des Gründers war durch die vielen Anstrengungen untergraben, eine schmerzliche, auszehrende Krankheit warf ihn im September 1825 auf das Lager und machte seinem Leben am 14. Febr. 1826 ein Ende. Von seinen Schriften sind zu nennen: „Helden“, 1796, worin er das Verderben schildert, welches der Krieg über die Menschheit bringt; „Die heiligen Gräber zu Rom“, 1796, suchen die Wege der Vorsehung zu rechtfertigen; in den „Gebeten“, 1796, behandelt er die Thorheit, Kurzsichtigkeit und den Widerspruch der menschlichen Wünsche; „Taschenbuch für Freunde des Scherzes und der Satire“, Leipzig 1796–1800; „Prometheus“, 1803; „Amphitryon“, Lustspiel in 3 Aufzügen, 1804; „Leben, wunderbare Reisen und Irrfahrten des Johannes von der Ostsee“ (F.), 1805. „Satirische Werke“, 1817. „Auserlesene Werke alt und neu“, 1819. Seine nicht sehr zuverlässigen Aufzeichnungen über Goethe, „Goethe aus näherem persönlichen Umgange dargestellt“, erschienen, wie F. es gewünscht hatte, erst nach Goethe’s Tode 1832 (3. Aufl. 1856).

F. erregte, wie bereits bemerkt, bei seinem ersten Auftreten als Schriftsteller große Hoffnungen. Das Feld der eigentlichen Satire war nie mit rechtem Erfolge, wenn wir von der älteren Zeit absehen, in Deutschland angebaut worden, und man glaubte daher seinen ersten Leistungen zufolge in ihm mit der Zeit einen ausgezeichneten deutschen Satiriker begrüßen zu können. Wieland hatte ihm durch seine empfehlenden Beurtheilungen die Bahn gebrochen und geebnet; Wieland’s Stimme galt damals Großes und die deutschen Kritiker bestrebten sich um die Wette, den jungen Dichter zu loben und zu ermuntern, dem einmal vorgesteckten Ziele rüstig entgegen zu schreiten. Allerdings besaß F. in hohem Grade viele, einem Satiriker nothwendige Eigenschaften: eine feine Beobachtungsgabe, richtiges Gefühl für das Schickliche, schnelle Auffassung des Lächerlichen und den Muth, dasselbe der Oeffentlichkeit preiszugeben, Witz und Laune, eine gebildete kräftige Sprache, reiche Belesenheit und eine tiefe Ehrfurcht vor [551] dem Wahren und Guten, aber er vergriff es darin, daß er von der Satire Profession machen wollte. Seine Ideen wurden bald erschöpft. F. gerieth vom rechten Wege ab, ward trivial und persönlich, wiederholte sich und vergriff sich in der Wahl seiner Stoffe. Das Ansehen, in welchem er bei der Nation als Satiriker gestanden hatte, sank eben so schnell als dasselbe früher schnell gestiegen war. „Als er (Menzel, Deutsche Litteratur IV. S. 245) seinen verfehlten und wahren Beruf erkannte, die satirische Feder für immer wegwarf und sein Erziehungsinstitut gründete, da gab er ein seltenes Beispiel der Entsagung und des wahren Muthes. Jede Eitelkeit des Schriftstellers von sich abstreifend, kehrte er aus der Scheinwelt in die wirkliche, von der öden Phantasterei zur Natur zurück und widmete sich mit persönlicher Aufopferung einem schweren und strengen Berufe. Die Lächerlichkeiten der Vornehmen sich selbst überlassend, ging er fortan nur darauf aus, das Elend und die Laster der Geringsten im Volke zu mildern und im Keime zu ersticken, und noch nie hat ein Satiriker von den Dornen so edle Trauben gelesen.“

H. Döring, Lebensumrisse Falk’s, Quedlinb. 1840. Erinnerungsblatt an Falk, Weimar 1868. Vetterlein, Handb. d. poet. Litt. S. 289–298. Goedeke, Gr. II. S. 1146. W. Menzel, Deutsche Litteratur IV. S. 244–246.