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ADB:Heidenhain, Rudolf

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Artikel „Heidenhain, Rudolf“ von Paul von Grützner in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 122–127, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heidenhain,_Rudolf&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 05:19 Uhr UTC)
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Heidenhain: Rudolf H. wurde am 29. Januar 1834 in Marienwerder geboren. Sein Vater, der sich auch litterarisch bekannt gemacht hat, war ein hochgeachteter und gesuchter Arzt in genannter Stadt, seine Mutter eine geborene Brandt, von der nahe Verwandte höhere Beamtenstellen in Preußen einnahmen und wohl noch einnehmen. Die Familie war überaus zahlreich; neun Geschwister, darunter vier Aerzte überlebten ihn; noch mehr sind in frühestem Kindesalter gestorben.

Der Bildungsgang von R. Heidenhain bot nichts Besonderes. Nur zeigte sich schon früh in ihm, als er die Bürgerschule und namentlich später das Gymnasium seiner Heimathstadt besuchte, ein strenges Pflichtgefühl und ein peinlicher Fleiß, Eigenschaften, welche im Verein mit der ihm innewohnenden Begabung ihn schon Ostern 1850, also in einem Alter von 16 Jahren die Abgangsprüfung in glänzender Weise bestehen ließen. Von jeher hatte er, sicherlich auch durch seinen Vater angeregt, lebhaftes Interesse für Naturwissenschaften, sowohl für die beschreibenden wie für die exacten, d. h. im vorliegenden Falle für Physik. Nach der Abgangsprüfung bezog H. auf Wunsch seines Vaters zunächst noch keine Universität, sondern erholte sich das erste Sommersemester auf einem benachbarten Landgute, wo er in nahem Verkehr mit der Natur bei einem verständigen Landwirth sich stärkte und kräftigte. Hierauf wurde die Universität Königsberg und nach zweijährigem Studium daselbst die Universität Halle bezogen. Hier war es wesentlich der Kliniker Krukenberg, der schon den Vater Heidenhain’s unterrichtet hatte und nun den Sohn – so war es der stille Wunsch des Vaters – zum tüchtigen klinischen Lehrer heranbilden sollte. Dieser Wunsch ging ihm freilich nicht in Erfüllung; denn H. kam in Halle in nahe Berührung mit dem Physiologen Volkmann, und als er nach wiederum zwei Jahren Halle mit Berlin vertauschte, in vielleicht noch nähere Berührung mit dem Berliner Physiologen E. Du Bois-Reymond. Hier [123] bearbeitete er auch ein physiologisches Thema in seiner Dissertation, welche den Titel führte: „De nervis organisque centralibus cordis cordiumque lymphaticorum ranae“, und im August 1854 erschien. In Berlin schloß er seine medicinischen Studien mit den üblichen Prüfungen ab und wurde Assistent bei Du Bois-Reymond, dem er sein ganzes Leben lang in inniger Freundschaft und Hochachtung zugethan war. Nach drei Semestern kehrte H. nach Halle zurück, habilitirte sich hier 1857 mit der seinem väterlichen Freunde Volkmann gewidmeten Schrift: „Disquisitiones criticae et experimentales de sanguinis quantitate in mammalium corpore exstantis“ und verlobte sich im December desselben Jahres mit Volkmann’s Tochter Fanny. Anfang 1859 erhielt er, also als Mann von 25 Jahren, einen Ruf nach Breslau an Stelle von Reichert, der als Anatom nach Berlin ging. Diesem Rufe leistete er selbstverständlich Folge und verheirathete sich im August desselben Jahres. Von dieser Zeit an ist er bis an sein Lebensende in Breslau geblieben und hat hier durch unermüdlichen Fleiß und strenge Selbstkritik – denn das waren meines Erachtens die ihn wesentlich fördernden Eigenschaften – alles das geschaffen, was ihn unter die ersten Physiologen Deutschlands gestellt hat. –

H. war unstreitig einer der vielseitigsten neueren Physiologen, da er nicht bloß auf dem eigentlichen, überaus umfangreichen Gebiet der Physiologie, sondern auch auf dem benachbarten der Histologie zahlreiche und Grund legende Arbeiten veröffentlicht und als Lehrer in beiden Fächern Hervorragendes geleistet hat. –

Beginnen wir mit seinen Arbeiten über Blut und Blutkreislauf. Seine Habilitationsschrift in Halle behandelte, wie oben mitgetheilt, das Thema der Blutmenge im Säugethierkörper; H. schuf hier keine neuen Methoden, sondern verbesserte nur die schon bestehenden, namentlich die bekannte Welcker’sche, welche darin bestand, daß man zunächst den Thieren durch Verblutung so viel wie möglich Blut entzog und durch weiteres Ausspülen der Blutgefäße mit Wasser aus der Färbekraft dieses blutigen Wassers einen Rückschluß auf die Menge des noch im Thier befindlichen Blutes machte; denn eine bestimmte Menge Blut hat bei gleicher Schichtdecke mit einer bestimmten Menge Wasser gemischt die gleiche Farbe; das venöse Blut färbt aber nach H. etwas stärker als das arterielle, weshalb entsprechende Correcturen anzubringen waren, wenn man genaue Ergebnisse erhalten wollte. So findet H. den mittleren Blutgehalt bei Kaninchen zu 5,5 Proc., bei Hunden zu 7,42 Proc. des Körpergewichtes.

Schon den Studirenden zog offenbar die wunderbare Thätigkeit des wichtigsten Muskels im Körper, des Herzens, an, welches von Anbeginn des Lebens bis zum letzten Athemzuge scheinbar ohne zu ruhen, unausgesetzt arbeitet. Nur selten schlägt es schneller oder langsamer, als gewöhnlich, und eine Anzahl von Versuchen sind angestellt worden, um diese Abweichung von der Norm, sowie überhaupt den regelmäßigen Rhythmus der Herzthätigkeit zu erklären. Namentlich heutzutage ist die Frage wieder aufgerollt worden, ob die regelmäßige Thätigkeit des Herzens lediglich von Muskelfasern ausgeht oder von Ganglienzellen beherrscht wird; denn daß von außen Nerven an das Herz herantreten und seinen Schlag beeinflussen, ist eine allbekannte Thatsache. H. stellt sich in dieser seiner Erstlingsarbeit auf den Standpunkt, daß der regelmäßige Schlag des Herzens von Ganglienzellen aus erregt wird und kommt in einer viel späteren Untersuchung aus dem Jahre 1882 zu der schon früher von Schiff und Anderen, aber von den damals maaßgebenden Forschern abgewiesenen Anschauung, daß in dem Nervus vagus (des Frosches) nicht bloß Fasern sind, deren Reizung das Herz langsamer und langsamer schlagen und schließlich in erschlafftem Zustande still stehen lassen, sondern auch andere Fasern (H. nennt [124] sie Verstärkungsfasern), welche den Herzschlag häufiger und kräftiger machen und der Erschlaffung entgegenwirken. Auch über die Innervation der Lymphherzen im Frosch, welche nicht das Blut, sondern die in jenem Thiere reichlich vorhandene Lymphe in bestimmter Richtung vorwärts treiben, machte H. Untersuchungen und nimmt wie Volkmann das Rückenmark als Ort an, von welchem die regelmäßigen pulsatorischen Bewegungen dieser Organe geleitet werden.

Außerordentlich lange und eingehend beschäftigte sich H. mit der Innervation des Blutkreislaufs bei Säugethieren. Er hatte vor, die Temperatur des Hirnes zu untersuchen, wenn durch Reizung eines sensiblen Nerven dasselbe in Thätigkeit gesetzt wurde und glaubte, wie bei jedem thätigen Organ seine Temperatur steigen zu sehen. Scheinbar fand dies auch statt; bei genauerer Untersuchung jedoch ergab sich, daß die Temperatur des arteriellen Blutes, mit welchem diejenige des Gehirnes als mit einer constanten Größe verglichen wurde, bei Reizung eines sensiblen Nerven nicht constant blieb, sondern sich senkte. Dies führte H. zur weiteren Untersuchung dieses Gegenstandes, aus der unter anderem hervorging, daß infolge von Reizung sensibler Nerven ungemein viel Blut durch die Gefäße der Haut strömt und die Haut erwärmt, aber weil dieses Blut dabei selbst abgekühlt wird, die Innentemperatur des Körpers sinken läßt. Welcher Art freilich hierbei die motorische Thätigkeit der verschiedenen Gefäße ist, das dürfte wol noch eine offene Frage sein. Es ist aber das Verdienst Heidenhain’s, gezeigt zu haben, daß die bisher geltenden, namentlich von Ludwig und seiner Schule vertretenen Anschauungen, welche die infolge der beschriebenen Reizung sensibler Nerven eintretende Steigerung des Blutdruckes wesentlich auf Verengerung kleiner Arterien bezogen, keineswegs befriedigend waren. Die Thätigkeit der Gefäße muß eine viel complicirtere sein. Schon das Vorhandensein der sogenannten Gefäßerweiterungsnerven der Haut, die H. in Gemeinschaft mit Ostroumoff genauer untersuchte, spricht für diese Annahme. –

Des weiteren befaßte sich H. auch mit der Physiologie der Muskeln und Nerven. Sein wichtigstes Werk über die Muskeln und überhaupt ein Werk ersten Ranges ist unstreitig „Die Untersuchung über die mechanische Leistung, Wärmeentwickelung und den Stoffumsatz bei der Muskelthätigkeit“ (Leipzig 1864). Die wunderbare Maschine des menschlichen und thierischen Muskels, welche allen künstlichen von Menschenhand gebauten Maschinen so außerordentlich überlegen ist, regte, wie leicht begreiflich, H. zu genaueren Untersuchungen über obige Fragen an. Vor allen Dingen interessirte ihn der mechanische Nutzeffect der Muskelmaschine. Wieviel Material mußte verbrannt oder ganz allgemein ausgedrückt, zersetzt werden, um gewisse Arbeitsleistungen auszuführen? Da fand nun H. die ungemein wichtige Thatsache, daß der Muskel sich auf das genaueste den an ihn gestellten Anforderungen anpaßt. Hat er eine kleine Last zu heben, so verbraucht er nur sehr wenig Material. Verlangt man viel von ihm, so verbraucht er sofort mehr Material und gleicht in dieser Beziehung den sparsam arbeitenden Gaskraftmaschinen, die sich sofort schwächer heizen, wenn sie infolge geringerer Arbeit schneller anfangen zu laufen. Dieser Fund war nach Fick „eine der bedeutsamsten physiologischen Entdeckungen der Neuzeit“. Bemerkt sei hierbei noch, daß diese Untersuchungen, welche mit hoch empfindlichen Thermosäulen angestellt wurden, außerordentlich große technische Schwierigkeiten darboten.

Die Erregbarkeit der motorischen Nerven wird von ihm genauer untersucht, ein kleiner Apparat – der mechanische Tetanomotor – construirt, welcher durch schnell aufeinander folgende leichte Schläge einen einzigen Nerven an [125] ganz bestimmter Stelle erregt und so die unliebsamen Ausbreitungen elektrischer Erregungen auf andere Nerven vollkommen vermeidet, schließlich das sogenannte Motorischwerden des sensiblen Lingualis genauer untersucht, nachdem der motorische Nerv der Zunge, der Hypoglossus einige Tage durchschnitten ist. H. findet, daß die übrigens sehr langsame Bewegung der Zunge, welche jetzt bei Reizung des Lingualis beobachtet wird, der Hauptsache nach eine chemische Reizung der überaus empfindlichen Zungenmuskulatur ist und mit der Erweiterung der Zungengefäße in engem Zusammenhang steht.

Auch über die Leistungen des Gehirns, insonderheit des menschlichen Gehirns, stellte H. Untersuchungen (größtentheils in Gemeinschaft mit dem Schreiber dieser Zeilen) an, die, so merkwürdig das klingt, durch die Vorführungen eines herumziehenden „Magnetiseurs“, des Dänen Hansen veranlaßt wurden. Im Januar 1880 wurde nämlich die Stadt Breslau durch jenen Künstler in unheimliche Aufregung versetzt. Die größten Säle waren zu klein, um die Menschenmengen zu fassen, welche jene wunderbaren Experimente sehen wollten. Worin bestanden aber diese Wunder? Nun, Hansen ließ, während eine einförmige, einschläfernde Musik ertönte, beliebige aus dem Publicum ausgewählte Leute auf einen glänzenden Glasknopf sehen und bestrich sie dann mit „magnetischen“ Strichen, indem er mit leicht zitternden Händen, meistens ohne sie zu berühren, über ihren Körper von oben nach unten hinwegfuhr. Viele von den so behandelten Personen waren dann unfähig, ihre Augen zu öffnen; sie geriethen durch weitere magnetische Striche in einen schlafähnlichen Zustand, in welchem sie zu Automaten wurden und auf Befehl des Magnetiseurs die unsinnigsten Handlungen ausführten, z. B. mit Entzücken Aepfel von einem in ihrer Phantasie vor ihnen stehenden Baume pflückten und sie mit Hochgenuß verzehrten, während sie vielleicht eine Kartoffel anbissen. Mit einem leichten Anblasen aus ihrem Schlafzustande geweckt, wurden sie plötzlich das Lächerliche ihrer Lage gewahr und veranlaßten stürmische Heiterkeitsausbrüche der zahlreichen Zuschauer. Viele von ihnen – wie Berger zuerst feststellte – sahen, hörten und fühlten thatsächlich alles, was man ihnen einredete. Manche verloren auch die Herrschaft über ihre Muskeln, welche durch leichtes Bestreichen so fest wie Eisen wurden. H. und ich machten uns nun daran, diese Thatsachen, welche die große Menge höchst einfach für „Schwindel“ erklärte, zu prüfen und zu wiederholen, nachdem H. ganz zufällig bei einem seiner jüngeren Brüder diesen magnetischen Schlaf erzeugt hatte. Es wurde dann von uns unzweifelhaft durch viele mannigfache Versuche festgestellt, daß gewisse Personen durch oben erwähnte Proceduren in jenen wunderbaren Zustand des „Hypnotismus“ versetzt werden konnten, in welchem sie thatsächlich jene oben erwähnten, höchst wunderbaren und geradezu aufregenden Erscheinungen darboten.

H. faßte in seinem Büchlein: „Der thierische Magnetismus“ diese Erscheinungen als Hemmungsvorgänge in der Großhirnrinde auf. Ich möchte sie lieber als Ausschaltungen gewisser sonst normaler Verknüpfungen bezeichnen, wie sie physiologischer Weise z. B. im Schlaf d. h. im Traum vorkommen. Psychologisch von größter Wichtigkeit scheint mir hierbei noch die namentlich von späteren französischen Forschern weiter verfolgte, aber auch von uns schon beobachtete Thatsache zu sein, daß man Leuten, welche sich im hypnotischen Zustande befinden, Handlungen befehlen kann, die sie dann in wachem (ich möchte hinzufügen halbwachem) Zustande ausführen und daher regelmäßig behaupten, sie hätten jene Handlungen durchaus aus freiem Willen gethan.

Unmittelbar an jene Untersuchungen über Hypnose schloß sich dann eine [126] experimentelle, in Gemeinschaft mit Bubnoff ausgeführte Arbeit über ähnliche durch elektrische Reizungen ausgelöste Vorgänge im Hundehirn an.

In dem Kreise der Mediciner (nicht bloß der Physiologen), dürfte H. aber wol am bekanntesten geworden sein durch seine Arbeiten auf dem Gebiete der Drüsenthätigkeit. Schon als ganz junger Forscher wendete er sich diesem Arbeitsgebiet zu, das ihn, wie ich aus seinem eigenen Munde weiß, auf das lebhafteste anzog. Er blieb ihm bis an sein Lebensende treu. Daß er gerade hierin so Bedeutendes leistete, lag in der gleichzeitigen meisterhaften Beherrschung der physiologischen Technik und der Histologie. In den Studien des physiologischen Instituts in Breslau veröffentlichte er 1867 seine ersten Untersuchungen über die Unterkieferdrüse, namentlich über diejenige des Hundes und zeigte, das ist der wesentliche Inhalt aller dieser seiner Arbeiten über die Leistungen der verschiedenen Drüsen, daß eine auf natürlichem oder künstlichem Wege in Thätigkeit versetzte Drüse in ihrem histologischen Bau in hohem Maaße verschieden ist von einer ruhenden. In Hermann’s „Handbuch der Physiologie“ hat er dieses umfangreiche Thema in mustergültiger Weise behandelt.

Nach den Speicheldrüsen wendete er sich dem Magen zu, zeigte (gleichzeitig mit Rollett) den complicirten, bisher noch sehr ungenügend bekannten Bau seiner Schleimhaut und die Art seiner Thätigkeit, welche dann durch weitere, sich hieran anschließende Untersuchungen von mir und anderen noch eingehender verfolgt wurde. Aus diesen Arbeiten ging die auch für andere Drüsen geltende Thatsache hervor, daß die Drüsen im Ruhezustand sich mit ihren Abscheidungesproducten (beziehungsweise deren Vorstufen) laden (was ihnen ein eigenartiges histologisches Ansehen verleiht) und diese bei der Thätigkeit ausstoßen. Wie später Langley und andere noch weiter ausführten, werden die Vorstufen der Secrete meistens in Form kleiner Körnchen in den Drüsen abgelagert und dann aus ihnen bei der Thätigkeit entfernt, wodurch die Drüsenzellen gewissermaaßen das Aussehen der Leere gewinnen.

Namentlich am Pankreas konnte dies H. bereits auf das deutlichste nachweisen. Die Leber wurde dann in Gemeinschaft mit Kayser und Affanasieff, die Brustdrüse mit Partsch des Genaueren bearbeitet. Von besonderer Wichtigkeit aber waren seine Untersuchungen über die Thätigkeit der Niere, in denen er im Gegensatz zu Ludwig und in Uebereinstimmung mit Bowman zu der Anschauung kommt, daß in bestimmten Theilen der Niere, nämlich in den Bowman’schen Kapseln wesentlich die Abscheidung des Wassers, in den Nierencanälchen dagegen mehr diejenige der festen, charakteristischen Bestandtheile des Harns zu stande kommt.

Heidenhain’s letzte Arbeiten bezogen sich auf die Bildung der Lymphe und die aufsaugende Thätigkeit des Darmes, indem er hier wiederum wie bei den Drüsen vermittelst des Mikroskops und des physiologischen Versuchs die Lösung seiner Aufgabe in Angriff nahm. Auch hier zeigte sich wieder, daß man, ähnlich wie bei der Thätigkeit der Drüsen, sich alle diese Vorgänge der Abscheidung und Aufsaugung viel zu einfach vorgestellt hatte und nicht – oder nur ausnahmsweise – durch einfache Filtrations- oder osmotische Vorgänge erklären konnte. Im Gegentheil, das Merkwürdige war, daß die Zelle sozusagen ihren eigenen Kopf hatte und geradezu Leistungen ausführte, welche jenen einfachen physikalischen Processen schnurstracks entgegengesetzt verliefen.

Als H. wie gewöhnlich ganz und gar von diesen seinen Arbeiten erfüllt war und immer neue Versuchspläne ersann, um die gewonnenen Anschauungen zu stützen und neue Thatsachen zu gewinnen, wurde er von einer bösen Krankheit daniedergeworfen, welcher er nach monatelangem, qualvollem Leiden [127] am 13. October 1897 erlag. Die Section stellte ein Geschwür des Duodenums fest, welches vielfache schwere Blutungen veranlaßt und zu beträchtlicher Verengerung dieses Darmtheiles geführt hatte. –

H. war nicht bloß ein bedeutender Mann der Wissenschaft, sondern auch ein guter Mensch und hervorragender Lehrer. In seinem Familienleben war er, abgesehen von einigen schweren Schicksalsschlägen glücklich, heiter und zufrieden. Wohl der schwerste Schlag war der Tod seiner Frau, welche nach einem Wochenbett im J. 1867 zugleich mit dem jungen Kinde, einem Knaben, starb. Er hatte noch fünf Knaben, von denen zwei frühzeitig starben, dagegen drei jetzt in geachteten Stellungen thätig sind. Er blieb lange Wittwer und verheirathete sich im J. 1878 zum zweiten Mal mit Mathilde Kohli, der Tochter eines Oberförsters in Marienwerder. Aus dieser ebenfalls glücklichen Ehe entsproßten drei Mädchen. Wie hoch H. in Breslau als Mensch und Mann der Wissenschaft geachtet worden, geht unter anderem auch daraus hervor, daß er nach dem Tode des bejahrten Botanikers Göppert Vorstand der „Schlesischen Gesellschaft für vaterländische Cultur“ wurde und hier durch seine anregende Persönlichkeit, seine vielseitigen Interessen und die packende Gewalt seiner Rede außerordentlich fördernd wirkte. In seinem Hause herrschte stets eine heitere, ungezwungene Geselligkeit; er selbst war glücklich in der nahen und vertrauten Umgebung einiger Collegen, von denen ich den Mineralogen Römer, den Juristen Stobbe, den Theologen Räbiger und den Pathologen Cohnheim besonders nennen möchte.

Die Arbeiten von H. sind veröffentlicht in den physiologischen Studien des Breslauer Instituts, im Archiv für physiologische Heilkunde, in dem Archiv für Physiologie und die bei weitem größte Zahl in Pflüger’s Archiv. Dann ist außer den im Text erwähnten besonderen Schriften über die mechanische Leistung der Muskeln und über den sogenannten thierischen Magnetismus noch zu nennen ein kleines Büchlein, welches auf Veranlassung des preußischen Cultusministeriums verfaßt wurde und über die Berechtigung des Thierexperimentes, die sogenannte Vivisection handelt. Durch eine Fülle unanfechtbaren Materials wird in demselben gezeigt, daß der Thierversuch geradezu unentbehrlich ist für die gesammte medicinische Wissenschaft, und die Einwürfe der Gegner werden als gegenstandslos widerlegt.

Ueber das Leben von H. handelt ausführlich mein Aufsatz Zum Andenken an Rudolf Heidenhain in Pflüger’s Archiv, Bd. 72, S. 221, 1898, woselbst auch ein gutes Bild von H. sich findet.