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ADB:Heß, Peter von

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Artikel „Heß, Peter von“ von Friedrich Pecht in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 300–303, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:He%C3%9F,_Peter_von&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 14:55 Uhr UTC)
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Heß: Peter v. H., berühmter Schlachten- und Genremaler, geboren in Düsseldorf den 29. Juli 1792, † in München den 4. April 1871, gehört zu jenen bahnbrechenden Künstlern, welche seinerzeit die moderne Münchener Schule begründeten, ja er ist unzweifelhaft der erste bedeutende Realist derselben. Wie Cornelius im Zurückgreifen auf Dürer, so suchte er in der Anlehnung an die Niederländer, zunächst Wouvermann, vor allem aber an die Natur selber eine neue lebendigere Kunstrichtung hervorzurufen, welche im Gegensatz zu der romantischen Schule sich die Schilderung der Gegenwart zur Hauptaufgabe machte. Als Sohn des Hofkupferstechers und Akademieprokessors Ch. H., der selber ein sehr guter Zeichner war, erhielt er von diesem den ersten Unterricht, besuchte dann nach der Uebersiedelung der Akademie in die baierische Hauptstadt 1806 auch diese Anstalt und bildete sich in derselben ebenfalls zu einem sehr strengen und gewandten Zeichner aus. Mit großem malerischen Talent begabt, ein ebenso feiner als kühler Beobachter, der vor nichts Respekt hatte, als vor der Natur, nüchtern, stolz und innerlich abgeschlossen, weltweit entfernt von aller Romantik und Schwärmerei, konnte ihn weder der damals in München herrschende akademische Classicismus der Langer- noch das Nazarenerthum oder das Pathos der ihm folgenden Cornelianischen Schule anziehen. Um so mehr aber das bunte und malerische Volks- und Soldatenleben, in dem er aufgewachsen war, das in unaufhörlichem Wechsel erst in Düsseldorf, dann in München an ihm vorüberzog. Es bildete sich unter diesen Umständen ein Charakter aus, der außerordentlich geschickt war, das Wallenstein’sche Lager, dem Süddeutschland von 1795–1814 glich, in allen seinen Eigenthümlichkeiten zu schildern. Vorgänger hatte er dabei an W. v. Kobell, Alb. Adam und dem Thiermaler und Radirer Klein, die er indeß bald alle übertraf, überhaupt ein so auffallendes Talent entwickelte, daß ihm gestattet ward, die Feldzüge gegen Frankreich in den J. 1813–15 im Hauptquartier des Fürsten Wrede mitzumachen. Die erste Frucht derselben war ein großes Bild der Schlacht von Arcis sur Aube, wo er indeß noch sehr an Kobell’s lederne und steife Art erinnert. Weit bedeutender sind seine kleinen um diese Zeit entstandenen militärischen Genrebilder. So eine „Rückkehr der baierischen Offiziere aus Rußland 1813“, „Reiter, die in einer Scheune Schutz [301] vor dem Gewitter suchen“, ganz besonders aber mehrere Kosakenscenen in Frankreich 1814, Meisterwerke feinen, liebevollen Naturstudiums, wie scharfer, wenn auch etwas trockener Charakteristik der verschiedenen Nationalitäten. Ihre Ausführung zeigt Einflüsse von Wouvermann, aber auch den Altdeutschen, und zugleich die ganze liebevolle Pedanterie seiner Zeit, deren Malerei noch kein Helldunkel und keine eigentlich malerische Behandlung kannte, überall leicht porzellänern wird, weil sie Licht und Schatten gleich glatt und peinlich behandelt, alle Reflexe übertreibt. Um 1818 ging er nach Italien, von wo er ebenfalls einige sehr anziehende Bilder heimbrachte, so „Abruzzische Bauern vor einer Schenke“, „Marino, ein Räuber, sich gegen Gensd’armen vertheidigend“ etc. Bald darauf entstand dann ein „Uebergang der Kosaken und Kirgisen über den Rhein 1814“, eines seiner delikatesten Bilder, und der berühmte „Morgen in Partenkirchen“, dessen poetische Auffassung der bis dahin von der Kunst kaum zu schildern versuchten Hochgebirgsnatur solchen Eindruck machte, daß von da an das baierische Hochland und Tirol mit ihrer Bevölkerung ein Hauptstoff für die deutsche Malerei wurden. Größer, aber auch steifer ist die „Vertheidigung der Kinzigbrücke bei Hanau durch die Baiern unter Pappenheim“, die auch um diese Zeit 1820 entstand, und ein „Gefecht zwischen österreichischen Dragonern und französischen Husaren“. Es folgte 1822 das berühmte „österreichische Lager“, wo wir alle Volksstämme des polyglotten Kaiserstaats mit merkwürdiger Schärfe charakterisirt und den damaligen Zustand seiner Armee besser geschildert finden, als es alle geschriebenen Charakteristiken vermöchten. Seine kalte Objectivität begünstigt hier den Maler außerordentlich, da man vergeblich irgend eine Vorliebe für die eine oder andere Nationalität bei ihm suchen würde, er vielmehr Franzosen und Deutschen, Kosaken und Magyaren mit gleicher kühler Ruhe, aber auch mit gleich feinem Blick für das Malerische gegenübersteht. – Von dem patriotischen Geist, der die Schilderungen Menzel’s durchglüht und so ergreifend macht, ist freilich hier keine Spur zu finden. Selbst nicht in dem zweiten, zu Ende der 20er Jahre entstandenen großen Bilde der „Schlacht von Arcis sur Aube“, das schon einen gewaltigen Fortschritt des Künstlers gegen das erste zeigt oder in den nun folgenden beiden Tirolerschlachten, dem „Gefecht bei Wörgl 1809“ und dem „Kampf beim Paß Strub 1805“, sämmtlich für den Schlachtensaal der Münchener Residenz. Sie zeigen glänzend die Vorzüge des Künstlers: seine außerordentlich gewandte, klare und malerische Anordnung, wo er die wilde Gebirgsnatur mit großem Geschick zu verwerthen weiß, die scharfe Charakteristik der einzelnen Figuren, wie sie alle Schrecken eines solchen Volkskampfes durch den düsteren Ernst einer wilden Landschaft noch gesteigert wiedergeben. Deshalb verschafften sie ihm mit Recht einen großen Ruf, wenn sie auch an künstlerischer Vollendung seinen kleineren Bildern nicht gleichkommen. Denn dazu ist seine Malerei zu stimmungeslos und er zu pedantisch ausführlich, accentuirt das Unwichtigste eben so scharf als das Bedeutendste, und steht diesem zu innerlich gleichgültig gegenüber, da ihm jedes ethische Element, das einen solchen Kampf über eine gewöhnliche Rauferei erhebt, durchaus abgeht. – Es folgte für den Grafen Schönborn „Die Grundsteinlegung zur Constitutionssäule“, eine gelungene Schilderung des damaligen offiziellen Baierns, und ein Jagdbild, wo besonders das Landschaftliche von großem Reiz. Dann ging H. 1833 im Gefolge des Königs Otto nach Griechenland und beschäftigte sich fortan sieben Jahre lang mit Schilderungen des so malerischen Landes und Volkes, wie der germanischen Invasion desselben. Zunächst entstand der „Einzug König Otto’s in Nauplia an der Spitze der baierischen Truppen“ und der jubelnde Empfang desselben durch die Bevölkerung. Es ist das im Ganzen seine künstlerisch bedeutendste Schöpfung, die auch heute noch einen großen Reiz ausübt ob ihrer [302] Naturwahrheit und der überaus malerischen Anordnung des Ganzen, wie der originellen Erfindung der einzelnen Gruppen, endlich der scharfen Charakteristik und korrekten Zeichnung halber. Ja sogar dadurch, daß man jetzt sogleich sieht, was man damals freilich übersah, daß so heterogene Bestandtheile, wie dies hochbegabte Volk und die nicht eben elastische, baierische Bureaukratie unmöglich sich auf die Dauer vertragen konnten. – Es ist seither kaum gelungen, ein solches doch ziemlich äußerliches Cerimonienbild, dessen eine Hälfte überdies aus der kostümlich so unmalerischen militärischen und diplomatischen Suite des Königs besteht, so geschickt und ansprechend zu behandeln, und dabei der Erzählung die ganze Frische des Selbsterlebten zu geben. Ja selbst das Berauschende der bunten Scene weiß der sonst so nüchterne Maler seiner Schilderung zu verleihen. Nicht so glänzend gelungen, aber immer noch vielfach interessant ist der 1839 vollendete Pendant jenes großen Bildes, den Empfang des Königs in Athen am Theseustempel mit der Aussicht auf die Akropolis darstellend. Hier fehlt aber schon die erquickliche Unmittelbarkeit des ersten, die Gruppen sehen viel zu „componirt“ aus, um noch die volle Glaubwürdigkeit zu behalten, auch ist Heß’ peinlich gleichmäßige Ausführlichkeit weit entfernt von der geistvollen Schärfe und der pikanten Lebendigkeit des Menzel’schen Vortrags, da er unähnlich diesem wie den meisten modernen Realisten niemals unmittelbar nach der Natur aufs Bild malte, sondern nur meist mit Bleistift gezeichnete, höchstens leicht aquarellirte Studien benutzte. – Es entstand nun noch eine „Landung der griechischen Truppen in Nauplia“ und eine Anzahl Schilderungen griechischen Lebens, so „Bauern am Meer hinziehend“, „Palikaren vor Athen“ u. a. m. Den Schluß machte eine Schilderung des gesammten griechischen Befreiungskampfes in vierzig Compositionen, die in den Arkaden des Münchener Hofgartens al fresco ausgeführt wurden. Auch hier gelang es dem Künstler, die einzelnen Momente durch jeweils nur ein paar Figuren oft mit großem dramatischem Leben und sogar nicht ohne monumentale Würde zu schildern. Von jetzt an beginnt die innere Kälte, die in seinem Charakter lag, aber immer sichtbarer zu werden. Sie tritt sofort unangenehm hervor in einer Reihe von großen Bildern, in denen er den russischen Feldzug von 1812 im Auftrag des Kaisers Nikolaus schilderte, und deren Ausführung von 1839, wo sie ihn nach Petersburg und dann auf die betreffenden Schlachtfelder führte, bis 1855 dauerte. Die Reihe der Conpositionen theilt sich in acht große, die Schlachten von Smolensk, Poloczk, Wiasma, Valutina Gora, Krasnoi, Klasigy, Borodino und den „Uebergang über die Beresina“ darstellend und eines Anzahl kleinerer. Das letztgenannte dieser Bilder ist das gelungenste und zeigt in dem wilden Gewühl eine Fülle schön erfundener Motive, mit denen aber die in Folge seiner eben erwähnten Malmethode jetzt oft steif und langweilig werdende pedantische Ausführung nicht mehr gleichen Schritt hält. Denn da der Künstler immer seltener mehr die Natur zu Rathe zieht, wird er auch conventioneller in seiner Behandlung, so daß oft fast nur mehr die Geschicklichkeit der Anordnung und Massenvertheilung einen fesselt und die allerdings steigende coloristische Potenz des Ganzen, seine jetzt meist viel besser als früher gelungene Stimmung uns für die oft lahme Ausführung des Einzelnen entschädigen muß. Dies zeigt sich auch in den 1854 und 1856 entstandenen Schlachten von Leipzig und Austerlitz, die fast nur mehr durch die überaus geschickte und klare Disposition, wie die gute coloristische Stimmung Interesse haben, aber des individuellen Reizes im Einzelnen zu sehr entbehren, ein höchst auffallendes Nachlassen der früheren Energie und Feinheit zeigen. Der Schilderung eines Napoleon oder auch nur sonst hochstehender Männer ist hier H. nicht mehr gewachsen, er sieht sie mit den Augen eines ledernen Philisters. Von da an hat der Meister auch nichts mehr von Bedeutung [303] geschaffen, obwol er hypochondrisch und vergessen noch 15 Jahre lebte. Unstreitig hängt dieses frühe Nachlassen seiner Kraft nicht am wenigsten damit zusammen, daß ihm das ethische Element, die Wärme der Begeisterung für Kunst und Leben so ganz abgehen, so daß er statt wie ein Rauch oder Menzel bis ins höchste Alter fortwährend zu wachsen, schon zu einer Zeit zurückzugehen anfängt, wo diese erst recht anfingen. Nichtsdestoweniger sind seine früheren Schöpfungen sehr bedeutend und werden immer einen höchst ehrenvollen Platz in der gesammten Production dieser Periode einnehmen, schon weil sie einen Respekt vor der Natur, ein liebevolles Eingehen auf sie zeigen, die man bei der damaligen deutschen Historienmalerei schmerzlich genug vermißt, nicht minder, weil sie uns eine Zeit und Verhältnisse von der deutschen Seite her kennen lehren, die wir sonst nur durch die Brille der Franzosen betrachten könnten, die sie allerdings ausführlich und ruhmredig genug in ihrem Sinne geschildert.