ADB:Hecker, Julius
A. H. Francke’s zu erfahren, dessen letzter Vortrag ihm durch das ganze Leben unvergeßlich blieb. Seine theologischen Studien leiteten außerdem Breithaupt, Vater, Lange, Rambach und die beiden Michaelis[WS 1]. Tüchtig vorbereitet, übernahm er bereits im November 1729 ein Lehramt am Pädagogium und entfaltete sofort im Kreise gleichgesinnter junger [209] Männer eine sehr vielseitige und für seine Schüler höchst ersprießliche Thätigkeit. Nachdem er mit Unterricht im Lateinischen, in Arithmetik und Geschichte begonnen hatte, übernahm er beim Aufsteigen in höhere Classen auch Unterricht in Geschichte der deutschen Sprache, Bildung und Beredsamkeit, in der Religion, im Hebräischen und Griechischen, in den römischen Alterthümern, bald auch in Botanik, Anatomie, Physiologie, Chemie und Materia medica. Aus solcher Thätigkeit gingen dann auch seine ersten Schriften „Einleitung in die Botanik“ (1733) und „Betrachtung des menschlichen Körpers nach der Anatomie und Physiologie“ (1734) hervor. 1735 erhielt er einen Ruf als Prediger und Schulinspector an das große Militärwaisenhaus zu Potsdam, die großartige Stiftung König Friedrich Wilhelms I., die ganz nach den Francke’schen Grundsätzen eingerichtet war. Hier kam er auch bald in ein erfreuliches Verhältniß zum Könige, der seine Prinzen in der Naturgeschichte durch ihn unterrichten ließ. Das königliche Vertrauen übertrug ihm bereits 1738 das Amt des ersten lutherischen Predigers an der Dreifaltigkeitskirche der rasch aufblühenden Friedrichstadt von Berlin, im August 1739 begann an dieser Kirche, deren Patronat der König selbst übernommen hatte, neben einem reformirten Prediger (Jablonsky) seine bald einflußreiche Thätigkeit. Es läßt sich denken, daß auch Friedrich der Große Hecker’s eifrige Bemühungen nachdrücklich unterstützte. Als Prediger und Seelsorger im Geiste Spener’s thätig, wandte er auch der vielfach vernachlässigten Jugend die größte Theilnahme zu. Er vermehrte zunächst die Zahl der Elementar- und Armenschulen in der Parochie, verschaffte sich Mittel für seine wohlthätigen Zwecke durch Einrichtung einer Schullotterie, deren Loose über ganz Deutschland verbreitet wurden, und stellte dann die an seine Treue gewiesenen Schulen unter einen besonderen Inspector, während er zugleich den Unterricht dieser Schulen erweiterte. Nachdem er hierauf ein eigenes Schulhaus erworben hatte, erschien 1747 seine epochemachende „Nachricht von einer öconomisch-mathematischen Realschule, welche bei den Schulanstalten der Dreifaltigkeitskirche am Anfange des Maimonats dieses Jahres eröffnet werden soll.“ Er sprach darin mit eben so viel Begeisterung als Klarheit von einem Unternehmen, das er getrost an die großen Schulreformen des 16. Jahrhunderts anknüpfte, er stellte seine aus einer ganzen Reihe von Classen bestehende Schule mit Zuversicht neben die lateinischen Schulen, die bisher eine fast ausschließliche Geltung gehabt hatten, und bezeichnete sie als den verschiedensten Bedürfnissen und Ansprüchen des Lebens, die so lange unbefriedigt geblieben, wirksam entgegenkommende. In solchem Sinne versprach er nach und nach acht Classen einzurichten, eine mathematische, eine geometrische, eine architektonische, eine geographische, eine physikalische, eine Manufactur- und Commerzienclasse, eine ökonomische, eine Curiositäten- oder Extra-Classe. Das Zeichnen sollte zu mehreren Classen hinzukommen. Die Methode sollte durchweg eine praktische, auf vielfache Anschauung und fortwährende Anwendung gerichtete sein, stieß aber freilich bei der Durchführung auf zahlreiche Schwierigkeiten: es fehlte vor allem an Lehrmitteln und Lehrkräften. Aber H. ermüdete nicht und brachte eine Classe nach der anderen zu Stande, während er zugleich für Instrumente und Modelle sorgte. Damit die Menge der vorzuführenden Unterrichtsgegenstände nicht verwirrte, sorgte er für zweckmäßige Abwechselung nach Zeit und Zweck. Es könnte auffallen, daß er nun doch auch lateinischen, griechischen und hebräischen Unterricht in den Rahmen seines Planes mit aufnahm; aber er ließ dabei die Realien in einer den Gelehrtenschulen noch gar nicht gewöhnlichen Weise zu ausgedehnterem Rechte kommen und behandelte den sprachlichen Unterricht nach vereinfachender Methode. Eine besondere Sorgfalt wandte er den Mädchen zu: sie sollten nicht allein im Christenthum, sowie im Lesen, Schreiben und Rechnen, [210] sondern auch in Geographie und Historie, im Zeichnen und in weiblichen Handarbeiten, ja selbst im Französischen unterrichtet werden.
Hecker: Johann Julius H., der berühmte Gründer der Realschule in Berlin, geb. den 2. November 1707 zu Werden an der Ruhr (in der Grafschaft Mark), † den 24. Juni 1768 in Berlin. Sohn und Enkel von Schulmännern, erhielt er den ersten Unterricht bis zum 14. Lebensjahre in der von seinem Vater geleiteten Schule und wurde dann dem Gymnasium in Essen übergeben, dessen Rector Joh. Heinr. Zopf großen Einfluß auf ihn gewann. Schon hier wandte er neben den alten Sprachen auch der Geschichte, Geographie und Redekunst großen Eifer zu; für die Naturwissenschaften war seine Theilnahme schon durch den Vater geweckt worden. 1726 bezog er die Universität Halle und hatte so noch Gelegenheit, den wohlthätigen EinflußDer König begleitete Hecker’s Bemühungen mit der eingehendsten Aufmerksamkeit, er gab ihm ausgedehnte Vollmachten, ermunterte ihn durch vielfache Unterstützungen und verlieh seiner Realschule das Privilegium einer Buchhandlung (1749), bald darauf auch (1750) das Privilegium zum Druck eines öffentlichen Zeitungsblattes von den merkwürdigsten Sachen aus dem Reiche der Natur, der Staaten und Wissenschaften. Zugleich sah er sich, wie einst A. H. Francke, durch Spenden der Wohlthätigkeit so reichlich gefördert, daß er zu größerer Ausdehnung seiner Anstalt sich ermuthigt fühlte, ein großes Pensionat anlegte und bei der steigenden Frequenz auch die Schulräume immer mehr erweiterte. Besondere Sorgfalt widmete er dabei den Kindern der Armen. Fast in jeder Straße fanden die Armenkinder eine wohl eingerichtete und sorgfältig beaufsichtigte Schule, welche gute Lehrbücher für sie in Bereitschaft hatte. Später konnten solche Kinder auch in die Classen der Realschule eintreten. 1771 betrug das für arme Kinder bezahlte Schulgeld über 4000 Thaler. Schon seit 1746 hatte er auch eine Anstalt für Lehrerbildung zu schaffen gesucht, und 1753 wurde ein öffentliches Küster- und Schulmeister-Seminar mit der Realschule verbunden, in welchem zunächst vor anderen Handwerksburschen aufgenommen wurden, die später neben dem Unterricht dann noch ein Handwerk treiben konnten.
Daß Hecker’s Bestrebungen nicht ohne Anfechtung blieben, erklärte sich leicht. Auch hatte er nicht selten, trotz der von Wohlthätigen ihm gereichten Hilfe, mit großen finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Die Buchhandlung brachte später freilich einen Reingewinn von 1900 Thalern; allein das Zeitungsblatt ging schon in den Anfängen des siebenjährigen Krieges ein, und die Schullotterie gewährte nicht mehr die gehofften Zuflüsse. Aber seine Freudigkeit wankte nicht, ja sie steigerte sich unter den Mühen einer nach allen Seiten sich verzweigenden Thätigkeit. Da kann es nicht auffallen, daß des Königs Vertrauen die Kraft des ehrwürdigen Mannes auch für weitere Kreise in Anspruch nahm. Schon 1750 war er Mitglied des neu errichteten lutherischen Oberconsistoriums geworden, 1766 hatte er im Auftrage dieser Behörde die lutherischen Landschulen des Herzogthums Cleve und der Grafschaft Mark einer eingehenden Prüfung zu unterziehen. Sein im traurigsten Kriegsjahre (1759) erstattetes Gutachten über die Nothwendigkeit, durch Reform der lateinischen Schulen dem Zudrange Unfähiger zu den Universitätsstudien zu steuern, ist Ausgangspunkt zu sehr folgenreichen Anordnungen geworden. Ein bedeutsames Referat wurde ihm in Bezug auf die Landschulen 1763 aufgetragen. Besondere Mühewaltungen verursachte ihm die Reorganisation des Waisenhauses in Frankfurt a. O., die er 1764 übernahm. Und doch gewann er noch Zeit, als Prediger und Seelsorger der Dreifaltigkeitskirche bis in das Kleinste seinen Pflichten zu genügen. „Er war arbeitsam bis zum Erstaunen; aber man merkte es kaum, daß er arbeitete.“ Freilich – daß er so arbeiten konnte, dazu fand er vor allem Kraft in einem nie getrübten Glaubensmuthe, der am schönsten in seinen Predigten (von denen viele gedruckt sind) sich aussprach; aber auch das Glück seines häuslichen Lebens – er war zwei Mal verheirathet und hatte aus beiden Ehen Kinder – sicherte ihm jene heitere Ruhe, die wieder so wohlthätig in engere und weitere Kreise hineinwirkte. – Das Studium der Botanik beschäftigte ihn nebenbei bis in seine letzten Jahre; zu der „Flora Berolinensis“ (1757) hatte er bereits 1742 durch ein erstes Specimen Anregung gegeben. Zu anderen wissenschaftlichen Arbeiten konnte er die Zeit nicht finden, dafür hat er eine Reihe pädagogischer Gelegenheitsschriften veröffentlicht. – Ein höheres Alter war ihm nicht beschieden. [211] Schon 1766 beobachtete er die Vorboten seines Todes; aber unermüdlich thätig blieb er bis zuletzt. Noch am 22. Juni 1768 hatte er den botanischen Garten besucht; zwei Tage später nahm ihn ein sanfter Tod hinweg. Seine Bestattung erfolgte am 27. Juni unter allgemeiner Theilnahme seiner Gemeinde, ja der ganzen Stadt. – Was er gebaut hat, das hat tief greifende Veränderungen erfahren; aber die Ideen, die ihn bewegten, haben ihre wahre Bedeutung noch nicht verloren, und die Spuren seiner Wirksamkeit lassen sich bis in die Gegenwart verfolgen.
- J. J. Hecker’s Ehrengedächtniß. Berlin 1769. Friedrich Ranke, J. J. Hecker, der Gründer der königl. Realschule. Berlin 1847. Kürzere Biographie in Schmid’s Encyklopädie Bd. III. Außerdem vgl. v. Raumer’s Gesch. der Pädagogik, Bd. II.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Johann Heinrich M. und dessen Neffe Christian Benedict Michaelis