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ADB:Gutsleff, Eberhard

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Artikel „Gutsleff, Eberhard“ von H. Girgensohn. in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 222–224, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Gutsleff,_Eberhard&oldid=- (Version vom 21. Dezember 2024, 15:36 Uhr UTC)
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Gutsleff: Eberhard G., war ein Sohn des Reval’schen Pastors an der heiligen Geistkirche gleichen Namens, der selbst wiederum einer Predigerfamilie angehörte, die aus Niedersachsen nach Livland gekommen war. Nachdem er in Reval die erste Erziehung genossen und im Hause seines Vaters, vielleicht durch die seit 1706 daselbst stattfindenden Zusammenkünfte, die die Uebersetzung der Bibel in die ehstnische Sprache zum Zwecke hatten, zum Studium der Theologie angeregt worden war, studirte er an der damals viel besuchten Universität Halle. Er schloß sich dort besonders Joh. Jacob Rambach an und blieb auch später dessen Freund. Im J. 1724 wurde er seinem Vater adjungirt, aber da derselbe schon im darauffolgenden Jahre starb, so ward der Sohn zum Diaconus an der heiligen Geistkirche erwählt. An dieser Kirche hatte er es mit den Ehsten zu thun, daher warf er sich besonders auf das Studium der ehstnischen Sprache und indem er die Arbeiten des Pastors zu St. Jürgen, Anton Thor Helle, benutzte, gab er eine „Kurzgefaßte Anweisung zur ehstnischen Sprache“ heraus. Damit aber dem Volke immer leichter die nöthigen Bücher verschafft werden könnten, begründete G. mit zwei Reichsthalern die jetzt mit großem Segen wirkende ehstnische Verlagskasse, die nach der Instruction von 1723 für esthnische [223] Erbauungsbücher sorgen und diese zu ermäßigten Preisen oder auch ganz umsonst den Ehsten zukommen zu lassen hat. Im J. 1724 schloß sich G. dem zum Oberpastor an der Domkirche berufenen Friedrich Mickwitz an. Beide begannen für die Deutschen der Stadt Collegia pietatis einzurichten, die aber in der Unterstadt verboten, auf dem Dom im Hause des Oberpastors Mickwitz fortgesetzt wurden. 1733 am 12. Juli wird G. zum Diaconus an die deutsche St. Olaikirche in Reval und zugleich als Inspector der Stadtschulen berufen. In dieser Zeit berief er aus Halle zum Hauslehrer seiner Kinder den Prediger Franz Hölterhoff, welcher seinen Einfluß auf ihn dahin geltend machte, daß er seine Wirksamkeit durch Privat-Andachts-Versammlungen wieder anhob, wozu noch der Besuch des Grafen Zinzendorf, der 1736 in der St. Olaikirche predigte und in Reval mit Enthusiasmus aufgenommen wurde, viel beigetragen haben mag. 1738 wurde G. von der ösel’schen Ritterschaft zum Superintendenten von Oesel und zum Oberpastor in Arensburg berufen. Hier hatte er eine schwere Stellung. Sein früherer Hauslehrer Hölterhoff war kurz vor ihm Diaconus in Arensburg geworden und hatte in der Gemeinde zu Gunsten Herrnhuts gewühlt. G. trat anfänglich gegen ihn auf, wurde aber schließlich ganz für Herrnhut gewonnen und suchte nun, unterstützt von Herrnhut’schen Sendboten, Herrnhut’sche Institutionen in der Kirche einzuführen. Es war eine buntbewegte Zeit, es wogte eine Erweckung durch das ganze Land und bei G. zeigte es sich nun, daß er nicht die Gabe hatte mit entschiedener Hand das Steuer der Kirche zu leiten. Daher verwickelte er sich in mancherlei Streitigkeiten und namentlich zuerst in einen Streit mit den Predigern und dann mit dem Landeshauptmann. Der Streit mit den Predigern, die ihn der Einführung fremder Gebräuche in der Kirche anschuldigten, wurde immer heftiger, bis sie sich endlich gegenseitig verklagten und die Regierung eine Untersuchungscommission nach Oesel sandte. Wenn auch dieselbe dahin ihr Gutachten abgab, daß G. seines Amtes entsetzt, der Stadtgemeine Abbitte thun und dann die Erlaubniß erhalten sollte, zu seinen beiden Söhnen nach Herrnhut zu ziehen, so erfolgte doch kein Urtheil. 1746 folgte auf den Landeshauptmann v. Vietinghoff, der Alles seinen Gang gehen ließ, Tunzelmann Edler v. Adlerflug, der mit aller Energie dahin wirken wollte, daß die Spaltungen aufhörten und die Verhältnisse geordnet würden. Ein kaiserlicher Befehl in Betreff Herrnhuts, den G. nicht publiciren wollte, gab die Veranlassung, daß der Streit zwischen dem Superintendenten und dem Landeshauptmann ausbrach. Der Landeshauptmann setzte es durch, daß der Befehl von G. publicirt wurde, aber bei der Publication ließ G. sich zu unvorsichtigen Aussprüchen in der Predigt verleiten, die von einigen Zuhörern dem Landeshauptmann hinterbracht, neuen Grund zur Anklage des Superintendenten nicht nur, sondern auch zu politischen Verdächtigungen abgaben. In Folge derselben wurde der Capitain Repninsky aus St. Petersburg nach Arensburg geschickt, um G. zu arretiren. Er konnte der Aussprüche wegen eigentlich nicht einer so scharfen Strafe verfallen, aber der Streit hatte die Gemüther so erhitzt, daß jede Partei die andere stürzen wollte und Tunzelmann gelang es, aber nur so, daß er die Ausdrücke (die Obrigkeit habe in Kirchensachen nichts zu befehlen. Dem großen Heilande wären alle Monarchen, Könige und Fürsten wie Mücken und Fliegen, welche in der Hand eines starken Mannes zerquetscht würden) preßte und dadurch den Schein des Gesetzes für sich hatte. G. wurde nun nach St. Petersburg gebracht und dort in den Kasematten, den Gewölben unter der Festung, untergebracht. G. an ein thätiges Leben gewöhnt, vertrug das Sitzen in den Kasematten nicht; er fing ernstlich an zu kränkeln und wurde deshalb in ein hölzernes Haus versetzt, in welchem er am 2. Februar 1749 durch ein seliges Ende von allem irdischen Jammer erlöst wurde.

[224] Vgl. Eberhard Gutsleff, Superintendent und Oberpastor in Arensburg. Eine kirchenhistorische Skizze aus der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts von Reinhold Girgensohn in Dorpater Zeitschrift für Theologie und Kirche, Bd. XI, Heft 4, Jahrg. 1869.
H. Girgensohn.