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ADB:Heine, Salomon

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Artikel „Heine, Salomon“ von Werner von Melle in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 11 (1880), S. 359–361, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heine,_Salomon&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 18:21 Uhr UTC)
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Heine: Salomon H., Banquier, geboren zu Hannover im Jahre 1767, verließ in seinem 17. Jahre seine Vaterstadt mit 16 Groschen in der Tasche und pilgerte auf gut Glück nach Hamburg, wo er, nebst seinem leichten Gepäck von einem Leiterwagen aufgenommen, nicht eben glänzend seinen Einzug hielt. Obgleich seine Kenntnisse sich auf nothdürftiges Schreiben, Lesen und Rechnen beschränkten, und obgleich er weder reiche Verwandte noch Gönner oder Freunde in Hamburg besaß, gelang es ihm hier doch bald vermöge seines Scharfsinns und seiner hervorragenden kaufmännischen Begabung sein Glück zu machen. Nachdem er zuerst Wechsel umhergetragen, fand er bald eine bessere Stellung in einem bedeutenden Banquiergeschäfte, das er später verließ, um sich mit dem Wechselmakler Halle zu associiren. Den Grundstein zu seiner späteren financiellen Größe legte jedoch H. erst im J. 1797 durch das in Verbindung mit seinem Geschäftsfreunde Heckscher begründete Banquierhaus, welches später noch die Herren Levin Hertz und Jacob Oppenheimer als Theilhaber aufnahm. Das Haus bestand mit immer wachsendem Ansehen bis zum J. 1818, wo die Verbindung aufgelöst ward und H. mit einem Vermögen von mehr als einer Million Thaler als alleiniger Chef an die Spitze eines neuen Geschäftes trat. [360] Von nun an entwickelte sich ganz die merkwürdige Spannkraft, der rastlose Fleiß und der selten irregehende Scharfsinn des gewandten und weitblickenden Geschäftsmannes, und der Mannigfaltigkeit seiner großartigen Unternehmungen kamen nur die glücklichen Erfolge gleich, von denen sie gekrönt wurden. So erlangte die Firma Salomon Heine in der Handelswelt endlich einen europäischen Ruf und stand an Geltung und Credit an keinem Platze der Welt den Rothschild’s und anderen Banquierhäusern ersten Ranges nach. Selbst unglückliche Ereignisse wie die bedeutende Krisis des Jahres 1825 konnten Heine’s imposante Stellung nicht erschüttern, und als in den Schreckenstagen des großen Hamburger Brandes von 1842, wo Jedermann besorgt sein Geld an sich hielt, eine bedenkliche Geschäftsstockung einzutreten drohte, da belebte H. von neuem das allgemeine Vertrauen an der Börse, indem er sofort eine Million baares Geld auf den Markt warf, die er sich gegen Wechsel hinzugeben (zu discontiren) bereit erklärte. Außerdem betheiligte er sich bei dem Anlehn von 32 Millionen, welches Hamburg nach den Zerstörungen der Brandtage aufzunehmen gezwungen war, mit acht Millionen und schlug die ihm für sein zerstörtes Haus am Jungfernstieg gebührende bedeutende Versicherungssumme zum Besten der städtischen Feuerkasse aus. Von dem ungeheuren Vermögen aber, das sich H. im Laufe der Jahre erworben, wußte er einen durchaus edlen Gebrauch zu machen. An übermäßigem Prunk fand er nie Gefallen, doch liebte er es in seinem Hause am Jungfernstieg und in seiner Villa an der Elbe seine zahlreichen Freunde sowie Jeden, der ihn interessirte, zur reich besetzten Tafel zu laden. Ausgezeichnete Künstler und hervorragende Fremde, die in Hamburg verweilten, wurden dort selten vermißt, und es herrschte stets der Ton ungezwungener Jovialität, in den der reiche Hausherr oft am lebhaftesten einstimmte. Ceremoniell und Feinheit affectiren war seine Sache am wenigsten; auch in der Gesellschaft von Senatoren wie vor Fürsten und Ministern blieb er der ungenirte aber wegen seines Geistes und seines edlen Herzens von Allen hochgeachtete Jude Salomon H. Schwer ist es von seiner fast unbegrenzten Mildthätigkeit in wenigen Worten einen nur annähernden Begriff zu geben. Wo immer es Noth zu lindern galt, gab er mit vollen Händen und machte sich daneben durch von ihm allein in’s Werk gesetzte Unternehmungen von großartigstem Umfange wie die Erbauung eines Krankenhauses, und die Begründung bedeutender Stiftungen sowie durch Beförderung der Künste um das Wohl des Ganzen hochverdient. Seinem originellen Charakter gemäß liebte er es oft ganz unerwartet mit reichen Gaben hervorzutreten und den Armen als ein rettender Engel in der Noth zu erscheinen. Obgleich Jude und als solcher damals selbst zum Erwerbe des Bürgerrechts unfähig, dachte er doch viel zu tolerant und human, um seine Wohlthaten etwa nur auf seine Glaubensgenossen zu beschränken. Die Gleichstellung der Letzteren, die freilich erst nach seinem Tode in Hamburg erfolgen sollte, blieb aber der Wunsch seines Lebens und bestimmte er, daß, falls diese eintreten sollte, verschiedene seiner speciell für Israeliten begründeten Stiftungen dann auch auf andere Confessionen auszudehnen seien. Ein Neffe Salomon Heine’s war der berühmte Dichter Heinrich H., der bekanntlich mit dem reichen Onkel wegen der ihm seiner Meinung nach nicht in genügendem Maße von diesem zufließenden Geldmittel, vielfach heftige Differenzen hatte. Wurde es einerseits dem praktischen Onkel entschieden schwer die von der seinen so grundverschiedene Sinnesweise des jungen Dichters zu verstehen und zu würdigen, so war andererseits doch auch die geniale Rücksichtslosigkeit des Letzteren wol dazu geeignet, den sonst so gutmüthigen Onkel zu erbittern. Wie sehr aber auch Heinrich H. die Bedeutung des großen Banquiers zu schätzen wußte, erhellt aus vielen Stellen seiner Briefe. So schrieb er z. B. 1824 an Friederike Robert: „Mein Oheim ist ein bedeutender Mensch, [361] der bei großen Gebrechen auch die größten Vorzüge hat. Wir leben zwar in beständigen Differenzen, aber ich liebe ihn außerordentlich, fast mehr als mich selbst. Dieselbe störrige Keckheit, bodenlose Gemüthsweichheit und unberechenbare Verrücktheit – nur daß Fortuna ihn zum Millionär und mich zum Gegentheil, d. h. zum Dichter gemacht, und uns dadurch äußerlich in Gesinnung und Lebensweise höchst verschieden ausgebildet hat“. So mußte selbst der so anders geartete Neffe fast widerstrebend die Congenialität des Oheims auf einem anderen von dem seinigen sehr verschiedenen Gebiete anerkennen. Salomon H. starb am 23. December 1844. Noch am Tage vor seinem Ableben soll er selbst das Circular entworfen haben, worin das Haus H. den Tod seines bisherigen Chefs und sein weiteres Fortbestehen den zahlreichen Geschäftsfreunden anzeigte. Die Spitzen der Behörden, die angesehensten Bürger und eine unabsehbare Volksmenge folgten dem einfachen Sarge des Mannes, der sich nicht nur ein ungeheures Vermögen, sondern auch die herzliche Liebe Aller zu erwerben gewußt hatte.

Salomon Heine, Blätter der Würdigung und Erinnerung für seine Freunde und Verehrer, von Joseph Mendelssohn, 2. Aufl. Hamburg 1845. A. Strodtmann, H. Heine’s Leben und Werke, Berlin 1867–69.