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ADB:Wyttenbach, Johann Hugo

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Artikel „Wyttenbach, Johann Hugo“ von Franz Xaver Kraus in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 44 (1898), S. 431–434, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Wyttenbach,_Johann_Hugo&oldid=- (Version vom 16. November 2024, 13:41 Uhr UTC)
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Wyttenbach: Johann Hugo W., Trierischer Historiker und Pädagoge, geboren am 5. April 1767 zu Bausendorf im Amtsbezirke Wittlich (j. Regierungsbezirk Trier, Kreis Wittlich), gestorben als Gymnasialdirector a. D. im 82. Jahre seines Lebens am 22. Juni 1848 zu Trier. Ueber die Jugend Wyttenbach’s wissen wir nichts, er begegnet uns zuerst in der allerdings sehr [432] erlauchten Gesellschaft Goethe’s, welcher gelegentlich der Campagne in Frankreich, 1792, zweimal, auf dem Hinweg nach der Champagne und auf dem Rückzug von Valmy, Trier passirte. Hier besuchte ihn, wie er selbst (Camp. in Frankr. 28. Oct., WW. Stuttg. 1867 XXI 100) erzählt, „ein junger Schullehrer, der ihm verschiedene Journale mittheilte und Gelegenheit gab zu erfreulichen Unterhaltungen. Er zeigte sich in der Kantischen Philosophie unterrichtet und Goethe glaubte ihm hier nützlich sein zu können“. „Mein junger Freund, schreibt Goethe am 29. Oct., mit dem ich gar manche angenehme wissenschaftliche und litterarische Unterhaltung genoß, war auch im Geschichtlichen der Stadt und Umgebung gar wohl erfahren. Unsere Spaziergänge bei leidlichem Wetter waren deshalb immer belehrend, und ich konnte mir das Allgemeinste merken.“

Der „junge Schullehrer“, der den Vorzug hatte, unseren größten Dichter mit den Alterthümern und der Geschichte meiner Vaterstadt bekannt zu machen, war W. Er war etwa 29 Jahre alt, als Trier von den Folgen der französischen Revolution ergriffen wurde. Mit den Franzosen wanderten auch die Ideen der Revolution in die alte Bischofsstadt ein, und W. schloß sich sowohl ihnen als der französischen Regierung an. Später klärten sich seine Ansichten, auch er wurde seit 1815 wieder ein ebenso guter Deutscher, blieb aber immer freisinnigen Ideen zugethan. In den Jahren der französischen Occupation hat er sich ein sehr großes Verdienst erworben, indem er in Verbindung mit einigen Freunden darauf bedacht war, die litterarischen und Kunstschätze der aufgehobenen Klöster zu sammeln und zu erhalten. Unendlich vieles ist damals verloren gegangen, oder von den Franzosen nach Paris verschleppt worden. Immerhin gelang die Rettung und Erhaltung zahlreicher Handschriften und Bücher aus den verschiedenen Stiftern und Abteien der Stadt und Umgegend, welche jetzt mit dem Bestande der alten Universität und des Jesuitencollegiums zu einer Stadtbibliothek vereinigt wurden, an deren Spitze W. (seit 1801?) trat und der er bis in die 40 er Jahre vorstand, wo ihn der Gymnasiallehrer Ph. Laven, zuerst als Unterbibliothekar unterstützte, dann als Nachfolger ersetzte. Als die preußische Regierung nach 1815 den Unterricht in den Rheinlanden reorganisirte, trat W. auch als Director des Gymnasiums ein, in welcher Stellung er ebenfalls erst wenige Jahre vor seinem Tode durch Prof. Loers abgelöst wurde (1846). In den langen Jahren zwischen 1795 und 1848 gab es Niemand in Trier, dem die Wissenschaft und Litteratur mehr als ihm geschuldet hätte. Nächst der Stadtbibliothek und dem Gymnasium war es namentlich die „Gesellschaft für nützliche Forschungen“, welche, unter Napoleon gestiftet und bis heute blühend, seine Thätigkeit in Anspruch nahm. Er war sozusagen die Seele aller auf Erforschung der Trierischen Geschichte und Alterthümer ausgehenden Bestrebungen und der geborene Conservator unserer Denkmäler. Daneben entfaltete er eine sehr rege, litterarische Thätigkeit. Ob der „Republicanische Katechismus, Handbuch für den Unterricht in den Pflichten und Rechten des Menschen und des Bürgers. Zum Gebrauche in den Primärschulen, vorzüglich in der II. Classe. Tugend und Recht“ (Trier bei Hetzrodt im VIII. J. 1799), sein Werk ist, läßt sich nicht mit Sicherheit sagen; als früheste Schriften sind mir von ihm bekannt: „Plan einer inneren Einrichtung für Primärschulen. Entworfen von der im Saardepartement für das Trierische Arrondissement angeordneten, aus den Bürgern Lelievre, Seyppel und Wyttenbach bestehenden Unterrichts-Jury“ (Trier, Hetzrodt und Schröll, Nivose 7. J. 1798 und 1800, auch französisch). – „Denkmal den Wohlthätern des Menschengeschlechts (Trier 1799). – „Rede am 14. Juli 1801 (zur Feier der Erstürmung der Bastille 1789)“. Wyttenbach’s erster wissenschaftlicher Versuch ist daß im „Neuen litter. Anzeiger“ (1807, Nr. 46, S. 725–728) erschienene „Verzeichniß einiger alten Teutschen Druckschriften, welche [433] die öffentliche Stadtbibliothek zu Trier besitzt und von Panzer nicht angeführt sind.“ Ebenda 1808, Nr. 3, S. 47 ff. Nr. 4, S. 53 ff. erschien: „Versuch einer Berichtigung der litterarischen Nachrichten über die verschiedenen Auflagen von Kyrianders Annales Trevirenses“. Seit dem Jahre 1809 unternahm W. den „Versuch einer Geschichte von Trier“, welche ursprünglich in dem „Trierischen Kalender“, dann separat in 5 Bändchen (12° Trier 1810) erschien: eine den heutigen Anforderungen gewiß nicht entsprechende, und namentlich in den ersten Theilen wenig genügende Darstellung, die aber doch eine Menge brauchbaren Materials auf uns gerettet hat und namentlich in der Schilderung der letzten Jahrhunderte unter Benutzung guter Quellen sehr anschaulich und unterhaltend geschrieben ist. Eine Reihe kleinerer Aufsätze folgten ihr. So in der „Trierischen Chronik“ (1817), S. 61 f.: „Nachricht von einer Art von Findelanstalt, der ersten bekannten in Deutschland“, ib. S. 37 f.: „Einige Worte über unsere alte Porta Martis“, ib. S. 104–106, 123–124: „Die unglücklichen Jahre 1635, 1636, 1637 für das Trierische Erzstift“, eb. 1821, S. 44 f.: „Einige Worte über die vorzüglichsten bildlichen Darstellungen auf dem Monument zu Igel“. – Im J. 1826 erschien: „Historisch-antiquarische Forschung über das Alter der Moselbrücke zu Trier“ (Gymnasialprogr.); weiter in der „Treviris“ (1834), Nr. 1–2: „Die römischen Alterthümer Triers und der Umgegend“; Nr. 3–6: „Reste eines römischen Gebäudes, der gewöhnlichen Annahme nach des Constantinischen Palastes“; Nr. 10–14: „Die Porta Martis, auch Porta Nigra im Mittelalter genannt“ ; Nr. 15–17: „Die Reste der römischen Thermen (Bäder)“ ; Nr. 18–20: „Die Ueberreste des Amphitheaters“ Nr. 21–23: „Die antiken Reste der Moselbrücke“; Nr. 24–30: „Das Monument zu Igel“; Nr. 46–49: „Beitrag zur Geschichte der Schulen in Trier“; ib. 1835, Nr. 9–11 „Notizen über früher gefundene antike Gegenstände im Bezirke von Trier“; Nr. 18–23: „Diplomatische Umtriebe im J. 1741. Ein Beispiel aus unserer Landesgeschichte nach Originalquellen“; Nr. 32–34: „Biographie des Peter Schade (gewöhnlich ADB:Mosellanus, Petrus|Petrus Mosellanus]] genannt)“; Nr. 39–55: „Der Weihbischof von Nalbach als Abgeordneter der Kurtrierischen Landstände an den Französischen Hof im J. 1734“; Nr. 60–62: „Fernere Notizen zur früheren Geschichte des Schulwesens in unserm Lande“; Nr. 67: „Noch ein Wort über den Trierer Olevian“; ib. 1836, Nr. 5–37: „Vollständiges Statutenbuch der Stadt Trier aus dem 16. Jahrh.“ – Von selbständigen Schriften gab W. außer diesen, den Trierischen Zeitschriften und manchen dem Beiblatt der „Trierischen Zeitung“ eingerückten Artikeln noch heraus: „Neue Forschungen über die römisch-architektonischen Alterthümer im Moselthale von Trier“ (Trier 1835). – „Gesta Trevirorum integra lectionis varietate et animadversionibus illustrata ac indice duplici instructa nunc primum ediderunt Joannes Hugo Wyttenbach et Michael Franciscus Josephus Müller Trevir.“ (3 Bde. 4° Trier 1836–1839. Diese erste vollständige Ausgabe der Gesta Trevirorum war leider für die älteren Theile und die eigentlichen Gesta recht unkritisch und wurde bald darauf durch die musterhafte Arbeit G. Waitz’ für die ‚Monumenta Germaniae‘ überholt. Aber dadurch, daß sie die bisher in die Mon. Germ. nicht aufgenommenen späteren Geschichtsquellen aufnahm und somit auch die letzten Jahrhunderte der Stadt beleuchtete, sowie durch manche dankenswerthe Anmerkungen, hat sie doch einen bleibenden Werth gewonnen. – Es folgte weiter: „Beitrag zur Geschichte der Schulen im ehemaligen Churfürstenthum Trier“ (Gymnasialprogramm, Trier 1841). – „Forschungen über die römischen Alterthümer im Moselthale von Trier“ (2., deutsche Aufl., Trier 1844). – „Mittheilungen aus der Geschichte von Trier im dritten Decennium des 18. Jahrhunderts“ (Gymnasialprogr., Trier 1845). –

[434] W. war seit 1804 verheirathet mit einer Schwester des als Conservator des Museums Walraf in Köln verstorbenen Malers Ramboux, welcher sich durch die während seines langen Aufenthaltes in Italien gefertigten Umrisse nach Werken mittelalterlicher Kunst aus den Malereien der Frührenaissance bekannt machte, auch den antiquarischen Bestrebungen in seiner Vaterstadt Trier stets seine Aufmerksamkeit erhielt. Aus dieser Ehe stammten, soviel mir bekannt ist, eine Tochter Katharina und zwei Söhne. Wyttenbach’s Frau und Tochter wenigstens überlebten ihn und rühmen in der mir vorliegenden Todesanzeige vom 23. Juli 1848: „eine lange Laufbahn, deren ernste Thätigkeit zwischen der Jugenderziehung und der Wissenschaft getheilt war, ohne ihn unempfänglich zu machen für das Glück stiller Häuslichkeit und den Umgang gleichgestimmter Freunde, schloß er unerwartet und ohne Vorahnung seines nahenden Todes, indem er das natürliche Ende des irdischen Daseins fand. Selbst über seine letzte Stunde war jene Heiterkeit und Ruhe verbreitet, welche er sich unter großen Stürmen, die an seinem Leben vorübergegangen sind, zu bewahren wußte“. Diese Worte seiner nächsten Anverwandten entsprechen nach Allem, was ich von den letzten Zeugen seines Lebens erfahren habe, der Wirklichkeit. Ich selbst habe W. nur als Knabe gesehen, doch schwebt mir noch die edle Gestalt dieses Greises vor, dessen mildes, gütiges Wesen nichts mehr von den Aufwallungen des Revolutionszeitalters verrieth und dessen weithin gerühmte Begeisterung für die Erforschung heimischer Geschichte und Alterthümer uns Jüngeren als leuchtendes Vorbild beim Eintritte ins Leben vorschwebte. Ovid’s Wort: ‚et pius est patriae facta referre labor‘, das er seinem „Versuch einer Geschichte von Trier“ als Motto vorsetzte, war das Stimmungsmotiv dieser Existenz, sie gab einem Leben Werth und Inhalt, dessen Bedeutung für unsere Stadt Goethe aus dem „jungen Schullehrer“ herausgefühlt hatte.