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ADB:Hübsch, Heinrich

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Artikel „Hübsch, Heinrich“ von Alfred Woltmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 13 (1881), S. 273–275, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:H%C3%BCbsch,_Heinrich&oldid=- (Version vom 14. November 2024, 19:26 Uhr UTC)
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Hübsch: Heinrich H., Architekt und Kunstforscher, geb. den 9. Februar 1795 zu Weinheim an der Bergstraße, † den 3. April 1863. Sein Vater war Thurn- und Taxis’scher Postverwalter, seine Mutter, geb. Pagenstecher, die Tochter eines lutherischen Pfarrers. H. wurde im Gymnasium zu Darmstadt gebildet, bezog 1813, um Mathematik zu studiren, die Universität Heidelberg, wurde 1815 Architekt und ging auf die Bauschule in Karlsruhe. Aber die hier herrschende steif antikisirende Richtung Weinbrenners befriedigte ihn nicht, er wurde von der romantischen Bewegung der Zeit fortgerissen, die ihm die Welt des Mittelalters erschloß. Eine Wendung ward durch seine Reise nach Italien im J. 1817 herbeigeführt, wo er in den Kreiis von Cornelius und Overbeck trat; im J. 1819 ging er nach Griechenland und Constantinopel. In die Heimath zurückgekehrt, bestand er seine Staatsprüfung, ging dann aber im J. 1822 wieder nach Rom und folgte 1824 einem Rufe als Lehrer der Architektur an das Städel’sche Institut in Frankfurt a. M. Im J. 1827 wurde er als Residenzbaumeister und Mitglied der Baudirection nach Karlsruhe berufen; 1828 heirathete er Louise Heller. Er stieg in der Staatslaufbahn 1829 zum Baurath, 1831 zum Oberbaurath, 1842 zum Baudirector auf und wirkte zugleich (bis 1854) als Professor am Polytechnikum. Ihm fielen die größten Aufgaben in der Hauptstadt zu und er bestimmte wesentlich die ganze Architektur des Landes. In amtlichem Auftrag oder zu Studienzwecken unternahm er zahlreiche Reisen, namentlich war er noch fünf Mal in Italien. In Rom trat er im J. 1850 zum Katholicismus über, dem seine Frau angehörte und dem er längst durch seine romantischen Neigungen nahe stand. Er galt als gediegener, uneigennütziger und wohlwollender Charakter, heiter und angenehm im Umgang. – H. war sowol Forscher und Theoretiker, wie schaffender Architekt und vielleicht in jener ersten Eigenschaft bedeutender. Er begann mit einer Schrift „Ueber griechische Architektur“, 1822, die gegen den damals hochangesehenen A. Hirt gerichtet war, auf dessen Erwiderung durch einen Nachtrag „Vertheidigung der griechischen Architektur gegen A. Hirt“ (1824), ergänzt wurde und einen Fortschritt in der wissenschaftlichen Erkenntniß der classischen Baukunst herbeiführte. In der Folge ließ sein Interesse für die Baukunst des Alterthums nach, und er wandte sich vorzugsweise dem Studium der altchristlichen und italienisch-mittelalterlichen Kunst zu. Das Resultat war das große, nach der Arbeit eines ganzen Lebens, erst 1863 vollendete Werk „Die altchristlichen Kirchen nach den Baudenkmalen und älteren Beschreibungen und der Einfluß des altchristlichen Baustiles auf alle späteren Perioden“ (Text und Atlas, Fol.). Es ist eine selbstständige wissenschaftliche Leistung, bietet fast immer neue Aufnahmen, oft die erste Publication der Denkmäler und ergänzt diese Darstellung durch ernste geschichtliche Forschung. So hat er unsere Kenntniß dieser Periode wesentlich bereichert. Andererseits ist H. oft zu weit gegangen, wenn er manche Monumente früh datiren, für manche Formen und Anlagen eine frühe Entstehung in Anspruch nehmen wollte. Seine Hingebung an den Gegenstand ließ ihn ferner denselben überschätzen, nicht nur die gothische, sondern sogar die romanische Periode des Mittelalters verkennen, die er nur als eine Unterbrechung der ursprünglichen classischen Entwickelung der christlichen Kunst durch den Einfluß [274] barbarischer Völker ansah. – Diese geschichtlichen Studien führten nun H. zu bestimmten theoretischen Anschauungen über die moderne Architektur, die in der Schrift „In welchem Stile sollen wir bauen?“ (1832), im Text seiner „Bauwerke“ (1838), dann in dem Buche „Die Architektur und ihr Verhältniß zur heutigen Malerei und Sculptur“ (1847) ausgesprochen wurden. Originell und schlagfertig muß er hier auch denen erscheinen, die nicht mit ihm einverstanden sein können. Gegen die Gothik übt er schärfste Kritik, aber auch die antike Architektur ist ihm selbst bei der freiesten Behandlung für unser heutiges Schaffen unzulänglich; er faßt die italienische Architektur des Mittelalters als eine classisch-neuchristliche Kunst auf. Wie die Maler, denen er sich einst in Rom angeschlossen, sich an ältere italienische Muster hielten, so sollten auch die Architekten, seiner Ueberzeugung nach, jene italienische Richtung fortsetzen. Dabei wurde aber H. durch die Einseitigkeit seines künstlerischen, wie seines religiösen Standpunktes zu einem Irrthum geführt. Auch in ihm war ein Stück Nazarenerthum, er verstand den Geist der Renaissance nicht, die in Italien schon in der späteren Periode des Mittelalters vor der Thüre stand und hernach die herrlichste Periode italienischer Kunst herbeiführte, sah vielmehr die Renaissance als bloße Entartung an. – Auf Grund seiner theoretischen Prinzipien glaubte er nun einen neuen, zeitgemäßen Baustil durch bewußte Erfindung hervorrufen zu können und dafür sind seine Bauwerke die Belege. Die ersten Arbeiten seiner Frankfurter Zeit waren das Waisenhaus daselbst und die protestantische Kirche in Barmen (1825–29). Dann begann er in Karlsruhe mit dem Finanzministerium (1829–33), der polytechnischen Schule (1832–36). Es folgten das Zollgebäude in Mannheim (1836–39), das Landesgestüt in Karlsruhe (1837–38), die Kirche zu Bulach (1834–37). Hier, dann in verschiedenen kleineren Kirchen, später (1858–62) in den Kirchen zu Obersäckingen, Bühlerthal, Oos etc., dann in vielen nicht ausgeführten Entwürfen, suchte er durch freien Anschluß an die altchristliche Basilika eine neue Lösung für die Aufgaben modernen Kirchenbaues zu finden. Restaurirend verfuhr er bei der evangelischen Kirche zu Freiburg, die ein Wiederaufbau der Abteikirche von Thennenbach im Schwarzwald war, und der Façade des Domes zu Speier (1854–58), einer seiner besten Arbeiten, bei der er sich indeß dem alten Bau gegenüber etwas zu frei bewegte. Seine größten Leistungen im Profanbau waren die Kunsthalle in Karlsruhe (1836–45), die Trinkhalle in Baden (1837–40), das Hoftheater in Karlsruhe (nach 1847), die Gewächshäuser im dortigen Schloßgarten (1853–58), endlich das Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten und das Garten-Casino der Museumsgesellschaft. H. führte für die Hauptstadt Badens eine bessere Periode als die des vorhergegangenen classischen Zopfess herbei und ist durch sein Streben interessant. Er zeigt gesunde Eigenschaften: Verständniß für solide Construction, Unbefangenheit im Benutzen einfacher, aus der Construction selbst sich ergebender Motive, charakteristische Behandlung des Materials, das er gerne unverhüllt zu Tage treten, dem Aeußeren durch seine Farbe Reiz gewähren läßt, endlich eine edle Mäßigung, welche die Bauwerke nicht über ihre Bestimmung hinaufzuschrauben sucht. Dagegen besaß H. nur wenig schöpferische Phantasie, sein Schaffen war eigentlich stets ein theoretisches Experimentiren. Größere, vollendete Raumanlagen hat er nicht hervorgebracht und kaum je ist ihm ein ganz harmonisches, künstlerisch wahrhaft durchgebildetes Werk gelungen; auch in praktischer Beziehung waren seine Leistungen meist nicht vorwurfsfrei. Für ihn und seine Schule war namentlich das Zurückweisen der classischen Formen gefährlich. Sein aus dem italienischen Mittelalter abstrahirter, diesem jedoch recht unähnlicher Baustil, mit der Außengliederung durch Lisenen, der Vorliebe für den Flachbogen, der Neigung, die Erscheinung zu sehr [275] aus der Construction entwickeln zu wollen, der Trockenheit, oft selbst Unschönheit in Verhältnissen, Einzelformen und Ornament hat sich nicht entwickelungsfähig gezeigt. H. selbst bleibt eine geistvolle Künstlernatur.