ADB:Hasenauer, Carl Freiherr von

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Artikel „Hasenauer, Karl Freiherr von“ von Julius Leisching in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 47–51, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hasenauer,_Carl_Freiherr_von&oldid=- (Version vom 28. März 2024, 08:55 Uhr UTC)
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Hasenauer: Karl Freiherr von H., Architekt. Geboren am 20. Juli 1833 in Wien als Sohn des k. k. Hofzimmermeisters J. C. Hasenauer, besuchte H. die Realschule in Dresden, dann das Collegium Carolinum in Braunschweig und war an der Wiener Akademie der bildenden Künste Schüler der Professoren van der Nüll und Siccardsburg. Mit einundzwanzig Jahren erhielt er hier 1854 den Kaiserpreis. Eine besonders gute Schule war für ihn das väterliche Gewerbe, das ihn späterhin auch öfter zu decorativen Holzbauten anregte und ihm große praktische Erfahrung und Gewandtheit verlieh. [48] Bekannter machte er sich erst 1861 anläßlich des internationalen Wettbewerbes um das Wiener k. k. Opernhaus, bei dem er den dritten Preis errang. Ein Jahr darauf gewann er bei dem internationalen Wettbewerb um die Façade und Wiederherstellung von Santa Maria del Fiore in Florenz den zweiten Preis für seinen Entwurf, der dem zur Ausführung gelangten von vielen Seiten vorgezogen wurde. Sein wiederholter längerer Aufenthalt in Italien, dem sich weitere Reisen nach Deutschland, Frankreich, Belgien, England und Schottland anschlossen, weitete seinen Blick. 1866 ward er zum Mitglied der Wiener Akademie der bildenden Künste ernannt.

In demselben Jahre kam er nun durch die Ausschreibung des Baues der k. k. Hofmuseen an den entscheidenden Wendepunkt seines Lebens. Zu einer 1866 hierfür veranlaßten engeren Bewerbung waren nur Hansen, Ferstel und Ministerialrath v. Löhr eingeladen. H. erbat sich die Erlaubniß sich ebenfalls betheiligen zu dürfen und erhielt sie. Das von allen Seiten angefochtene Gutachten des Preisgerichtes entschied am 31. Juli 1867, es sei keiner der Entwürfe zu empfehlen; jener Löhr’s käme zwar an Zweckmäßigkeit den gestellten Bedingungen am nächsten, stände aber in künstlerischer Hinsicht hinter den anderen zurück. Das Ergebniß war eine neuerliche Ausschreibung unter denselben vier Architekten, an der sich Ferstel jedoch unter Protest gegen den ganzen Vorgang nicht mehr betheiligte. Hansen’s Entwurf ward jetzt vom Preisgericht wegen Nichteinhaltung der Bestimmungen ausgeschlossen, jener von Löhr unter dem Widerspruch der Künstlerschaft zur Ausführung empfohlen. Im Namen eines Theiles derselben wendete sich nun der dem Preisgerichte angehörige Architekt Tietz an Gottfried Semper, den auch H. darum bat, er möge ein Gutachten abgeben. Doch erst als er am 12. Januar 1869 von Kaiser Franz Josef unmittelbar dazu aufgefordert worden war, über die ihm in Zürich vorgelegten Entwürfe von H. und Löhr seine Meinung auszusprechen, erstattete Semper am 6. März d. J. ein Gutachten, das sich für keinen der beiden entscheidet, da die Aufgabe des Museumsbaues nur im Zusammenhange mit der Errichtung der neuen Hofburg gelöst werden könne und dazu ein ganz neuer Entwurf nöthig sei. Am 28. März d. J. vom Kaiser nach Wien geladen, wird Semper vom Monarchen persönlich aufgefordert, selbst einen neuen Entwurf vorzulegen und die Leitung der beabsichtigten Hofbauten (Museen, Burg und Burgtheater) unter Zuziehung eines ortskundigen Mitarbeiters zu übernehmen. Semper nimmt an und entscheidet sich für H., dessen decoratives Talent er schätzte. Beide erhalten am 17. Juli 1870 den endgültigen Auftrag zur Erbauung der Museen auf Grund der im wesentlichen von Semper in Zürich entworfenen und im Einvernehmen mit H. vorgelegten Skizzen. Im Herbste 1871 übersiedelte Semper nach Wien und am 16. December d. J. unterzeichneten beide Architekten gemeinsam auch schon die vier zur Entscheidung vorgelegten Entwürfe für das k. k. Hofburgtheater. Der Kaiser entschied sich für den Entwurf, der im wesentlichen an Semper’s unausgeführt gebliebenen Plan für das Münchner Richard Wagner-(Festspiel-)haus sich anlehnt mit der von H. vorgeschlagenen Façadenänderung, die an Stelle eines halbkreisförmigen Abschlusses vorne einen geradlinigen Haupteingang mit beiderseitigen kleineren Segmentansätzen vorsieht.

Die Baugeschichte der den beiden Architekten gemeinsam übertragenen Arbeiten war lange Zeit in ein Dunkel gehüllt, welches früher den Antheil jedes Einzelnen nur aus den Architekturformen herauszulesen, nicht aber urkundlich festzustellen gestattete. Erst Hasenauer’s Tod und die im März 1895 bei Einsle in Wien erfolgte Versteigerung seines Nachlasses, wobei der größte Theil der Baupläne in den Besitz der Bibliothek an der Akademie der [49] bildenden Künste gelangte, haben die entscheidenden Thaten jedes Einzelnen deutlich erkennen lassen. Vor allem lag gerade zu Beginn der siebziger Jahre die Hauptlast der gewaltigen Arbeiten zweifellos auf Semper’s Schultern, weil H. durch den Auftrag für die Bauten der Wiener Weltausstellung vollkommen in Anspruch genommen war. Er hat sich desselben in glänzender, allgemein anerkannter Weise entledigt. Die erste Londoner Weltausstellung von 1851 hatte im Palast von Sydenham zum ersten Male die Verbindung von Eisen und Glas für diesen Zweck als vorbildlich erscheinen lassen. Dann hatte Siccardsburg für gleiche Zwecke einen Entwurf nach dem sogenannten Fischgrätensystem ersonnen, welches dem Grundzuge der Pariser Weltausstellung von 1867 gerade entgegengesetzt war und von H. nunmehr mit dem Scott-Russell’schen Gedanken des Rotundenbaues verbunden wurde. Unter Hasenauer’s Leitung arbeiteten Feldscharek, Graff, Gugitz, Korompay, Storek und Weber an dem großen, rasch vollendeten und mit vielem Beifall begrüßten Werke, dessen Hauptbau, die Rotunde, noch heute als Meisterleistung volle Anerkennung findet. H. wurde hierfür in den Freiherrnstand erhoben. Mit dem Bau des k. k. Naturhistorischen Hofmuseums war inzwischen schon 1872 begonnen und zugleich von Februar bis April d. J. an den Situationsplänen für das k. k. Hofburgtheater gearbeitet worden, das nach Hasenauer’s Vorschlag auf seinen heutigen Platz außerhalb des Volksgartens zu stehen kam. Am 16. Juli d. J. bestätigte der Kaiser den Abschluß des Vertrages mit den beiden Architekten für die Ausführung der beiden Hofmuseen, für deren reichste plastische Ausstattung Semper 1874–75 ein tiefdurchdachtes umfassendes Programm mit Zuweisung jedes einzelnen Auftrages an die ihm hiefür geeignet erscheinenden Bildhauer Wiens feststellte. Von ihnen sind u. v. A. Benk, v. Hofmann, Kundmann, Lax, Tilgner, Weyr und Zumbusch am naturhistor. Museum beschäftigt worden, von Malern Bernatzik, J. v. Blaas, Canon, Darnaut, J. Hoffmann, L. H. Fischer, v. Lichtenfels, L. Munsch, Obermüllner, J. v. Payer, R. Ruß, Schäffer, Schindler, Schönn und Zimmermann.

Die decorative Ausstattung war ja immer Hasenauer’s starke Seite gewesen und von Semper voll und ganz anerkannt worden. Als Letzterer aus seinem schließlich unleidlich gewordenen Verhältnisse zu H. schied und zunehmende Kränklichkeit Semper auch die Ausübung des ihm mit Sitz und Stimme im Baucomité eingeräumten Amtes erschwerte († 1879 in Rom), oblag H. die gesammte Bauleitung nunmehr allein. Und es gab trotz der bereits vorliegenden Pläne noch genug zu thun. Das naturhistorische Hofmuseum ist erst am 10. August 1889, das kunsthistorische gar erst am 17. October 1891 vollendet worden. Letzteres umfaßt bei einer Längenausdehnung von 168 und einer Tiefe von 74 Metern nicht weniger als 198 Säle und Nebenräume. Die gesammte Baufläche jedes einzelnen Museums beträgt 10 778 Quadratmeter, die durchschnittliche Höhe 26 m, bis zur Kuppel jedoch einschließlich der Figur 64 m. Im Kunsthistorischen Hofmuseum konnte sich dann Hasenauer’s hervorragender Schmucksinn besonders bethätigen. Es sollte nicht bloß einen nüchternen Rahmen für die Werke der alten Kunst abgeben, sondern selbst ein Kunstwerk sein. Eisenmenger, L. H. Fischer, Karger, die Brüder Klimt, Makart, Matsch, Munkácsy, R. Ruß und Simm besorgten die decorative Malerei, Benk, Gastell, Kundmann, Tilgner, Weyr die Bildhauerarbeiten. Carrara-, französischer, italienischer, Engelsberger Marmor, schweizerischer, österreichischer, italienischer und belgischer Kalkstein und schwedischer Granit wetteifern mit Detoma’s farbigem Stuck und prächtigen Bronzebeschlägen. Es ist der üppigste Kunstpalast, der je gebaut worden. Nicht mit Unrecht [50] nannte man H. den „bauenden Makart“. Zweifellos war er der malerisch begabteste unter den großen Architekten, die Wien in jenen Jahrzehnten besaß. Dieses decorative Genie hat er am stärksten in der Ausschmückung des k. k. Hofburgtheaters bethätigt, dessen grundlegender Entwurf freilich, wie erwähnt, ebenso wie die Gestaltung der Façade und der inneren Saaldecke ebenfalls auf Semper zurückgehen. Der letzteren hatte Semper seinen nicht zur Ausführung gelangten Entwurf für die Decke des Theaters von Rio de Janeiro aus dem Jahre 1859 zu Grunde gelegt. Am 16. December 1871 waren, wie erwähnt, die Grundrißskizzen für das Burgtheater von beiden Architekten unterzeichnet worden.

Als Semper am 24. Mai 1876, gerade ein Jahr schon nach der Unterzeichnung des Vertrages für die Ausführung des Hofburgtheaters, auf sein Ansuchen von seiner Stellung als Compagnon Hasenauer’s enthoben wird, ist H. in der decorativen Ausstattung insbesondere des Inneren vollkommen frei und unbehindert. So kann die nach der Eröffnung mit Recht viel getadelte Leierform des Logengrundrisses nicht Semper allein in die Schuhe geschoben werden. Denn von seinem Ausscheiden bis zur Eröffnung des Hauses vergingen noch zwölf Jahre. Es ist erst 1888 seiner Bestimmung übergeben worden. Seine Baufläche beträgt über 5573 Quadratmeter, die innere Saalbreite zur Länge 15,20 zu 21,35 Meter und die Höhe 17,53 Meter. Der Gesammtfassungsraum war auf 1474 Personen berechnet. Die Bühne ist 30,80 Meter breit, 20,95 Meter tief und durchschnittlich 27,90 Meter hoch. Die Hinterbühne mißt 12,30 Meter Breite zu 10,85 Meter Tiefe und 9,50 Meter Höhe. Es handelt sich also um gewaltige Abmessungen, die zum Theil Ursache der wenig günstigen akustischen und optischen Wirkung gewesen sind. Ueber die künstlerische Ausstattung herrschte freilich nur eine Stimme der Bewunderung. Ein ganzes Heer von Künstlern war betheiligt gewesen. Gleich den anderen monumentalen Hauptbauten des modernen Wien, ja in noch höherem Maße wie sie erscheint das Burgtheater als die „Sammelstelle des malerischen und plastischen Kunstvermögens jener Epoche“. Es ist römische Renaissance in der Wiener Mundart, in gesteigerter Ueppigkeit und vorwaltend decorativer Richtung. Von Bildhauern trifft man hier Benk, J. Beyer, Costenoble, Düll, Fritsch, J. Gasser, E. v. Hofmann, Kalmsteiner, Kauffungen, O. König, Kundmann, Lax, Natter, Scharff, Silbernagel, Tilgner, J. P. Wagner. Von Malern E. und H. Charlemont, Eisenmenger, C. Geiger, Hynais, Karger, die Brüder Klimt, Matsch und R. Ruß. Das Foyer beherbergt eine ganze Ahnengalerie berühmter Burgschauspieler. Das hervorragend vertretene Wiener Kunstgewerbe, dem hier Gelegenheit zu vollster Entfaltung geboten war, nähert sich hiebei aber auch anderen späteren Stilrichtungen wie der Barocke und dem Louis XVI.-Stil. Das alles konnte freilich die Mängel im Sehen und Hören nicht verdecken. Und so entschloß man sich nach Hasenauer’s Tod zu einem Umbau des Zuschauerraumes, welcher vom Ministerialrath E. v. Förster 1897 binnen fünf Monaten in zufriedenstellender Weise durchgeführt worden ist.

Außer diesen großen Werken hat H. jedoch auch zahlreiche kleinere durchzuführen gehabt. Namentlich Landhäuser wie die Villa Gerold in Neuwaldegg, die Villa Zang am Grünberg nächst Wien, die Villa Weiß am Traunsee. Von Wiener Stadthäusern den Aziendahof auf dem Graben, den Palast des Grafen Lützow in der Giselastraße sammt Inneneinrichtung, das große Hoftheaterdepot in der Dreihufeisengasse mit Malersälen und Werkstätten, dann das kaiserliche Lustschloß nächst Lainz im k. k. Thiergarten sammt der inneren Ausstattung. Schließlich die Architekturen für das Tegetthoff-Denkmal, für [51] das Denkmal der Kaiserin Maria Theresia und Grillparzer’s. Ueber dem langwierigen Bau der kaiserlichen Hofburg, von der er nur die Dachgleiche des einen Flügels erlebte, ist er am 4. Januar 1894 gestorben, nachdem er 1879 den Titel eines k. k. Professors und nach Hansen’s Rücktritt 1884 dessen Lehrkanzel an der Akademie der bildenden Künste erhalten hatte.

Josef Bayer, Das k. k. Hofburgtheater als Bauwerk mit seinem Skulpturen- und Bilderschmuck. Wien, Gesellsch. f. vervielfältigende Kunst 1896; – Vom neuen Hofburgtheater. In „Die graphischen Künste“. Wien 1896; – Das k. k. Hofburgtheater vor und nach der Rekonstruktion. Mit Ergänzungen zur Baugeschichte. Supplementheft zum III. Bande des Gesammtwerkes „Die Theater Wiens“. Wien 1900. – Doderer, Nekrolog: Architekt Karl Freiherr v. Hasenauer. Allgem. Bauzeitung. Wien 1894. – C. v. Lützow, C. Freiherr v. Hasenauer. Nach persönlichen Erinnerungen. Zeitschrift des österr. Ingenieur- u. Architektenvereins, 1894; – Wiener Weltausstellung: Die Architektur. Zeitschr. f. bildende Kunst. VIII. Jahrg. 1873; – Wiener Neubauten u. ihr Schmuck. Zeitschr. f. bildende Kunst. Neue Folge I, 1890; – Das kunsthistor. Hofmuseum. Zeitschr. f. bildende Kunst III, 1892. – Manfred Semper, Hasenauer und Semper. Eine Erwiderung und Richtigstellung. Allgem. Bauzeitung. Wien 1894. – Die k. k. Hofmuseen in Wien und Gottfried Semper. Drei Denkschriften Gottfried Semper’s. Hrsg. von seinen Söhnen. Innsbruck 1892. – Bruno Bucher, Semper und Hasenauer. Beil. z. Allgem Ztg., München 1895.