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ADB:Heller, Johannes

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Artikel „Heller, Johannes“ von Oswald Holder-Egger in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 50 (1905), S. 165–167, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heller,_Johannes&oldid=- (Version vom 23. Dezember 2024, 09:42 Uhr UTC)
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Heller: Johannes H., als ältester Sohn des Pastors Heller zu Travemünde am 3. April 1851 geboren, besuchte, nachdem er seinen ersten Unterricht im Vaterhause erhalten hatte, das Gymnasium Katharineum zu Lübeck. Von dort wurde er Ostern 1871 mit dem Zeugniß der Reife entlassen und ließ sich an der Berliner Universität immatriculiren, ohne sich hier noch ernsten Studien hingeben zu können, da er zunächst seine militärische Dienstpflicht im 2. Garderegiment erfüllte. Nach einem Jahre ging er nach Göttingen, um Geschichte zu studiren. Hier wurde Georg Waitz der Lehrer, dem er sich ganz anschloß, der seinen Studiengang bestimmte, der ihn in seiner meisterlichen Weise in die Kritik der mittelalterlichen Geschichtsquellen und vornehmlich in das Studium der deutschen Verfassungsgeschichte einführte. Im Frühjahr 1874 wurde er von der Göttinger philosophischen Facultät zum Doctor promovirt mit seiner Dissertation „Deutschland und Frankreich in ihren politischen Beziehungen am Ende des Interregnums bis zum Tode Rudolf’s von Habsburg“ (Göttingen 1874). Schon vorher hatte er infolge eines glücklichen Gedankens in der Historischen Zeitschrift XXXI (1874), S. 13 ff. den Ursprung der Spanischen Aera zu erklären versucht. Das Sommersemester 1874 brachte er in Wien zu, um bei Theodor Sickel, dem Leiter des Instituts für Oesterreichische Geschichtsforschung, mit den historischen Hülfswissenschaften (Diplomatik und Palaeographie) sich näher vertraut zu machen. Im Herbst 1874 trat er als Hülfsarbeiter bei dem Staatsarchiv zu Breslau ein, gab diese Stellung aber bald auf, da er, wie er mir sagte, dort zu wenig zu thun fand. Nur vorübergehend nahm er Beschäftigung in der Redaction der Schlesischen Zeitung, für welche er die osteuropäischen Angelegenheiten behandelte, an, denn schon wußte er, daß sich ihm binnen kurzem eine Stellung darbieten würde, welche seinen Neigungen und Anlagen besser entsprach. Es wurde damals über die Neubildung der Centraldirection der Monumenta Germaniae historica verhandelt. Nachdem sie sich im April 1875 constituirt und G. Waitz zu ihrem Vorsitzenden gewählt hatte, berief dieser im Mai H. nach Göttingen als Mitarbeiter der Abtheilung Scriptores der Monumenta Germaniae historica. Er übernahm dort zunächst die Vorarbeiten für die Ausgabe der Gesta episcoporum Leodiensium des Aegidius von Orval. Als dann G. Waitz am 1. October 1875 als Vorsitzender der Centraldirection nach Berlin übersiedelte, sandte er H. nach Nordfrankreich und Belgien, um zahlreiche Collationen und Abschriften für die Ausgabe von Geschichtsquellen namentlich der deutsch-französischen Grenzgebiete, aber auch für manche andere Editionen der Monumenta Germaniae (z. B. Jordanis Getica) zu besorgen. Er arbeitete unter meist sehr ungünstigen Verhältnissen während des Winters (Octbr. 1875 bis März 1876) in Metz, Reims, Valenciennes, St.-Omer, [166] Boulogne, Brüssel, Lüttich u. s. w. und brachte reichen Ertrag nach Berlin. Nach kurzem Aufenthalt hier ging er mit Waitz zugleich nach Italien, um in Mailand, Modena, Rom, Venedig ähnliche Arbeiten für andere Gebiete auszuführen. Damals besuchte er auch Neapel und seine Umgebung. Nachdem er im Juli 1876 nach Berlin zurückgekehrt war, fiel ihm selbst zum größten Theile die Verarbeitung des in Frankreich und Belgien gesammelten Materials zu. Er vollendete mit gewaltiger Arbeitskraft schnell hintereinander die Ausgaben der Historia monasterii Viconiensis, von Lambert’s von Ardre Historia comitum Ghisnensium, Wilhelm’s Chronica Andrensis (in Mon. Germ. Hist., Script. XXIV. 1879), des oben genannten Werkes von Aegid von Orval und anderer Lütticher und Metzer Quellen, der Genealogiae ducum Brabantiae, des Chronicon Hanoniense q. d. Balduini Avennensis, die er durch einen Aufsatz im Neuen Archiv d. Ges. f. ältere Deutsche Geschichtskunde VI, 129 f. (1880) vorbereitete, und von Johannis de Thilrode Chronicon (in Mon. Germ. hist., Script. XXV. 1880). Das Erscheinen dieses Bandes hat H. nicht mehr erlebt. Seine letzte Arbeit war die Ausgabe von Flodoard’s Historia Remensis, die er nicht mehr zu Ende führen konnte. Nach seinem Tode hat G. Waitz sie vollendet (Mon. Germ. hist., Script. XIII. 1881). Die Vorbereitung dieser Ausgabe gab H. Anlaß, den ausführlichen Artikel „Hinkmar, Erzbischof von Reims“ im XII. Bande dieses Werkes zu schreiben.

Im Sommer 1879 habilitirte sich H., nachdem ihn im Juni und Juli dieses Jahres Arbeiten für die Monumenta nach Paris und Auxerre geführt hatten, an der Berliner Universität als Privatdocent für Geschichte und las zwei Semester mit großem Erfolge. Schon in den beiden vorhergehenden Wintersemestern hatte er vor Damen Vorträge über italienische und französische Geschichte im Victoria-Lyceum gehalten. Als er im Herbst 1880 von einer Officiersübung nach Berlin zurückgekehrt war, erkrankte er nicht lange danach am 25. October an schwerem Typhus. Die Krankheit schien nach vier Wochen überwunden zu sein. Im frohen Gefühl der Genesung war er voll von Erfolg und Glück verheißenden Zukunftsplänen, als ich ihn am 27. November im Elisabeth-Krankenhause besuchte. Am folgenden Tage, Sonntag, den 28. November, Nachmittags 3 Uhr machte ein Herzschlag seinem Leben ein Ende. Am 1. December wurde er auf dem Matthäikirchhof in Schöneberg bei Berlin zur Erde bestattet.

Als er noch nicht 30jährig dahingerafft wurde, erlosch ein Leben, das für die Förderung der Geschichtswissenschaft die größten Hoffnungen erweckt hatte. Er war unter den jüngeren Historikern damals wol der begabteste und bedeutendste. Eine glücklich veranlagte, sonnig-heitere Natur, die mit frischem Muth alle Aufgaben, welche das Leben stellte, anzufassen und zu bewältigen wußte. Die Frische, Lauterkeit und sonnige Klarheit seines Wesens erwarb ihm Freunde, wo er erschien. Außer G. Waitz war er den älteren Historikern Wilhelm Wattenbach, in dessen Hause er in den letzten Jahren wohnte, und K. W. Nitzsch besonders nahe getreten, innige Freundschaft verband ihn mit dem wenig älteren Philosophen Friedrich Paulsen. In den geselligen Zusammenkünften der Jüngeren, an denen regelmäßig am Freitag-Abend außer den Mitarbeitern der Monumenta Germaniae wie Paul Ewald – der wohnte neben H. bei Wattenbach – und Karl Zeumer unter Anderen der Historiker Otto Seeck, der Sprachvergleicher und Keltist Heinrich Zimmer theilnahmen, strömte er über von sprühender Heiterkeit, frischem Humor, geistvollem Geplauder. Wol durch den Archäologen Ernst Curtius, seinen Landsmann, wurde er der Frau Kronprinzessin empfohlen, auf deren Aufforderung er im Sommer 1878 den [167] damaligen Prinzen Wilhelm, jetzigen Kaiser, nach England begleitete. Er sollte auf dessen Weltanschauung Einfluß zu gewinnen suchen.

Die Jahresberichte der Monumenta Germaniae hist. im Neuen Archiv der Gesellschaft für ältere Deutsche Geschichtskunde I–VI (1876–1881), J. Heller, Reise nach Lothringen, Nordfrankreich und Belgien, ebenda II, 301 ff.; G. Waitz, Reise nach Italien im Frühjahr 1876, ebenda II, 325 ff.; Nachruf auf Johannes Heller ebenda VI, 457 f. – Friedrich Paulsen, Dr. Johannes Heller (1880 als Manuscript gedruckt). – Pastor Windel, Gedenk-Worte gesprochen am Sarge des Privatdocenten Dr. phil. Herrn Johannes Heller (1880 als Manuscript gedruckt).