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ADB:Hasenclever, Richard

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Artikel „Hasenclever, Richard“ von Moritz Blanckarts, Franz Heinrich Reusch in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 736–737, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hasenclever,_Richard&oldid=- (Version vom 17. November 2024, 21:30 Uhr UTC)
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Hasenclever: Richard H., theologischer, medicinischer und musikalischer Schriftsteller, Abgeordneter und Mitbegründer der altkatholischen Bewegung, geb. den 16. Mai 1813 zu Ehringhausen bei Remscheid, gest. den 8. Juni 1876 in Düsseldorf. Sein Vater David H. war ein angesehener, hochgebildeter Kaufmann, der mit Henriette Schlosser in glücklicher Ehe lebte. Diese treffliche Frau pflegte sorgfältig die vielseitigen Anlagen des Knaben und leitete seine Erziehung mit verständnißvoller Umsicht. Sie war eine Tochter von Johanna Fahlmer, die Johann Georg Schlosser nach dem Tode seiner ersten Gattin, der Schwester Goethe’s, heirathete. H. besuchte das schöne Stift Neuburg bei Heidelberg, das der Familie Schlosser gehörte, und schwelgte dort in den reichen Schätzen der Bibliothek seines, bereits 1799 gestorbenen Großvaters, die er mit unersättlichem Wissensdrang studirte. Besonders für Musik und Mathematik befähigt, war es sein sehnlicher Wunsch, Künstler zu werden, doch entsagte er demselben seinem Vater zu Liebe, um sich dann auf der Universität Bonn dem Studium der Arzneiwissenschaft zu widmen. Seine Begeisterung für Deutschlands Einheit machte ihn hier zu einem thätigen Mitgliede der Burschenschaft, welche nach ihrer officiellen Auflösung noch geheime Zusammenkünfte bei der Ruine Heisterbach im Siebengebirge hielt, die Hasenclever’s romantischem Sinn besonders zusagten. Auch als Leiter der musikalischen Bestrebungen der Studenten zeichnete er sich aus, sowol in Bonn wie in Berlin, wo er seine akademischen Studien beschloß. Darauf ließ er sich als Arzt in Düsseldorf nieder und hier fand er den geeigneten Boden für seine künstlerischen Neigungen. Er wurde bald ein genauer Freund Karl Immermann’s und componirte zu dessen berühmt gewordenen Dilettantenaufführungen, welche den ersten Anlaß zur Gründung der Düsseldorfer Musterbühne gaben, häufig die erforderliche Musik, u. A. zu „Was Ihr wollt“, die er dann selbst einübte und dirigirte. Auch zu den andern dort lebenden bedeutenden Männern, namentlich den vielen Malern, trat er in freundschaftliche Beziehungen, wie er denn jederzeit durch seine anregende Persönlichkeit leicht werthvolle Verbindungen anzuknüpfen verstand. Im J. 1845 vermählte er sich mit der einzigen Tochter Wilhelms von Schadow, des berühmten Directors der Düsseldorfer Akademie, Sophie, die sich als Dichterin und treffliche Uebersetzerin (Michel Angelo’s, Brizeux’ u. A.) vortheilhaft bekannt gemacht hat. Bald nachher wurde H. Kreisphysikus in Grevenbroich und später leitete er ein Militärhospital, wofür er die Erennung zum Sanitätsrath erhielt. Behufs weiterer Ausbildung in der Arzneikunde, machte er von Düsseldorf aus, wo er sich inzwischen wieder dauernd niedergelassen hatte, eine längere Reise nach Wien und zurückgekehrt, entfaltete er eine erfolgreiche Wirksamkeit bei Epidemieen in den städtischen Hospitälern, zuletzt noch in den Kriegsjahren 1870–71. Auch verfaßte er mehrere medicinische Schriften, darunter [737] ein Buch über das Auge u. A. Dabei fand er aber immer noch Zeit zur Pflege der Musik. Er leitete Privatgesangvereine und größere musikalische Aufführungen, componirte viele schöne Lieder und vielstimmige Vocalstücke, besonders für Kirchengesang, und schrieb ein Büchlein „Ueber die Grundzüge einer rationellen musikalischen Erziehung“ (1874). Eine Zeit lang hegte er sogar den Plan, sich noch ganz der Tonkunst zu widmen und leitete mit bestem Erfolg während eines Winters die großen Abonnementsconcerte in Coblenz, nachdem sein Freund Max Bruch die Stelle des städtischen Musikdirectors dort niedergelegt hatte. Aber auch in politischer Beziehung trat H. mehrfach in die Oeffentlichkeit. Er war mehrere Jahre Abgeordneter Düsseldorfs in der preußischen zweiten Kammer und wurde dann vom Wahlkreise Malmedy-Montjoye-Schleiden in den ersten deutschen Reichstag gewählt, wo er zu den entschiedensten Gegnern der ultramontanen Partei gehörte, der es denn auch gelang, seine Wiederwahl zu vereiteln. Seine eifrigste Thätigkeit aber entfaltete er auf religiösem Gebiet zur Ausbreitung des Altkatholicismus. Theologische Grübeleien hatten ihn Anfangs der vierziger Jahre veranlaßt, zur römischen Kirche überzutreten; die hierarchisch-jesuitischen Bestrebungen derselben erfüllten ihn aber später mit Zorn und Abscheu, und er bekämpfte sie, wo und wie er es vermochte. Er veröffentlichte die Schrift: „Das neue Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes im Lichte der Vernunft und der alten Lehre betrachtet“ (1874[1]), unterzeichnete die Coblenzer Laienadresse, wurde Mitglied der Synodalrepraesentanz und stiftete die altkatholische Gemeinde in Düsseldorf, wo er mehrfach öffentliche Vorträge hielt. Auf dem Congreß in Köln im September 1872, sowie bei anderen größeren und kleineren Versammlungen der Altkatholiken, auch bei den schriftlichen Organisationsarbeiten derselben wirkte er als einer der hervorragendsten unter den Laien, und sein Name wird neben den theologischen Führern stets mit Ehren genannt werden. H. war ein edler, hochherziger Mensch, begeistert für alles Schöne und Erhabene, heiter und liebenswürdig im Umgang und mit einer seltenen Fülle von Wissen und Kenntnissen ausgestattet.[2]

[Zusätze und Berichtigungen]

  1. S. 737. Z. 20 v. o. l.: 1872 (st. 1874). [Bd. 11, S. 795]
  2. S. 737. Z. 29 v. o.: Von R. Hasenclever sind erschienen: „Die Grundzüge der esoterischen Harmonik des Alterthums, im Anschluß an die Schrift des Freiherrn A. v. Thimus über die harmonikale Symbolik des Alterthums“, 1870; „Geistliche Herrschsucht zu allen Zeiten des Christenthums größter Feind“ (der auf dem Altkatholiken-Congreß zu Köln gehaltene Vortrag), 1872. Aus seinem Nachlasse hat Dr. Kuno Stommel zwei philosophische Abhandlungen veröffentlicht: „Zur Analysis der Raumvorstellung“ in den Philosoph. Monatsheften 1877, S. 12 bis 40; „Philosophische Skizzen“ in den Preußischen Jahrbüchern 1877, 3. Heft, S. 255–293. Letzteren sind biographische Notizen beigefügt. [Bd. 11, S. 795]