Zum Inhalt springen

ADB:Engel, Johann Jakob

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Engel, Johann Jakob“ von Eduard Alberti in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 6 (1877), S. 113–115, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Engel,_Johann_Jakob&oldid=- (Version vom 5. Dezember 2024, 19:47 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
<<<Vorheriger
Engau, Johann Rudolf
Band 6 (1877), S. 113–115 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Johann Jakob Engel in der Wikipedia
Johann Jakob Engel in Wikidata
GND-Nummer 11868468X
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|6|113|115|Engel, Johann Jakob|Eduard Alberti|ADB:Engel, Johann Jakob}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=11868468X}}    

Engel: Johann Jakob E., Aesthetiker und Kritiker, geb. am 11. Sept. 1741 zu Parchim in Mecklenburg, † daselbst am 28. Juni 1802. In der Bewegung der deutschen Litteratur, welche die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts auszeichnete, nahm E., wenn auch unter ihren Führern keine hervorragende, doch in deren Gefolge eine achtungswerthe Stelle ein. Er zählte mit zu denen, die unter der Leitung eines Lessing die Reform deutscher Bildung und Litteratur bewirkten und deren Höhepunkt vorbereiteten und zum Theil begleiteten. Sohn eines Predigers, wuchs er unter Verhältnissen auf, die dem frischen Schwunge des Zeitgeistes auch in seiner engeren norddeutschen Heimath empfänglich waren; – ein jüngerer Bruder des unseren, Karl Christian E., praktischer Arzt in Schwerin, ließ sich neben seinem Berufe die Pflege der schönen Wissenschaften ebenfalls angelegen sein. Nachdem Johann Jakob E. zuerst in Parchim, dann unter der Obhut eines väterlichen Oheims, eines Rostocker Professors der Philosophie, für die Universität ausgebildet worden, studirte er zwei Jahre lang meistens Theologie in Rostock und darauf an der, 1760 neugegründeten (1789 wieder aufgehobenen) Universität in Bützow mehr philosophische, mathematische und physikalische Wissenschaft. In Bützow, wo er zum Dr. philos. promovirt wurde, hielt er in Anlaß des Friedensfestes nach Beendigung des siebenjährigen Krieges 1763 in der Pfarrkirche eine Rede, die Beifall fand und gedruckt wurde. Ein Trauergedicht auf den Tod des obenerwähnten Oheims in Rostock hatte schon einige Jahre früher ein Zeugniß für die versificatorische Gewandtheit Engel’s abgelegt und ob er gleich selbst sich nie verleiten ließ, Dichter sein zu wollen, war die Anlage doch groß genug, um seiner Schriftstellerei, wie seinem Leben jene ästhetische Färbung zwischen Dichterischem und Wissenschaftlichem zu geben, die ihm mit anderen strebenden Zeitgenossen eigen und gemein war. Die dramatischen Stücke, welche E. schrieb, entsprachen nicht eben höheren Anforderungen, ohne doch, wie Koberstein in seinem Grdr. der deutschen Nationallitteratur (4. Aufl. Bd. III. S. 3055 Anm.) bemerkt, das schlechthin verwerfende Urtheil von Gervinus zu verdienen, soweit sie auch hinter ihren Vorbildern, den Meisterwerken Lessing’s, zurückstehen. E. selbst hatte ein Mißtrauen zu seinen Kräften, welches wuchs, je älter er wurde. Jene Stücke fallen zum Theil in seine Leipziger Zeit oder sind zum Theil, wie die Lustspiele „Der Diamant“, „Die sanfte Frau“ mehr oder weniger geschickte Nachbildungen nach Collé[WS 1] und Goldoni[WS 2]. Das bürgerliche Trauerspiel „Eid und Pflicht“ wurde schon in den J. 1763 und 1764 entworfen, obwol erst später nach mehreren Umwandlungen vollendet; das Lustspiel „Der dankbare Sohn“, eine in Wechselrede gebrachte Anekdote leichtester Conception, ist aus dem J. 1770 und zwei Jahre später fiel das Schauspiel „Der Edelknabe“. Das Vorspiel „Titus“ war ein Gelegenheitsstück zur Geburtstagsfeier des Prinzen Friedrich Wilhelm von Preußen im J. 1779. Von noch zwei anderen Schauspielen, „Stratonice“ und „Der Vermählungstag“, ist die Abfassungszeit nicht sicher; die komische Oper „Die Apotheke“, aus dem J. 1771, wurde von der 1802–6 gedruckten Gesammtausgabe der Schriften ausgeschlossen. E. war 1765 nach Leipzig gekommen, wo er längere Jahre blieb, von Privatunterricht, öffentlichen Vorlesungen und schriftstellerischen Arbeiten lebend. Letztere bestanden nicht allein in Originalversuchen, sondern auch in Uebersetzungen und zwar namentlich philosophischer Werke nach Batteux[WS 3]. Unter den originalen Arbeiten philosophischer Art fallen in die letzte Zeit des Leipziger Aufenthalts die ästhetischen „Fragmente über Handlung, Gespräch und Erzählung“. Außerdem förderte seine philosophische Entwicklung ein naher, freundschaftlicher und litterarischer Verkehr mit Ch. F. Weiße und Garve. Mit letzterem zusammen besorgte er die zweite Ausgabe von Hume’s[1][WS 4] Grundsätzen der Kritik. Jedenfalls [114] fing Engel’s Ruf sich zu erweitern an und dieser Umstand war es, der ihm verschiedene Anträge zu festen Anstellungen vermittelte, unter denen er sich 1776 für eine Professur am Joachimsthal’schen Gymnasium in Berlin entschied. Eben vor und kurz nach diesem Berliner Amtsantritt erschien die mit Beiträgen von Garve, Eberhard, M. Mendelssohn und Friedländer versehene Sammlung philosophischer Abhandlungen, welche unter dem Titel „Philosoph für die Welt“ neben dem späteren Familien-Roman „Lorenz Stark“ Engel’s Namen wol am populärsten gemacht hat. Der Sammlung, die zuerst in 2 Bänden (1775 und 1777) erschien, folgte im J. 1800 ein, von Schleiermacher (im Athenäum 3, 2, S. 243 f.) unbarmherzig genug verurtheilter dritter Band, der, um einen neuen Aufsatz vermehrt und mit den früheren beiden Bänden verschmolzen, die ersten beiden Theile der oben erwähnten Gesammtausgabe bildet. Wenngleich die Reihe der in jener Sammlung enthaltenen Aufsätze verschiedenen Inhalts in wissenschaftlicher Beziehung wenig genug bedeuten mochte und ebenfalls mehrere andere philosophisch-ästhetische Abhandlungen Engel’s aus diesen Jahren, namentlich seine 1785 erschienenen „Ideen zu einer Mimik“ einer abfälligen Kritik hinlänglichen Stoff boten (vgl. Koberstein a. a. O. Bd. II. S. 1660 Anm.): so zeichnen sie sich auf der andern Seite sämmtlich durch Stil und Feinheit mancher Bemerkungen vortheilhaft genug aus, um für die Litterärgeschichte eines bleibenden Interesses gewiß zu sein. Größeres und positiveres Verdienst eignet Engel’s bei gewissen feierlichen Anlässen gehaltenen Reden, wie z. B. der 1781 gehaltenen „Lobrede auf den König“, der 1786 gesprochenen Aufnahme-Rede als Mitglied der preußischen Akademie der Wissenschaften. Er war der erste, wie Koberstein (a. a. O. Bd. III. S. 3272) sagt, der sich bei Behandlung der Gegenstände seiner hierher fallenden Reden geschickt und geschmackvoll und, wie in seinen übrigen Schriften, als feingebildeter und zierlicher Prosaist zeigte. Nachdem E. dem König Friedrich Wilhelm II. als Lehrer mehrerer Prinzen und Prinzessinnen näher bekannt geworden war, da er gleichzeitig als Verfasser der „Ideen zur Mimik“ wol auch als die geeignete Persönlichkeit erschien, wurde er 1787 zum Oberdirector des Berliner Nationaltheaters ernannt. Er bekleidete diese Stelle, und zwar seit 1790 neben Ramler als Mitdirector, bis 1794, in welchem Jahre er sich nach Schwerin zurückzog, ohne doch dort länger als 4 Jahre zu weilen. Seinem litterarischen Tusculum dort entzog ihn der Wunsch seines früheren Zöglings, des inzwischen auf den Thron gekommenen Friedrich Wilhelms III., und so lebte E. seit 1798 wiederum in Berlin, jetzt jedoch in keiner anderen amtlichen Stellung als der eines Akademikers, zu dessen Gehalt ein ansehnliches, ihm vom König verliehenes Jahresgehalt kam, um ihn seiner litterarischen Thätigkeit unbehindert sich widmen zu lassen. In wissenschaftlicher Hinsicht zählen hierher außer „Der Fürstenspiegel“ die der strengeren philosophischen Forschung angehörenden Abhandlungen „Versuch über das Licht“, ohne Zweifel auch heut zutage noch von Werth, der Aufsatz „Ueber die Realität allgemeiner Begriffe“ und ein anderer „Ueber den Ursprung des Begriffs der Kraft“. Endlich entstand auch und zwar während seiner letzten Lebensjahre das in psychologischer Detailmalerei ausgezeichnete Familienstück „Lorenz Stark“, wol das verbreitetste unter allen Werken des Verfassers. Das Erscheinen desselben überlebte E. nicht lange. Der Roman wurde 1801 veröffentlicht und E. starb, wie im Anfange gesagt, in dem darauf folgenden Jahre und zwar in seiner Heimath Parchim, wohin er, obwol kränklich, auf Wunsch seiner Mutter eine Besuchsreise machte. – Eine bis dahin wol ziemlich vollständige Quellenangabe über Engel’s Leben und Schriften findet sich in H. Döring’s Biographie desselben in Ersch und Gruber’s Encyklopädie 1. Section Thl. XXXIV. (Leipzig 1840) S. 237 und 238 Anm., auf welche zu verweisen genügt. Hinzugekommen sind die Darstellungen [115] namentlich in den neueren litterärgeschichtlichen und geschichts-philosophischen Werken, von welchen ersteren unsere obige Skizze Gebrauch zu machen hatte, um Engel’s Bedeutung im Lichte der Gegenwart zu würdigen. Die heutige Geschichte der Philosophie pflegt unsern E. unter denjenigen sehr achtbaren Denkern zu nennen, welche eklektisch durch die Locke’sche[WS 5] Doctrin, wie auch durch die moralischen, politischen und ästhetischen Untersuchungen der Engländer, zum Theil auch der Franzosen mehr oder weniger bestimmt wurden.

Einen bedeutenden Einfluß übte E. auf die Fortentwicklung des Berliner Theaters, dessen Directorium er am 1. August 1787 unter Assistenz des Professors Ramler und Geh. Oberfinanzraths Beyer[WS 6] übernahm. Es ist sein Verdienst, die darstellenden Kräfte zu einem innig gefügten Ganzen vereint und die Arbeiten vieler Dramatiker durch seine Veränderungen für die Bühne überhaupt möglich gemacht zu haben. Ebenso anerkennenswerth bleibt seine geschmackvolle Zusammenstellung des Repertoirs, das unter Engel’s Direction neben ersten Darstellungen Shakespeare’scher[WS 7] Dramen die bedeutendsten Novitäten von Schiller, Goethe, Mozart, Iffland u. A. aufzuweisen hatte. Immer bemüht, der Bühne neue Kräfte zuzuführen, gewann er dem Berliner Theater die bekannte Bethmann (-Unzelmann), Mlle. Hellmuth (Mad. Müller)[WS 8] u. A. Althergebrachte, der Kunst aber unwürdige Gebräuche stellte er ab, brachte in die decorative Ausstattung geschmackvolle Natürlichkeit und gab dem Theater – wie Ed. Devrient sehr richtig bemerkt – eine „ästhetische Physiognomie“. – Widerwärtigkeiten aller Art verleideten dem verdienstvollen Manne seine Stellung und als er eine Vollmacht zur Abstellung der vorhandenen Mängel, im andern Fall aber seine Entlassung begehrte, erhielt er die letztere. Am 1. Juli 1794 gab er die Leitung des Theaters auf.

Vgl. Dingelstedt, Teichmann’s litterarischer Nachlaß, Stuttgart 1863, S. 42–53.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 113. Z. 1 v. u. l.: Home (st. Hume). [Bd. 7, S. 796]

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Französischer Theaterschriftsteller; Siehe englische Wikipedia: Collé, Charles (1709–1783)
  2. Italienischer Theaterschriftsteller und Schauspieler; Siehe Wikipedia: Goldoni, Carlo (1707–1793)
  3. Französischer Philosoph; Siehe Wikipedia: Batteux, Charles (1715–1780)
  4. WS:Schottischer Jurist und Philosoph, späterer Lord Kames; Siehe Wikipedia: Home, Henry, Lord Kames (1696–1782)
  5. Englischer Philosoph; Siehe Wikipedia: Locke, John (1632–1704)
  6. Beyer, Johann August von (1732–1814), preußischer Geheimer Oberfinanzrat und Schriftsteller
  7. Englischer Dramatiker und Schauspieler; Siehe Wikipedia: Shakespeare, William (1564–1616)
  8. Müller, Marianne (1772–1851), deutsche Schauspielerin, geborene Hellmuth