ADB:Herquet, Karl
*): Karl H., Staatsarchivar, geboren am 5. October 1832 zu Fulda als Sohn von Franz H. (s. A. D. B. XII, 204), studirte 1852–56 in Marburg und München Geschichte und Philologie, promovirte auf Grund der Dissertation „Ueber die Idee des Oedipus auf Kolonos“ (Fulda 1859) zum Doctor der Philosophie und erhielt nach Bekleidung von Privatstellungen in Rheinpreußen, Westfalen und Baden ein Commissorium zur Neuordnung des früheren Landesarchivs zu Fulda (Sept. 1865 bis April 1867), was ihn zu Beiträgen zur Geschichte des Hochstifts und der Stadt Fulda (im Fuldaer Anzeiger), zur Veröffentlichung der Arbeit „Der St. Johanniterorden nach seiner inneren Verfassung nebst einer Darlegung des Verhältnisses der beiden deutschen Dignitäten zu einander“, Würzburg 1865, und zur Herausgabe der „Specimina diplomatum monasterio Fuldensi a Karolis exhibitorum“, Kassel 1867, veranlaßte. 1869–73 war er mit Ordnung des städtischen Archivs zu Mühlhausen i. Th. beschäftigt und nahm als Nichtcombattant am Feldzuge 1870/71 Theil, hierfür mit Kronenorden IV. Cl. und Kriegsdenkmünze decorirt. Es entstanden hier die Vorarbeiten zu dem dann (Halle 1879) mit Schweineberg herausgegebenen Urkundenbuch dieser ehemals freien Reichsstadt. In den preußischen Archivdienst im October 1874 als Archivsecretär in Idstein eingetreten, verfaßte er namentlich ein ausführliches Promemoria über die Herausgabe eines Codex diplomaticus Nassoicus und bearbeitete Regesten des gräflich Solms-Rödelheimer Archivs zu Assenheim (13. Bd. d. Annalen d. Nassauischen Geschichtsvereins), schrieb auch eine Monographie über „Kristan v. Mühlhausen, Bischof von Samland 1276–1295“, Halle 1874. Er wurde sodann nach Königsberg, im Februar 1876 nach Breslau, im April 1878 nach Aurich versetzt, wo er im Juli definitive Ernennung zum Staatsarchivar erhielt, und von wo er im Juli 1886 nach Osnabrück übergehen mußte; dort starb er am 6. März 1888 nach langem Lungenleiden. Besonderes Interesse brachte er der Geschichte von Cypern entgegen, wie dies die Schriften „Charlotte von Lusignan und Catarina Cornaro, Königinnen von Cypern“, Regensburg 1870, und „Cyprische Königsgestalten des Hauses Lusignan“, Halle 1881, u. a. beweisen. Er veröffentlichte ferner „Juan Fernandes de Heredia, Großmeister des Johanniterordens 1377–1396“, Mühlhausen i. Th. 1877; „Chronologie der Großmeister des Hospitalordens während der Kreuzzüge“, Berlin 1880; „Geschichte des Landesarchivs von Ostfriesland 1454–1744“, Norden 1879; [489] „Miscellen zur Geschichte Ostfrieslands“, Norden 1883. Von einer geplanten Culturgeschichte dieser Gegend erschien nur „Die Insel Borkum in culturgeschichtlicher Hinsicht mit einer Karte von 1713“, Emden 1886. Ein werthvoller kunstgeschichtlicher Beitrag ist endlich „Die Renaissancedecke im Schlosse zu Jever, ihre Entstehungszeit und ihr Verfertiger“, Emden 1885, worin er in Stützung der Ansicht von Lübke (gegen v. Alten) die Entstehung für die Zeit (erst) um 1616 und als Verfertiger dieser in der Kunstgeschichte berühmten Decke Everdt Statius höchst wahrscheinlich machte. H. war Altkatholik gewesen. Seine größeren Sammlungen über den Johanniterorden wurden von dem hierfür interessirten J. Delaville le Roulx, archiviste paléographe in Paris, aus dem Nachlasse erworben.
Herquet- Gütiger Bericht des Herrn Staatsarchivars Dr. Krusch in Osnabrück. – Ein von Herquet’s Schwester in einem Briefe in Bezug genommener Nekrolog des Geh. Archivraths Dr. Janicke in Hannover (im Hannoverschen Courier) ließ sich z. Z. nicht näher feststellen. Im übrigen vgl. Sybel’s Hist. Zeitschr. XIX, 190; XLI, 297; XLIV, 158; XLVII, 329; XLVIII, 185. – Revue historique XXXVII, 460. – Zarncke’s Lit. Cbl. 1886, Sp. 1245. – A. D. B. IV, 178 Z. ist „Herquet“ zu lesen.
[488] *) Zu Bd. L, S. 234.