ADB:Harrach, Friedrich Graf von

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Artikel „Harrach, Friedrich August Graf“ von Anton Victor Felgel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 634–637, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Harrach,_Friedrich_Graf_von&oldid=- (Version vom 23. April 2024, 09:21 Uhr UTC)
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Harrach: Friedrich August Graf H., wurde am 18. Juni 1696 als dritter Sohn des Grafen Alois Thomaes Raimund H. u. z. als Erstgeborner aus dessen zweiter Ehe mit Anna Cäcilia von Thanhausen geboren. Schon in jüngeren Jahren vielfach zu diplomatischen Sendungen gebraucht, wurde er Kämmerer, niederösterreichischer Regimentsrath und 1730 wirklicher Reichshofrath. Als kaiserlicher Gesandter am königlich sardinischen Hofe kam H. im April 1726 nach Turin. Der König von Sardinien hatte schon wiederholt Neigung und Geschick bekundet, die politischen Wirren und Händel der Mächte zu seinem Vortheile auszunützen. Ueberzeugt, daß der kaiserliche Gesandte die Weisung habe, sein Thun und Lassen aufmerksam zu beobachten, hütete er sich wol, denselben in sein Spiel blicken zu lassen. Mit Kälte und Mißtrauen aufgenommen, war und blieb H. ein Fremdling auf dem schlüpfrigen Boden des Turiner Hofes. Schon im August 1727 aus Gesundheitsrücksichten abberufen, weilte er von 1728 bis 1733 als kurböhmischer Gesandter bei der Reichsversammlung zu Regensburg, wurde im April 1729 vom Kaiser Karl VI. zum wirklichen geheimen Rathe erhoben, im April 1729 als kaiserlicher Commissär zur Würzburger Bischofs- und Reichsfürstenwahl und als mit dem Tode des Kurfürsten von Mainz, Herzogs Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg, das Hoch- und Deutschmeisterthum erledigt worden war, im Mai 1732 als kaiserlicher Gesandter und Commissär zur Hoch- und Deutschmeisterwahl nach Mergentheim abgeordnet. In Regensburg nahmen die wichtigen Verhandlungen mit dem Kurfürsten von Köln ihren Anfang, welche H. mit sehr vielem Geschicke weiter spann. Es ist ein klarer Beweis des Eifers, den er hierin entwickelt, daß er schon im Anfange des Monates August 1731 den Entwurf eines zwischen dem Kaiser und dem Kurfürsten von Köln wegen Garantie der pragmatischen Sanction zu schließenden Vertrages in Begleitung eines eigenhändigen kurfürstlichen Schreibens einhändigen konnte. Es fehlte natürlich nicht an Gegenbemühungen des Münchener Hofes, den Kurfürsten von [635] Köln den bairischen Plänen günstig zu stimmen. Am Schlusse des J. 1732 zum Obersthofmeister der Erzherzogin Elisabeth, Schwester des Kaisers und bevollmächtigter Statthalterin der österreichischen Niederlande ernannt, benutzte H. die Reise nach Bruchsal[1] zu einem Aufenthalte am Hofe zu Köln. Der Kurfürst von Baiern war unermüdlich in Versuchen, seinen Bruder zu Gunsten seiner vermeintlichen Erbansprüche auf die österreichischen Länder zu stimmen und ihn der durch Garantirung der vom Kaiser Karl VI. aufgestellten österreichischen Erbfolgeordnung übernommenen Verpflichtung abwendig zu machen. Damals war Karl Albrecht zu diesem Ende nach Bonn gekommen und er wollte den Kurfürsten überreden mit ihm zu längerem Besuche nach München zu gehen. Er hoffte dort seinen ganzen Einfluß auf seinen Bruder ungestört geltend machen und denselben endlich für seine Absichten gewinnen zu können. Harrach’s erste Sorge war nun, die Schritte des Kurfürsten von Baiern und seiner Minister fleißig zu beobachten. Er ließ es sich angelegen sein, die Mittel zu erkunden, deren man sich zu bedienen gedachte, den Kurfürsten von Köln dem österreichischen Interesse abwendig zu machen. H. hütete sich wol, in einen Streit über die beiderseitigen Erbansprüche einzugehen. Er erwähnte aber, daß der Kaiser völlig auf die Vertragstreue des Kurfürsten von Köln vertraue, dem er ja auch zum Hoch- und Deutschmeisterthum verholfen. Er suchte ihn wol gelegentlich von dem Ungrunde der bairischer Seits erhobenen Ansprüche zu überzeugen, ohne sich jedoch in weitschichtige Widerlegungen einzulassen. Gegen die beabsichtigte Münchener Reise des Kurfürsten machte H. geltend, daß bei der feindseligen Haltung Baierns das Vertrauen des Kaisers erschüttert und überhaupt Jedermann der Glaube beigebracht werden müßte, daß der Kaiser sich nicht auf das gegebene Wort des Kurfürsten verlassen könne. – Nachdem er hierauf durch volle vier Jahre an der Seite der Erzherzogin Elisabeth die Verwaltung der österreichischen Niederlande geleitet hatte, kam H. im Februar 1737 nach Wien. Doch schon im August desselben Jahres wurde ihm der Auftrag, sich unverzüglich auf seinen Posten zurück zu begeben, um manchem zu Tage tretenden Gebrechen in den Niederlanden abzuhelfen und nothwendig gewordene Verbesserungen anzubahnen. Nach dem Tode der Erzherzogin stand er allein als Interims-Statthalter der Regierung dieses Landes vor. Die Neubesetzung der Statthalterschaft brachte Harrach’s von ihm lange ersehnte und wiederholt erbetene Rückberufung nach Wien. Als Nachfolger des Grafen Philipp Kinsky in der Würde eines obersten Kanzlers des Königreichs Böhmen und als Mitglied der geheimen Staatsconferenz hatte er nun Gelegenheit sein auf reiche Kenntnisse und erprobte Rechtsanschauungen gegründetes, wahrhaft scharfsinniges Urtheil, seine bedeutende geistige Kraft zu zeigen. Gleich ihrem Vater erhob ihn auch Maria Theresia zu ihrem wirklichen geheimen Rathe – im Jänner 1774 – und verlieh ihm das goldene Vließ. Am 20. Jänner 1745 bevollmächtigte sie ihn zum Friedensschlusse mit Frankreich. Zur Erfüllung dieses schwierigen Auftrages begab sich H., um das dringend gebotene tiefste Geheimniß zu wahren, von Wien nicht unmittelbar nach Dresden, wo die Verhandlung stattfinden sollte, sondern zunächst in das Feldlager des Prinzen von Lothringen. Die Nothwendigkeit, als oberster Kanzler von Böhmen persönlich für die Verproviantirung des Heeres während der Winterszeit vorzusorgen, erklärte Harrach’s Anwesenheit im österreichischen Lager. Maria Theresia war aber bei dieser Sendung Harrach’s hauptsächlich von dem Wunsche geleitet, wahrheitsgetreue Mittheilungen über die dortigen Zustände zu erhalten. Harrach’s eingehende Berichte über das Verhältniß des Herzogs von Lothringen zu den Officieren und über die große Unzufriedenheit, welche unter diesen herrschte, waren nicht erfreulich und schienen zu entscheidenden Schritten zu drängen. Bei [636] dem Heere eben noch zu rechter Zeit angekommen, um dem Rückzuge von Schönberg nach Gabel beizuwohnen, war H. Zeuge der trostlosen Verwirrung, welche während desselben allenthalben herrschte. Noch im Lager erhielt er ein dringendes Schreiben des Grafen Brühl, das ihn nach Dresden rief. H. stimmte vorerst mit Brühl bezüglich der Nothwendigkeit eines unverzüglichen Friedensschlusses mit Frankreich überein, der es ermöglichen sollte, alle Streitkräfte gegen den König von Preußen zu vereinigen. In diesem Sinne war auch H. thätig und ermuthigte den König von Polen und den Grafen Brühl Preußen gegenüber standhaft auszuharren. Die Verhandlungen mit dem französischen Gesandten fortzuführen und abzuschließen, begab sich H. endlich nach Dresden. Dort kam er am Tage der unglücklichen Schlacht bei Kesselsdorf an. Es ist ein Beweis seiner geistigen Kraft, daß er inmitten der heillosen Verwirrung, die in Dresden herrschte, nicht seine Besonnenheit verlor. Am Abende desselben Tages noch – des 15. Decembers – eröffnete er die Verhandlungen mit Vaulgranant.[2] Als sich ihm aber der Verdacht aufdrängte, daß es Frankreich keineswegs Ernst sei mit dem Abschlusse eines Separatfriedens mit Oesterreich, war H. alsbald darauf bedacht, dem Könige von Preußen sich zu nähern, obwol er „die Nothwendigkeit eines Friedensschlusses mit Preußen für das größte Unglück ansah, von welchem das Haus Oesterreich betroffen werden könne“. Mit der zurückweichenden österreichisch-sächsischen Armee kam H. nach Pirna. Dort erwartete er die weiteren Befehle der Kaiserin, welche ihn anwies, auf Grundlage des einfachen Beitrittes zu der Convention von Hannover mit Preußen Frieden zu schließen. Eiligst verfügte sich H. wieder von Pirna nach Dresden, wo er am 22. December eintraf. Er eröffnete sogleich die Verhandlungen mit Podewils. Am 23. hatte H. Audienz beim Könige. Er wurde zuvorkommend empfangen und mit vieler Auszeichnung behandelt. Die von H. begehrte Garantie der in Deutschland gelegenen Staaten Maria Theresia’s wurde bereitwillig in den Tractat aufgenommen. Am 25. December 1745 unterzeichnete H. in Dresden den Frieden. Sein Benehmen wurde von der Kaiserin vollständig gebilligt. Die Verhandlungen mit Beckers – im folgenden Jahre – wegen der kurpfälzischen Accession zum Dresdener Tractat bildeten den Schluß der diplomatischen Laufbahn Harrach’s. Von nun an widmete er sich ausschließlich seinen Obliegenheiten in der dreifachen Stellung als Mitglied der Staatsconferenz, als oberster Kanzler von Böhmen und – in Stellvertretung seines damals in Mailand als Statthalter der Lombardei weilenden Bruders Ferdinand – als Landmarschall des Erzherzogthums Oesterreich unter der Enns. Vermöge dieser amtlichen Stellung, seiner persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten, endlich seiner vielfachen und innigen Beziehungen zu den vornehmsten Familien Oesterreichs konnte er wol als Haupt- und Stimmführer des Adels dieses Landes angesehen werden. Er war daher ein sehr zu fürchtender Gegner, als er die Administrations- und Finanzprojecte des Grafen Haugwitz mit aller Hartnäckigkeit bekämpfte. Während die Vorschläge des Letzteren dahin zielten, die ständischen Rechte einzuengen, die staatlichen Befugnisse aber auszudehnen, lag es im Plane Harrach’s (welcher vorschlug: sämmtliche Cameral- und indirecte Steuern, also die dem Staatsschatze unmittelbar zufließenden Abgaben, aufzuheben und die für[3] die Verwilligung aller zur Deckung der Staatsbedürfnisse nothwendigen Summen von den Ständen zu beanspruchen), die ständische Macht in nie dagewesenem Grade zur Entfaltung zu bringen. Und nachdem sein Plan im Ministerium gefallen war und der Haugwitz’sche Entwurf die Genehmigung der Kaiserin erlangt hatte, hörte H. nicht auf, die Sache der Stände zu verfechten. Mit solcher Entschiedenheit, ja sogar Heftigkeit trat er der Kaiserin gegenüber auf, daß Maria Theresia ihn seines Postens als [637] Landmarschall-Stellvertreter in Niederösterreich enthob. Im Mai 1748 richtete er nochmals schriftliche Vorstellungen an sie. Im selben Monate legte er die Würde eines obersten Kanzlers des Königreiches Böhmen nieder. Am 4. Juni 1749 starb er nach nur dreitägiger Krankheit. – Ohne Zweifel ließ Harrach’s Begabung ihn mehr für ruhige, gewissenhafte Besorgung gewöhnlicher Geschäfte als für weit aussehende Unternehmungen geeignet erschienen. Dennoch galt er als der gewandteste Unterhändler unter den damaligen Staatsmännern Oesterreichs: er liebte die Arbeit und oblag ihr mit Eifer. Weit entfernt von Hochmuth und Selbstüberschätzung war er sich seiner geistigen Ueberlegenheit über die meisten seiner Collegen wol bewußt, hütete sich aber sorgfältig, sie ihnen fühlbar zu machen. Obwol mehr zur Sanftmuth und Versöhnlichkeit geneigt und mit sicherem Blicke das Richtige in den Anschauungen Anderer erkennend, war er doch nicht ohne Festigkeit des Charakters, die er sogar der Kaiserin gegenüber darthat. Seine äußere Erscheinung zeichnete sich durch eine gewisse Vornehmheit aus. Leichtigkeit und Geschmack im mündlichen Ausdrucke, verbindliche gefällige Umgangsformen erwarben ihm zumeist die Achtung und das Vertrauen derer, die mit ihm verkehrten. Einen großen Theil seiner freien Zeit widmete er seiner Familie, deren Glück und Glanzpunkt er bildete. Seine Gemahlin, Maria Eleonore (geb. am 31. December 1703, vermählt am 5. Februar 1719), war die jüngste Tochter des Fürsten Anton Florian von Liechtenstein, der Karl VI. nach Spanien begleitet hatte. Sie starb am 18. Juli 1757, nachdem sie ihm 16 Kinder geboren, von welchen er die Meisten überlebt hat.

Acten des kaiserl. u. königl. Haus-, Hof- und Staatsarchivs in Wien; Wurzbach, Biogr. Lexikon, Bd. VII und die betreffenden Bände von Alfred v. Arneth’s Geschichte Maria Theresia’s.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 635. Z. 4 v. o. l.: Brüssel (st. Bruchsal). [Bd. 11, S. 795]
  2. S. 636. Z. 14 v. o. l.: Vaulgrenant (st. Vaulgranant). [Bd. 11, S. 795]
  3. S. 636. Z. 7 v. u. st. die für lies: dafür. [Bd. 11, S. 795]