ADB:Harrach, Karl Borromäus Graf von

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Artikel „Harrach zu Rohrau und Bruck, Karl Borromäus Graf von“ von Anton Victor Felgel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 638–639, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Harrach,_Karl_Borrom%C3%A4us_Graf_von&oldid=- (Version vom 19. April 2024, 01:14 Uhr UTC)
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Harrach: Karl Borromäus Graf von H. zu Rohrau und Bruck wurde geboren zu Wien am 11. Mai 1761 als jüngerer Sohn des Grafen Ernst Guido von H. (aus der j. Linie dieses gräflichen Hauses, geb. am 8. Sept. 1723, gest. am 23. März 1783) aus dessen Ehe mit Maria Josefa, geborenen Gräfin von Dietrichstein (geb. am 2. Nov. 1736, gest. am 21. Dec. 1799). Von den glücklichsten Anlagen unterstützt, genoß H. eine sorgfältige Erziehung und studirte in Wien die Rechte. Unter der weisen Leitung des erfahrenen Staatsrathes Freiherrn v. Eger für den Staatsdienst ausgebildet, zog er durch seinen lebhaften Geist die Aufmerksamkeit des Kaiser Josef II. auf sich, der ihn – 1784 – zum Gubernialrathe in Prag ernannte. Als eine von ihm angestrebte Heirath an der Einsprache seiner Eltern gescheitert war, verließ er die glänzende Laufbahn, die sich ihm im Staatsdienste eröffnet hatte und trat als Ehrenritter in den Johanniterorden mit dem festen Entschlusse, fortan sein ganzes Leben der Kunst und Wissenschaft und den Werken wohlthätiger Menschenliebe zu widmen. Auf einer Reise durch Deutschland, Frankreich und England (im Sommer 1793) besuchte er die ausgezeichnetsten Männer und erwarb sich deren Achtung. Mit den meisten derselben unterhielt er in der Folge freundschaftlichen Briefwechsel und fruchtbaren Ideenaustausch, namentlich mit Goethe, Blumenbach, Hufeland, Böttiger u. A. Mit einem Schatze umfassender Kenntnisse in den Naturwissenschaften und der classischen Litteratur des Auslandes bereichert kehrte er in seine Vaterstadt zurück. Auch hier war er in regem Verkehr mit den damaligen Trägern der Intelligenz – (namentlich Alxinger, Born, Denis, Eckhel, D’Elci, Hofrath Greiner, Graf Purgstall, Graf Waldstein u. A.). – In freundschaftlichem Umgange mit den ersten Aerzten der Residenz – (Johann Peter Franck, Jacquin, Adam und Wilhelm Schmidt, Staudenheim, Wiener) – bildete er sich in der Heilkunde aus. Er bestand alle Rigorosen und war mit solchem[1] Eifer im Spitale bemüht, sich zu einem tüchtigen praktischen Arzte auszubilden, [639] daß[2] er von einem gefährlichen Spitalfieber befallen wurde. Am 25. Juni 1803 wurde er Doctor der Medicin, am 10. August desselben Jahres Magister der Geburtshilfe. Der ganz ungewöhnliche Fall, daß der Sprosse eines der vornehmsten Geschlechter des österreichischen Kaiserstaates es für das Würdigste hielt, den Beruf eines praktischen Arztes auch wirklich auszuüben, erregte nicht geringes Aufsehen in der Wiener Gesellschaft. Sein aufopferndes Bestreben im J. 1805, – als Wien von den Franzosen besetzt und mit Noth leidenden Gefangenen, Kranken, Verwundeten und Sterbenden überfüllt war, – Allen ohne Unterschied Hilfe zu leisten, verdient rühmend hervorgehoben zu werden. Im J. 1806 trat er aus dem Johanniterorden in den deutschen Orden über, in welchem er nach bestandenem Noviziate den Ritterschlag erhielt (Mai 1806) und später Rathsgebietiger der Ballei Oesterreich und Comthur wurde. Seine eigenen Bedürfnisse an Bequemlichkeit und Wohlleben auf das Nöthigste beschränkend, kannte er keinen höheren Genuß, als seine leidenden Mitmenschen körperlich und seelisch zu heilen, zu trösten und zu stärken. Er übte seine Praxis vorzugsweise bei Armen aus und pflegte dieselben nicht nur unentgeltlich zu behandeln, sondern bezahlte ihnen überdies die Arzneien und nahm sich ihrer auch nach ihrer Genesung an, bestrebt ihnen Arbeit und Verdienst zu verschaffen. Als Wien zum zweiten Male in die Gewalt der Franzosen gerieth – 1809 – gab H. neuerdings schöne Beweise der ihn begeisternden Menschen- und Vaterlandsliebe, indem er nicht nur selbst milde Gaben für die Spitäler spendete und sammelte, sondern auch oft mit eigener Lebensgefahr einer sehr großen Anzahl Verwundeter und Kranker ärztliche Hilfe angedeihen ließ. Im J. 1814 übernahm er die Stelle eines Primärarztes im Spitale der Elisabethinerinnen. Das mit dieser Stelle verbundene Honorar nahm er zwar an, schickte jedoch alljährlich den doppelten Betrag dem Kloster als Geschenk. Nach langwierigem Leiden starb H., 68 Jahre alt, am 1. October 1829. Er hatte 25 Jahre in edelster und großmüthigster Weise als ausübender Arzt gewirkt und sich außer seinem Wohlthätigkeitssinne durch staunenswerthes Gedächtniß, freisinnige Denkungsart und caustischen Witz ausgezeichnet. Wenige Monate vor seinem Tode hatte er sich vom Großmeister des deutschen Ordens die Erlaubniß ausgewirkt, mit seinem Vermögen frei ohne Rücksicht auf den Orden verfügen zu können, worauf er die Armenanstalten Wiens zu seinen Universalerben einsetzte. Seine Sammlung von mehr als 10,000 Dissertationen aus allen Fächern der Arznei- und Wundarzneikunde kam in die Wiener Hofbibliothek. – Als Ergebniß der persischen Studien, welche er 1797–99 mit seinem Freunde Hammer betrieben hatte, veröffentlichte H. Auszüge und Uebersetzungen aus dem Divan Hafis. Bereits im J. 1798 hatte er eine Uebersetzung der Preisschrift des Londoner Arztes John Masson Good „Ueber die Krankheiten der Gefängnisse und Armenhäuser“, mit trefflichen Anmerkungen begleitet, erscheinen lassen.

Acten des deutschen Ordens Central-Archivs. – Wurzbach, Biogr. Lex., Bd. VII. S. 381–384, und die dort angegebene Litteratur.

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 638. Z. 1 v. u.: mit allem Eifer. [Bd. 11, S. 795]
  2. S. 639. Z. 1 v. o. l.: bis, statt „daß“. [Bd. 11, S. 795]