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ADB:Hasenkamp, Johann Gerhard

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Artikel „Hasenkamp, Johann Gerhard“ von Julius August Wagenmann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 10 (1879), S. 737–739, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hasenkamp,_Johann_Gerhard&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 23:05 Uhr UTC)
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Hasenkamp: Johann Gerhard H., reformirter Theolog und Schulmann des 18. Jahrhunderts, der älteste und bedeutendste des theologischen Brüderkleeblatts, Halbbruder von Fr. Arnold und Joh. Heinrich H., geb. den [738] 12. Juli 1736 zu Wechte, Grafschaft Tecklenburg, Provinz Westfalen, gest. den 10. Juni 1777 in Duisburg. – Aus einfacher westfälischer Bauernfamilie entsproßt, schon im 10. Lebensjahre von einer in seiner Heimath verbreiteten pietistisch-schwärmerischen Erweckung ergriffen, studirte er 1753–55 auf der reformirten Akademie zu Lingen unter den Professoren Mieg und Stosch Philosophie und Theologie. Lebhaft und wohlbegabt, aber unruhig und unklar, nach seinem eigenen Geständniß bald zur Hoffart bald zur Fleischeslust geneigt, sammelt er allerlei Kenntnisse, geräth aber auch auf bedenkliche Irrwege, kommt wegen unberufenen Predigens in Conflicte mit der Polizei, wird von der reformirten Synode wegen Heterodoxie von der Candidatur suspendirt, macht einen Versuch Friedrich den Großen zu bekehren, dem er 1761 ins Hauptquartier nach Breslau nachreist. Aus diesen krankhaften, zwischen unnatürlicher Exaltation und Depression schwankenden Seelenzuständen allmählig zu größerer Ruhe und Klarheit gebracht, wird er 1762 Hauslehrer in seiner Heimath, 1763 in seine Candidatenrechte restituirt, lebt in Berlin, wo Hecker und Sack sich seiner annehmen, und erhält 1766 eine Anstellung als Rector in Duisburg, wo er nun die elf letzten Jahre seines Lebens als demüthiger und frommer Christ und eifriger Schulmann bei beschränktem Gehalt, in glücklicher Ehe trotz schwächlicher Gesundheit mit aufreibendem Eifer und schönem Erfolg für Hebung des verfallenen Gymnasiums und für Pflege christlichen Lebens in seiner Umgebung wirkt. In Berlin war er mit Joh. Albrecht Bengel’s Schriften bekannt und ein eifriger Anhänger der Bengel’schen Schrifttheologie wie der Oetinger’schen Theosophie geworden. Anstatt aber bei der einfachen Schriftwahrheit stehen zu bleiben, huldigte H. theils in Folge seiner eigenen Originalitätssucht, theils unter dem Einfluß seiner Umgebungen, im Verkehr mit Tersteegen, Jung Stilling und besonders Collenbusch, im brieflichen Verkehr mit Lavater, Pfenninger u. A., auch unter Berufung auf angebliche Visionen und Revelationen einer christlichen Jungfrau Anna Dorothea Wuppermann aus Barmen, allerlei besonderen theologischen Lieblingsmeinungen, die am Maßstab der kirchlichen Orthodoxie gemessen als mehr oder minder bedenkliche Einseitigkeiten erscheinen mußten und ihn wiederholt mit der reformirten Provinzialsynode zu Cleve wie mit der Jülich’schen Generalsynode in Conflict brachten. Insbesondere polemisirt er scharf gegen die kirchliche Genugthuungs- und Rechtfertigungslehre, während er im Gegensatz gegen diese eine eigenthümliche Theorie von einer „proportionirten göttlichen Reichsgerechtigkeit“ und von einer genau unterschiedenen „Stufenordnung in der Heiligung“ sich zurechtmacht. Er starb 41jährig an der Auszehrung mit Hinterlassung einer Wittwe und dreier Kinder, die an seinem Bruder Friedr. Arnold H. (s. o.) einen treuen Versorger fanden. – Sein früheres Leben hat er selbst beschrieben in einem Brief an Lavater vom J. 1766: auf Grund desselben hat sein Sohn Christoph Hermann Gottfried H., gest. als Pastor in Vegesack bei Bremen, eine ausführliche Lebensbeschreibung seines Vaters bearbeitet und in der Zeitschrift „Wahrheit zur Gottseligkeit“ (Bremen 1836) publizirt. Dort sind auch die meisten seiner Schriften genannt, die zur Zeit ihres Erscheinens zum Theil großes Aufsehen machten, jetzt aber nahezu vergessen sind. Dahin gehören 1) sieben Programme „De liberorum educatione“, Duisburg 1767–70, 2) „Theses contra Socinum“, 1770, 3) „Predigten im Geschmack der drei ersten Jahrhunderte nebst einer Rede bei Tersteegen’s Begräbniß“, 1773, 4) Verschiedene Schriften, herausgegeben von Lavater 1772, 5) „De optima cum Judeis de religione disputandi ratione“, 1772, 6) „Unterredungen über Schriftwahrheiten“, 1775, 7) „Ein christliches Gymnasium nach dem Herzen des Königs von Preußen“, 1776. In der deutschen Litteraturgeschichte hat H. eine gewisse Berühmtheit durch sein Zusammensein mit Goethe, Lavater, Jung Stilling u. A. auf der bekannten Rheinreise 1774.

[739] S. Meusel’s Lexikon V, 208 ff.; Max Göbel in Herzogs theol. R.-E. 2. Aufl. Bd. V, 631 ff.; Ehmann, Briefwechsel zwischen Lavater und Hasenkamp, Basel 1870; Frank, Gesch. der protest. Theologie, III, S. 216.