Zum Inhalt springen

ADB:Mendelssohn, Joseph

aus Wikisource, der freien Quellensammlung

Empfohlene Zitierweise:

Artikel „Mendelssohn, Joseph“ von Ludwig Julius Fränkel in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 52 (1906), S. 559–562, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Mendelssohn,_Joseph&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 15:14 Uhr UTC)
Allgemeine Deutsche Biographie
>>>enthalten in<<<
[[ADB:{{{VERWEIS}}}|{{{VERWEIS}}}]]
Nächster>>>
Mertens, Franz
Band 52 (1906), S. 559–562 (Quelle).
[[| bei Wikisource]]
Joseph Mendelssohn (Schriftsteller) in der Wikipedia
Joseph Mendelssohn in Wikidata
GND-Nummer 116877219
Datensatz, Rohdaten, Werke, Deutsche Biographie, weitere Angebote
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Kopiervorlage  
* {{ADB|52|559|562|Mendelssohn, Joseph|Ludwig Julius Fränkel|ADB:Mendelssohn, Joseph}}    

{{Normdaten|TYP=p|GND=116877219}}    

Mendelssohn *): Joseph M., Belletrist und Publicist, wurde am 10. September 1817 zu Jever im Großherzogthum Oldenburg geboren. Sein Name mag nach dem ältesten Sohne des Philosophen Moses Mendelssohnso hieß auch J. Mendelssohn’s Vater, vielleicht auf Grund der damaligen Begeisterung der deutschen Judenheit für ihren „Befreier“, außerdem (Moses Mendelson) ein mit ihm nicht zu verwechselnder Hebraist in Hamburg, der da 1782 oder 1783 geboren und mit ihm zugleich 1842 noch litterarisch thätig war – festgesetzt worden sein. J. Mendelssohn’s Eltern übersiedelten bald nach Hamburg und dort hat er seine zweite Heimath gefunden, so daß er daselbst nicht nur richtig eingewurzelt, sondern auch ein Localschriftsteller geworden ist. Vom Januar 1823 bis Mai 1831 besuchte er dort die sog. Israelitische Freischule unter Direction Dr. E. Kley’s. In letzterem Jahre kam er als Lehrling in die große Buchdruckerei der Firma Friedrich Vieweg in Braunschweig, worin er, nachdem er ausgelernt, 1836 bis Juni 1839 als Gehülfe verblieb. Damals kehrte er nach Hamburg zurück, ließ als Erstling drucken: „Blüthen. Gedichte und Novellen eines Schriftsetzers. Mit einer Vorrede des Geheimraths Fr. v. Strombeck“ (1839) und widmete sich nun ausschließlich litterarischer Beschäftigung. Von Heinrich Heine’s Onkel, dem reichen Bankier Salomon Heine, einem rühmlichst bekannten Wohlthäter, unterstützt, ging M. noch 1839 behufs weiterer litterarischer und allgemeiner Ausbildung nach Paris, kehrte 1841 zurück und erhielt sich künftig als freier Litterat durch die verschiedensten schriftstellerischen Arbeiten. Neben seinen „Pariser Briefen“ (3 Bände, 1841), mit denen er zweifellos in L. Börne’s und Heines Fußtapfen treten wollte, war eine Frucht des französischen Aufenthalts, die, vielleicht irgendwie inspirirte actuelle Schrift: „Ferdinand Philipp, Herzog von Orleans, Kronprinz von Frankreich. Biographie und Charakteristik. Genaueste Schilderung der Katastrophe vom 13. Juli [1842; Todestag]. Würdigung der politischen Stellung des Prinzen, Hinblick auf das System Louis Philipps, auf die veränderte Lage der Parteien in Frankreich, die neugebildete Deputirten-Kammer und die französische Regentschaftsfrage“ (1842). Mit Bildniß des jung verunglückten allbeliebten Fürsten, bildet sie bis heute nun wol die einzige Darstellung der Hoffnungen, die das französische Volk und Herrscherhaus vergebens auf diesen gesetzt hatten. Jedoch hatte sich M. am Seinestrande mit neupolitischen Ideen vollgesogen. Wenigstens bringt deren wol poetischen Niederschlag der gleichzeitig veröffentlichte Band mit dem Untertitel „Dichtungen“ in einer Ausprägung, welche den damaligen deutschen „vormärzlichen“ Tendenzdichtern eben erst anfing geläufig zu werden. Letzteren reiht ihn der Antisemit Wolfgang Menzel ein: „Auch ein Jude, Joseph Mendelssohn, rief 1843 in seinen ‚wilden Blumen‘ seinen Glaubens- [560] und Stammgenossen zu, sie sollten das alte Testament und den Talmud ins Feuer werfen und dem Messias entgegengehen, der mit dem Schwert und den Flammen daherkomme (die Revolution)“. Seinem Gönner – † am 23. December 1844 – widmete M. die Gedächtniß-Monographie „Salomon Heine. Blätter der Würdigung und Erinnerung für seine Freunde und Verehrer“ mit Bildniß (1. u. 2. Aufl. 1844; 3., vervollständigte 1845; s. A. D. B. XI, 361), seinem Geburtslande das Duodezheft: „Eine Ecke Deutschlands. Reisesilhouetten, Oldenburger Bilder, Charaktere und Zustände“ (1845).

Im übrigen hat er seit seiner definitiven Niederlassung in Hamburg journalistisch, als Tagespublicist, überhaupt ums Brot seine Feder schaffen lassen müssen. Sogleich begann er das – übrigens nicht einschlagende – „Panorama der Gegenwart. Redigirt und verlegt von Joseph Mendelssohn. Gedruckt und herausgegeben von W. L. Anthes“, Nr. 1–54, Januar bis 5. Mai 1842 (432 Spalten), mit artistischen Beilagen und dem Beiblatte „Hamburgischer Guckkasten“ (Nr. 1–4, 2.–23. April 1842). Der nervöse Karl Gutzkow, erbittert über die allgemeine üble Aufnahme seiner „Schule der Reichen“ bei der Hamburger Erstaufführung (25. October 1841), mochte sich „so wegwerfen und blamiren“, trotz einhelliger Ablehnung des Stücks durch die Presse einen einzelnen Vertreter seinen Ingrimm ausbaden zu lassen, indem er M. wegen dessen Kritik in dem kaum beachteten „Panorama“ öffentlich zur Rede stellte. Darauf schrieb Franz Dingelstedt’s Kasseler Unterhaltungsblatt „Der Salon“ in Nr. 1 vom 1. Januar 1842 S. 4: „Das sonst so treffliche ‚Athenäum‘ wirft in der letzten Novembernummer von 1841 Gutzkow wegen seines Artikels gegen Mendelssohn – wenn es auch sein Wort glauben will, daß er ihn nicht aus persönlichem Interesse geschrieben – doch großen Mangel an Klugheit vor.“ Von Februar 1843 bis Juli 1844 wirkte M. als Mitredacteur der „Jahreszeiten“, mit deren unabhängigem Redacteur C. F. Vogel er dann aber bös aneinander gerieth. Vogel stellte 1846 in diesem ernst gehaltenen und ernst aufgenommenen Journal (I, 1087) M. an den Pranger als direct „für die Thaliatheater-Kritik engagirt“ auf Grund von Director Ch. Maurice’s (s. oben S. 249) „großer Erfindung, durch die bezahlte Presse Bühne und Publicum zu dirigiren“, nannte (I, 552) das Gehalt dieses „dramatischen Dienstboten“ mit 400 Thalern und spöttelte (I, 612) darüber, daß ein Hamburger Litterat sich „auf das Geschäft förmlich etablire, Bürger werde und ein Weib nehme“. Die Folge war Mendelssohn’s Pamphlet „Die Vogel-Scheuche oder Jahreszeiten-Unfug. Veröffentlicht zur Warnung für Publicum und Litteratur“ (1. u. 2. Abdruck 1846), wie die meisten seit 1845 selbständig gedruckten Arbeiten Mendelssohn’s vom Hamburger Buchhändler B. S. Behrendsohn verlegt, dessen Tochter Radisch (Rosa) M. am 1. Februar 1846 heirathete († 28. Nov. im Wochenbett – ein harter Schlag für M.); darauf geht Vogel’s Anspielung.

Am längsten, nämlich von September 1844 bis Ende 1848, war M. Referent über Kunst- und Tagesleben bei den angesehenen „Wöchentlichen Nachrichten“. Ferner arbeitete er thätig mit an: Wiener Theaterzeitung, Humorist, Rosen, Dresdener Abendzeitung, Grenzboten, Komet, Freischütz, Illustr. Zeitung, Illustr. Theaterzeitung, Europa (hrsg. von A. Lewald) u. a. Kaum griff er in Zeit- und Streitfragen ein: „Der neue Luther!!“, Originalien von Johs. Ronge und über die Deutsch-Katholiken (1845) stammt nicht, „Ueber Zettelbanken, mit besonderer Hinsicht auf eine preußische Landesbank. Nebst Auszügen aus den Statuten und Reglements der österreichischen, bayerischen, französischen und englischen Bank“ (1846) kaum von M., wie die Stoffe seinem Gesichtskreise ferne lagen. Während er am frühen Ende seines Lebens – Tod 4. April [561] 1856 im Allgem. Krankenhause – ein Bündel leichter Waare als „Eine Weihnachtsgabe“ (1855/56), 2. Auflage als „Mosaik“ (1856), vorlegte, zog ihn immer wieder eine unstillbare Liebe zum Theater. Ihre Früchte sind: „Er muß aufs Land. Lustspiel in 3 Akten. Freie [deutsch-aktuelle] Bearbeitung nach Bayard und de Vailly“ (1845), „Ein Weib aus dem Volke, nach Dennery und Mallion“ (1846), „Ueberall Jesuiten! Schwank in einem Akt“ (1846; neue Bearbeitung 1853). Letzteren anscheinend am meisten durchgedrungenen politisch-heitern Einfall Mendelssohn’s, den er in der „Illustrirten Gallerie dramatischer Scenen“ seines „Theater-Teufels“ einmal, wie seine Bearbeitung „Ein Weib aus dem Volke“ viermal in bezeichnenden Gruppen, ohne Autor-Namen allerdings, den Theaterfreunden empfiehlt, bringt Heinr. Kurz mit den weiter für M. unter der Rubrik „Posse“ genannten Stückchen „Eine quittierte Rechnung“ und „Civil und Militär“ (diese zwei ungedruckt?) unter einen Hut, urtheilend, sie „sind nicht ohne komische Kraft“.

Im Mittelpunkt eines einschlägigen journalistischen Unternehmens sehen wir endlich M. bei der curiosen, wol unabsichtlich beim ersten Jahrgang stecken gebliebenen Gründung: „Der Theater-Teufel. Humoristisch-satyrischer Almanach für 1848. Mit Beiträgen von M. G. Saphir, Adolph Glaßbrenner, Carl Töpfer, Joh. Nestroy, Ludw. Löwe, Baron Klesheim, Feod. Wehl, Wilh. Marr, Th. Drobisch, C. A. Schlönbach, W. Gerstel, u. A. m. Herausgegeben von Joseph Mendelssohn. Mit vielen Original-Holzschnitten“, 1848 bei Mendelssohn’s Schwiegervater als Band von 204 Seiten erschienen. Der Herausgeber ist daran mit einer ganzen Anzahl kleiner Artikel und Scherze (meistens „M.“ oder „Theater-Teufel“ gezeichnet), durchweg mit (Hamburger) Zeit- oder Localfärbung, betheiligt, wovon manche gar nicht unwitzig sind. Im übrigen stellt dieser „Theater-Teufel“ sowol in theater- wie in zeitgeschichtlicher Hinsicht eine interessante Publikation, hie und da sogar mit documentarischem Quellenwerth, dar: er ist heute sehr selten und gesucht, aber mannichfach inhaltlich noch auszunutzen.

Lebensdaten über M. nebst genauer Bibliographie in Hans Schröder’s u. A. Lexicon d. hamburg. Schriftsteller V (1867/70), S. 199/201, authentisch (Unterschrift „N. S.“ wol = Nach Selbstbericht; vgl. auch ebenda S. 198 Nr. 2527). Danach sowol Frz. Brümmer, Lexikon der dtsch. Dichter und Prosaisten des 19. Jhs.5 III, 51, als Adolf Kohut, Berühmte israelitische Männer u. Frauen II (1900), S. 121. Einzelnachweise für M. als Theaterkritiker bei Herm. Uhde, Das Stadttheater in Hamburg 1827–1877 (1879), S. 213 f., 150, 238. Die oben angezogene Erwähnung bei W. Menzel in dessen Geschichte der deutschen Dichtung III, 481, diejenige aus Kurz Geschichte der dtsch. Literatur IV, 527 (vgl. 974 a). M(oritz) K(ayserling) in dem kurzen, angegebenermaßen nach Brümmer (s. o.) gefertigten Artikel über M. in The Jewish Encyclopedia VIII (1904), S. 475 gibt die Schrift „Ueber Zettelbanken“ nicht an, welche der wol auch auf Kayserling (wenigstens ist dessen Monographie über Moses Mendelssohn S. 479a dazu citirt) zurückgehende Artikel über des Philosophen Sohn Joseph ebd. S. 479a diesem Namensvetter (1770–1848; vgl. A. D. B. XXI, 324 f.) zuschiebt. Kayser’s Bücherlexikon X (1848), S. 84 stellt diese Bank-Monographie unter unseres Hamburgers übrige Veröffentlichungen. In Maximilian Heine’s „Erinnerungen an Heinrich Heine und seine Familie“ (1868; vorher i. d. „Gartenlaube“ 1866) findet sich weder S. 187–217 im Sondercapitel, noch an andern auf den Onkel Salomon bezüglichen Stellen der geringste Bezug auf Joseph Mendelssohn’s Buch über diesen, wie man gemäß Goedeke, Grundriß zur [562] Gesch. d. dtsch. Dichtung² VIII, 542, Nr. A, II, e annehmen muß; im Gegentheil scheint weder Heinrich Heine noch sein von ihm designirter „künftiger Biograph“ Bruder Max von M.’s schon vorhandener „Biographie des Alten“ (M. Heine, Erinnerungen u. s. w. S. 208) etwas gewußt zu haben. – Der 1846 am sogen. Kassetten-Diebstahl im Mainzer Hof zu Köln mit Assessor Oppenheim, angeblich in Ferd. Lassalle’s Auftrag, zu Gunsten der Gräfin Hatzfeldt betheiligte „Dr. Mendelssohn“ ist mit dem unserer Lebensskizze also nicht identisch!

[559] *) Zu S. 316.