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ADB:Hartmann, Julius von (großbritischer und hannoverischer General der Artillerie)

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Artikel „Hartmann, Georg Julius von“ von Georg Waitz in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 688–691, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hartmann,_Julius_von_(gro%C3%9Fbritischer_und_hannoverischer_General_der_Artillerie)&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 11:31 Uhr UTC)
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Hartmann: Georg Julius v. H., oder als Ritter des Englischen Bathordens Sir Julius H., hannoverscher General, stammte aus einer Familie, die mehrere Generationen hindurch sich dem Rechtsstudium gewidmet hatte. Der Großvater, Zacharias H., eine Zeit lang Professor in Kiel, war 1736 als Hofrath an die Justizkanzlei nach Hannover berufen, sein Sohn Gustav Christian H. [689] Vice-Director desselben höheren Gerichtshofes. Georg Julius v. H., der dritte Sohn, geboren am 6. Mai 1774, in der Jugend kränklich und in seiner Entwickelung etwas zurückgeblieben, ward dem Militärstande bestimmt und trat 1787 als Volontärcadet bei der Artillerie ein, um zunächst den Unterricht der „Artillerie-Ekole“ zu empfangen, womit er seit 1789 den Dienst als Kanonier verband. Einer seiner Lehrer hier war Scharnhorst, der den größten Einfluß auf ihn hatte und ihm stets ein Gönner und Vorbild blieb. 1792 zum Stückjunker, 1793 zum Fähnrich ernannt, nahm er Theil an dem Feldzug in den Niederlanden, wo hannoversche Truppen in englischem Solde dienten. 1794 Secondelieutenant bei der Artillerie-Besatzung des von den Franzosen belagerten Menin, gehörte er zu denen, die bei dem glücklichen Ausfall zurückgelassen wurden und fiel so in Gefangenschaft, die er in Amiens und Bourges verlebte und von der ihn erst der Baseler Friede befreite. Als Premierlieutenant stand er 1796 bei der Abtheilung, welche sich mit den Preußen zum sogenannten Neutralitäts-Cordon vereinigt hatte, arbeitete dann 1797–99 unter Scharnhorst im Generalquartiermeisterstabe, theilte 1803 als Stabscapitän das Schicksal der hannoverschen Armee, die in Folge der Capitulation von Suhlingen zur Auflösung verurtheilt war. Aber eben das ward für H. der Anlaß zu einer weit reicheren Thätigkeit, als ihm damals die Heimath bieten konnte. Wie viele seiner Landsleute von Haß gegen die französische Occupation erfüllt, folgte er bereitwillig einer Aufforderung unter englischer Führung den Kampf gegen Frankreich fortzusetzen. Feindlichen Nachstellungen glücklich entgehend, kam er über Husum und Helgoland 1804 nach England, wo er an der Bildung der englisch-deutschen Legion wirksamen Antheil nahm: er organisirte und commandirte eine reitende Batterie, betheiligte sich mit ihr 1805 an der erfolglosen Expedition nach den Mündungen der Elbe und ging 1808 als Major mit nach Schweden, unmittelbar darauf aber nach der Pyrenäischen Halbinsel, wo er zu bedeutender Thätigkeit kam. Unter mannigfach schwierigen Verhältnissen, als Führer deutscher und später englischer Batterien, bald unmittelbar unter Wellingtons Leitung, bald bei den Abtheilungen, welche Lord Hill und Marschall Beresford befehligten, war er thätig bei der mühevollen, aber erfolgreichen Vertheidigung Portugals in den J. 1809–11, zeichnete sich aus in den Schlachten bei Talavera und Albuera. Als Wellington im J. 1812 zur Offensive in Spanien vorging, verschafften Hartmann’s Leistungen in der Schlacht bei Salamanca ihm den Rang eines Oberstlieutenants der englischen Armee. Im J. 1813 commandirte er bei Vittoria die Reserve-Artillerie, die zur Entscheidung der Schlacht wesentlich beitrug, und nahm Theil an der Belagerung St. Sebastians und den Gefechten an der Nivelle und an der Nive. Bei der Belagerung Bayonnes stand die ganze Artillerie unter seinem Befehl, bis die Einnahme von Paris durch die Verbündeten und der hier geschlossene Friede dem Kampf ein Ende machte, und H. durch Ernennung zum knight commander des Bathordens die verdiente Anerkennung seiner Leistungen empfing. Er erhielt eine Zeit lang in den Niederlanden den Oberbefehl über die hier vereinigte Artillerie der deutschen Legion und die von Hannover gestellten Contingente, ward nach der Rückkehr Napoleons zu Wellington nach Wien gesandt, nahm an den großen Schlachten bei Quatrebras und Waterloo Theil und zog, inzwischen zum hannoverschen Obersten ernannt, mit dem siegreichen Heere nach Paris. Da der Friede die Auflösung der deutschen Legion zur Folge hatte, trat H., nicht ohne schmerzliche Gefühle sich von der englischen Armee und vielen Freunden trennend, in den Dienst des neuen Königreichs, anfangs, da ältere Officiere nicht übergangen werden konnten, nur als Commandeur eines Bataillons, aber zu mannigfach anderen Geschäften, namentlich der Berathung neuer organisatorischer Einrichtungen herangezogen. Da es [690] ihm jedoch nicht gelang hier mit seinen Vorschlägen durchzudringen und auch sonst seine dienstlichen Verhältnisse ihn wenig befriedigten, ward er auf seinen Wunsch 1831 als Generalmajor zur Disposition gestellt. Er benutzte die Muße zur Ausarbeitung der „Beiträge zur Geschichte des Krieges auf der Pyrenäischen Halbinsel“, die im hannoverschen militärischen Journal 1831–35 erschienen und vielfache Beachtung in England wie in Deutschland fanden. Im J. 1833 aber, nach der eingetretenen Veränderung in den öffentlichen Verhältnissen Hannovers, zum Commandeur der jetzt zu einer Brigade erweiterten Artillerie ernannt (1836 zum Generallieutenant befördert), entwickelte er innerhalb der Schranken, die ihm durch die Mittel des kleinen Staates gezogen waren, die eingreifendste Thätigkeit für die Organisation derselben. Das Material ward unter Benutzung neuer Erfindungen verbessert, ein neues Exercierreglement eingeführt, vornehmlich aber auf die Ausbildung der Mannschaft und Unterofficiere wie der Officiere das größte Gewicht gelegt: für jene durch gründlichen Unterricht und ein eigenes Handbuch gesorgt, ein Unterofficiercorps gebildet, wie es kaum seines gleichen gehabt, von den Officieren aber wissenschaftliche Bildung, praktische Tüchtigkeit und sittliche Haltung verlangt und darauf durch seine ganze Persönlichkeit, die das Muster eines militärischen Vorgesetzten war, auf das günstigste eingewirkt. So durfte er sich eines Erfolges rühmen, der über die Dauer seiner eigenen Wirksamkeit hinaus gereicht und der hannoverschen Artillerie einen ehrenvollen Platz in dem deutschen Heerwesen gesichert hat. – Die durch die Thronbesteigung Ernst August’s in Hannover herbeigeführten Veränderungen berührten H. wenig sympathisch. Kein Freund moderner Verfassungen, sah er das Staatsgrundgesetz ohne Bedauern beseitigt, von politischen Erörterungen hielt er sich grundsätzlich fern, die energische Persönlichkeit des Königs flößte ihm Achtung ein; aber die rücksichtslose Art seines Auftretens, eingreifende Veränderungen im Heerwesen, namentlich die Zurücksetzung der Artillerie berührten ihn unangenehm; früher schon mit demselben während seines Aufenthalts in England als Herzog von Cumberland in Conflict gekommen, hatte er sich seines Wohlwollens nicht zu erfreuen, wie wenig auch der König seine Dienste entbehren mochte. Im J. 1848 erhielt H. neben seinen bisherigen Functionen auch die Verwaltung des Armeematerials und dadurch bei den kriegerischen Ereignissen dieses und des folgenden Jahres Gelegenheit zu neuer ausgedehnter Thätigkeit, sah sich aber 1850 veranlaßt seinen Abschied zu fordern. Als König Georg V. die Regierung übernahm, war derselbe bemüht, durch wiederholte Gunstbeweisungen H. seine Anerkennung zu bethätigen: er übertrug ihm die Anzeige seiner Thronbesteigung in England, wo H. sich der günstigsten Aufnahme zu erfreuen hatte, ernannte ihn zum wirklichen General, verlieh ihm unerwartet den (früher abgelehnten) erblichen Adel. Aber am 27. Mai 1856 von einem Brustkrampf befallen, starb H. am 7. Juni an einem wiederholten Schlaganfall. – H. war zweimal verheirathet, zuerst mit Sophie Hausmann, aus einer wohlhabenden Kaufmannsfamilie, mit der er sich nach Beendigung des Krieges von Paris aus verlobte und auf einem Landsitz in der Nähe von Hannover glückliche Jahre verlebte, als der Tod sie ihm im J. 1824 raubte, dann mit der nahe befreundeten Marianne Meyer, verwittweten Heise, Nichte des als „Bramstedter Meyer“ bekannten Schriftstellers, die ihn nach 30jähriger beglückter Ehe in hohem Alter überlebt. Eine reiche, blühende Familie (5 eigene, 3 Stiefkinder) umgab ihn; sein Haus war der Mittelpunkt eines großen Verwandten- und Freundeskreises; mit seinem Schwager Brandis in Bonn, den englischen Freunden, M. Arndt, dem jüngeren General Scharnhorst und Anderen ward auf Reisen ein reger Verkehr unterhalten. H. war eine der angesehensten und zugleich populärsten Persönlichkeiten Hannovers. Seine stattliche Erscheinung, ein kräftiges Wesen, ein selbstloses, wenig die Personen, [691] aber immer nur die Sache im Auge habendes Handeln, entschiedenes Vertreten des als wahr und recht Erkannten nach oben wie nach unten – dem Motto „Treu und fest“ entsprechend, das ihm König Wilhelm IV. für sein Familienwappen verliehen –, bei aller Strenge und zu Zeiten Schroffheit, die ihm eigen, hohe Gerechtigkeit und wahres Wohlwollen sicherten ihm die allgemeinste Achtung und Verehrung. „Ein warmes, tief empfindendes Herz“, sagt der Sohn, „leuchtete selbst durch die heftigen Ausbrüche eines in früheren Jahren wenig gezügelten Temperaments“. Wer ihn, wie der Unterzeichnete, im späteren Leben, aber noch in voller Thätigkeit, im Kreise der mit zarter, tiefer Liebe umfaßten Familie gesehen, bewahrt das Bild einer ursprünglichen, reich begabten Natur, einer in den Wechseln des Lebens gestählten, auf eigenthümlich glücklicher Verbindung englischer und deutscher Bildung beruhenden Persönlichkeit.

v. Hartmann, Der k. hannoversche General Sir Julius v. Hartmann. Hannover 1858. – Mittheilungen über die militärische Thätigkeit und das private Leben von Mitgliedern der Familie.