ADB:Heinrich II. (Erzbischof von Trier)
Walter von Geroldseck zu Rom, als dort der Streit zweier Prätendenten um den erzbischöflichen Stuhl von Trier, der Trierischen Archidiakonen Heinrich von Bolanden und Arnold von Schleiden verhandelt wurde. Kurz entschlossen beutete H. diesen Umstand im eigenen Interesse aus und es gelang ihm, von Papst Alexander IV. die Weihe und die Investitur mit dem Erzbisthum Trier zu erlangen (20. August 1260). Im November desselben Jahres zog er feierlich in Trier ein und machte nun alle Anstrengungen, sich gegen das widerstrebende Domkapitel in seiner Stellung zu befestigen und die Mittel zur Erlangung des Palliums zu verschaffen. Im Sommer des Jahres 1261 unterstützte er seinen genannten Vetter, den Bischof von Straßburg, mit 1700 Gewappneten gegen die Stadt Straßburg. Indessen endigte der Feldzug für die Verbündeten ungünstig. Am 13. Juli 1261 wurden die Angreifer, nachdem sie bereits die Mauern einer Vorstadt erstiegen, von den Straßburgern zurückgeschlagen, dann bei Hausbergen besiegt und Heinrich kehrte ruhmlos nach dem Abschlusse eines Waffenstillstandes nach Trier zurück. Dort verwickelten ihn die Ausschreitungen seiner Kriegsleute, namentlich der Brand des der reichen Abtei St. Matthias bei Trier gehörigen Dorfes Krittenach in einen ernsten Streit mit dem Abte dieses Klosters, Theoderich von Warsberg, einem alten Gegner, da dieser zuvor in Rom die Sache des Archidiakonen Heinrich von Bolanden verfochten hatte. Als der Abt auf einer Reise nach Coblenz begriffen war, nahmen erzbischöfliche Dienstmannen denselben gefangen [624] und brachten ihn nach der Burg Turon, wo er beinahe drei und ein halbes Jahr festgehalten wurde. Der Erzbischof bemächtigte sich der Abtei und ihrer reichen Besitzungen, während die Klagen des Gefangenen williges Gehör fanden sowol beim Domkapitel zu Trier, dessen Propst Simon von Franchimont Stiefbruder des Abts Theoderich war, wie bei der Curie zu Rom, wo man die Einlösung des Palliums, ohne welches dem Erzbischof jede kirchliche Funktion verboten war, bis jetzt vergeblich erwartet hatte. Papst Urban IV. cassirte daher am 5. Novbr. 1261 die dem Erwählten von Trier ertheilte Fakultät der Verleihung kirchlicher Beneficien, befahl durch eine ganze Reihe von Bullen vom 22. Novbr. 1261 eine Untersuchung gegen Heinrich von Finstingen wegen Usurpation des erzbischöflichen Titels ohne Empfang des Palliums, Vornahme von Weihen, Simonie, Eidesbruch, Mord, Brand, Raub, Verschleuderung des Kirchengutes, Anlegung von Rheinzöllen etc. und gebot ihm persönliches Erscheinen zu Rom zur Rechtfertigung von diesen schweren Beschuldigungen. H. begegnete dem aufziehenden Unwetter in kluger und entschlossener Weise. Den Abt von St. Matthias ließ er zwar frei, nöthigte ihn aber, das Land zu verlassen und setzte an seine Stelle einen Anderen. Die auf Anrufen des Domkapitels heranziehenden Wildgrafen Conrad und Emich schlug er in einem Gefechte bei Schwarzenberg im Hochwalde (1263). Nach Rom zu gehen entschloß er sich erst lange nach Ablauf der Vorladungsfrist und nach dem Tode des Papstes Urban IV. im J. 1266. Die Rechtfertigung gelang ihm indessen nicht. Nach einem vor Papst Clemens IV. am 5. Januar 1267 bestandenen Verhör wurde H. am 19. Dec. 1267 ab officio et beneficio suspendirt und der päpstliche Auditor Bernhard de Castineto mit der Verwaltung des Erzbisthums Trier betraut. Während des Interregnums fand sich aber kein Vollstrecker des päpstlichen Urtheils in Deutschland. Der päpstliche Verwalter ging zwar dorthin ab, wagte aber das Erzstift nicht zu betreten, sondern hielt sich an der französischen Grenze in Ivoi (Carignan) auf. H., der anfänglich auf seine Besitzungen nach Lothringen sich zurückgezogen hatte, begab sich ermuthigt nach Trier zurück, nahm seine Stellung wieder auf und wohnte im April 1269 dem von dem erwählten römischen Könige Richard von Cornwallis zu Worms abgehaltenen Reichstage bei. Günstigere Aussichten eröffneten sich H. nach dem Tode des Papstes Clemens IV. (29. Novbr. 1268). Gestützt auf eine ihm ergebene Partei im Cardinalscollegium unternahm er nach der Wahl Papst Gregor X. (1. Septbr. 1271) eine zweite Reise nach Rom und operirte gegenüber seinem ebenfalls dort anwesenden Gegner, dem Abte Theoderich von St. Matthias so glücklich, daß der Papst die Gegner versöhnte und H. auf Grund eines Schiedsspruchs von Cardinälen vom 21. Septbr. 1272 in den Besitz seiner Würde und der Verwaltung des Erzstiftes wieder eingesetzt wurde. Indessen nicht ohne erhebliche Opfer. Die Gesta Trevirorum berechnen die Kosten des Aufenthaltes in Rom, des dort geführten Prozesses und den Erwerb des Palliums auf 33000 Mark. Bei der Königswahl Rudolfs von Habsburg zu Frankfurt 29. Septbr. 1273 wirkte H. zustimmend, begleitet von 1800 Bewaffneten, und wohnte am 24. Oct. desselben Jahres der Krönung in Aachen bei. Im Juni des folgenden Jahres finden wir ihn bei dem von Papst Gregor X. zu Lyon abgehaltenen Concil. Der Bau einer Burg an der Moselseite der Stadt Coblenz verwickelte den Erzbischof im J. 1280 in schwere Händel mit dieser aufstrebenden Stadt, welche eben den Bau ihrer Ringmauer vollendete. Nach einer langen Einschließung der widerspenstigen Stadt wurde H. durch einen von den Erzbischöfen von Mainz und Cöln und dem Deutschmeister am 24. Mai 1281 erlassenen Schiedsspruch die Fortsetzung seines Burgbaues, wie der Stadtgemeinde die Vollendung ihrer Befestigungen zugebilligt. Bei einem neuen Aufruhr in Coblenz erzwang der [625] Erzbischof dagegen die gänzliche Verbannung seiner Gegner (1. October 1283). Die letzten Jahre Heinrichs waren elend und schmerzenreich. Wegen seiner Klugheit und Entschlossenheit in Achtung stehend, aber im Lande mehr gefürchtet als geliebt, benutzte er alle Mittel, vornehmlich die Juden, zu Erpressungen aller Art, einstheils um die in Rom aufgewendeten Summen wieder beizubringen, anderntheils um seine Kriegsmacht zu stärken und seine zahlreichen Burgbauten auszuführen. Von Podagra geplagt und von Schlagflüssen gelähmt, unternahm der Erzbischof im Frühjahr 1286 in einem eigens dazu gebauten, mit Leder gedeckten Wagen eine Bittfahrt nach dem Wallfahrtsorte St. Jodokus (St. Josse–sur–mer) im französischen Artois an der flandrischen Grenze und hatte sein Ziel nahezu erreicht, als ein plötzlicher Tod ihn zu Boulogne-sur-mer am 26. April 1286 ereilte. Sein Begleiter, der Archidiakon Werner, brachte die Leiche nach Trier zurück und bestattete sie dort im Dome. Anerkennungswerth, wenn auch im eigensten Interesse erfolgt, ist Heinrichs Thätigkeit in der Befestigung der weltlichen Macht des Kurstaats. Er erwarb dem Erzstifte Trier die Vogteien Bernkastel, Monzelfeld (1280), Münstermaifeld und Wittlich sammt der Burg Malberg in der Eifel (1279), erbaute neu die Burgen Bernkastel (1277), Mayen und Coblenz (1280), vergrößerte und verschönerte den Palast zu Trier und verstärkte die Schlösser zu Saarburg, Pfalzel, Grimburg, Welschbillig, Malberg, Manderscheid, Neuerburg bei Wittlich, Marienburg, Ehrenbreitstein, Montebaur und Hartenfels. Die Städte Mayen und Münstermaifeld umgab er mit Mauern. Seinen Lehenhof verstärkte er durch 31 vornehme Mannen, darunter die Grafen von Homburg im Westrich, die Raugrafen, die von Saarwerden, Veldenz und Zweibrücken. Aus Dankbarkeit für die Erlangung und Behauptung seiner Würde begründete er 1276 das Liebfrauenstift zu Kilburg und ließ dort in romantischer Lage durch den Cistercienser-Mönch Heinrich eine noch erhaltene schöne gothische Kirche erbauen.
Heinrich II., Erzbischof von Trier, 1260–1286, stammte aus dem mächtigen lothringischen Geschlechte der Edelherren von Finstingen (Fénétrange), in deren Gebiete zu Münster an der Saar er im J. 1260 als Domdechant zu Metz das Collegiatstift St. Nikolaus gründete. Heinrich befand sich in einer Mission seines Vetters, des Bischofs von Straßburg,- Hontheim, Hist. Trevir. I 740–820. Günther, Cod. dipl. Rheno-Mosellanus II 296–460. Gesta Trevir. ed. Wyttenbach II cap. CLXXXIX–CLXXXXII. Görz, Regesten der Erzbischöfe von Trier S. 50–56. v. Stramberg, Rhein. Antiquarius I 4. S. 557–565.