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ADB:Hagn, Charlotte von

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Artikel „Hagn, Charlotte von“ von Hermann Arthur Lier in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 49 (1904), S. 776–777, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hagn,_Charlotte_von&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 18:55 Uhr UTC)
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Hagn *): Charlotte v. H., Schauspielerin, geboren in München am 23. März 1809, † daselbst am 23. April 1891, war die Tochter eines bairischen Beamten, der ihr eine gute Erziehung angedeihen ließ. Schon in ihren Mädchenjahren zeigte sich bei den Kinderaufführungen, an denen sie sich betheiligte, ihre große Begabung für die Bühne. Sie selbst kannte damals kein [777] größeres Verlangen, als zur Bühne zu gehen, fand aber für ihren Plan bei ihrem Vater energischen Widerstand. Dennoch wußte es die Hofschauspielerin a. D. Marianne Lang, geb. Boudet, durchzusetzen, daß sie seiner Tochter dramatischen Unterricht ertheilen durfte. Nach vierjähriger Vorbereitung betrat Charlotte am 29. August 1826 als Afanasia in Kotzebue’s „Grafen Benjowsky“ die Bühne des bairischen Hoftheaters, der sie seitdem bis zum Jahre 1833 angehörte. Weshalb sie damals ihr Verhältniß zur Münchener Bühne eigenmächtig löste, obwol sie sich großer Beliebtheit im Publicum erfreute und von ihren Collegen, unter denen sich Künstler wie Eßlair, Vespermann und Sophie Schröder befanden, mit Rath und That unterstützt wurde, ist nicht recht klar. Der Tod ihres Vaters, der sich selbst entleibte, eine unglückliche Neigung zu einem Prinzen und die durch einen Zufall verscherzte Gunst des Königs Ludwig I. sollen, wie man damals munkelte, sie zu diesem Schritt bestimmt haben. Sie wandte sich an Berlin, wo sie, nach einem zwanzigmaligen Auftreten als Gast, engagirt wurde. Diesen Wechsel hatte sie nicht zu beklagen, da ihr wahrer Ruhm erst in Berlin begründet wurde und von dort aus sich auch nach dem Auslande verbreitete. Besonders erfolgreich war ihr Gastspiel am Wiener Hofburgtheater, an dem sie im J. 1835 in dreiundzwanzig Gastrollen ihr Talent als naiv-sentimentale Liebhaberin, namentlich in Conversationsstücken, bewährte. Aehnliche Triumphe erzielte sie bei ihrem Auftreten in Petersburg, Hamburg, Leipzig und Pest. Ihre seltene Schönheit und Anmuth mögen dazu beigetragen haben, die Begeisterung, die sie überall erweckte, zu verstärken. Keiner hat sie mehr gefeiert, als Gustav zu Putlitz. Er erklärte sie für „die glänzendste Erscheinung im deutschen Lustspiel“ und meinte, daß sie „vielleicht die einzige deutsche Schauspielerin gewesen sei, die es vermocht hätte, sich auch in Paris eine glänzende Künstlerlaufbahn zu erringen, um neben einer Mars[WS 1], sicher neben einer Madeleine Brohan[WS 2] Triumphe zu feiern“. Trotz ihrer Vorliebe für ihren theatralischen Beruf vermählte sie sich im März 1846 mit dem Gutsbesitzer Alexander von Oven, aber wiewol die Ehe bereits im J. 1851 gelöst werden mußte, betrat sie die Bühne nie wieder, da eine lange, lähmende Krankheit die Erfüllung ihres Wunsches unmöglich machte. Sie lebte seitdem einige Jahre auf einem Landgute in Schlesien, zog sich dann nach Gotha zurück und verbrachte ihre letzten Jahrzehnte in ihrer Vaterstadt München.

Vgl. Biographisches Taschenbuch deutscher Bühnen-Künstler und Künstlerinnen. Hrsg. von L. v. Alvensleben. II. 1837. Leipzig o. J. S. 56–61. – Illustrirte Zeitung, Leipzig 1846. VII. Bd. Nr. 162. S. 93. – J. V. Teichmann’s Litterarischer Nachlaß, hrsg. von Franz Dingelstedt. Stuttgart 1863. S. 176. – G. zu Putlitz, Theater-Erinnerungen. Berlin 1874. 1. Bd. S. 234–236. – Ed. Wlassack, Chronik des k. k. Hof-Burgtheaters. Wien 1876. S. 196. – Franz Grandaur, Chronik des kgl. Hof- und Nationaltheaters in München. München 1878. (Register.) – C. Schiffer und C. Hartmann, Die kgl. Theater in Berlin. Berlin 1886. (Register.) – Deutscher Bühnen-Almanach. 56. Jahrgang. Hrsg. von Th. Entsch. Berlin 1892. S. 320–322. – 1892. Neuer Theater-Almanach. Hrsg. von der Gesellschaft Deutscher Bühnen-Angehöriger. 3. Jahrg. Berlin 1892. S. 91. – Friedrich Haase, Was ich erlebte. 1846–1896. Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart o. J. S. 55. – Lebenserinnerungen von Agnes Wallner. Bearbeitet von Hans Blum. Berlin 1900 (Register). – Ludwig Eisenberg’s Großes Biographisches Lexikon der Deutschen Bühne im XIX. Jahrhundert. Leipzig 1903. S. 383, 384.

[776] *) Zu S. 704.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Mademoiselle Mars, frz. Schauspielerin (1779–1847)
  2. Ethelie Madeleine Brohan (1833–1900)