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ADB:Herrmann, Karl

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Artikel „Herrmann, Karl“ von Albert Schumann in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 218–220, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Herrmann,_Karl&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 09:17 Uhr UTC)
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Herrmann: Karl Martin Emanuel H., Neffe des obengenannten Christ. Gotth. H., ursprünglich Kaufmann, später Director der thüringischen Eisenbahn, angesehener Forscher auf dem Gebiete der erfurtisch-thüringischen Specialgeschichte, war als Sprößling einer seit längerer Zeit in Erfurt ansässigen Kaufmannsfamilie am 24. Septbr. 1797 daselbst geboren und verlebte somit seine reifere Jugendzeit unter den Eindrücken der französischen Herrschaft über Thüringens Hauptstadt. Den Mangel einer Gymnasialbildung ersetzte ihm ein reichlicher Privatunterricht, der neben dem der Bürgerschule einherging, ebenso ließ sein innerer Trieb nach dieser Seite hin die Zeit, die er sich hiernach zur Ausbildung für seinen zukünftigen kaufmännischen Beruf in Nürnberg und Bremen aufzuhalten hatte, nicht ungenützt vorüber gehen. 1821 nach Erfurt zur Uebernahme des väterlichen Geschäftes zurückgekehrt, wurde er schon zwei Jahre später durch das Vertrauen seiner Mitbürger in das seit kurzer Zeit bestehende Stadtverordneten-Collegium berufen und gehörte dieser Körperschaft mit einer nur unbedeutenden Unterbrechung bis zu seiner 1839 erfolgenden Wahl zum unbesoldeten Stadtrathe an; nur wenige seiner Collegen im Magistrate wie unter den Stadtverordneten haben je so reinen patriotischen Sinnes, mit so großem Eifer und Aufopferung, so gewinnender Bereitwilligkeit und freundlichem Entgegenkommen, [219] so außerordentlicher Offenheit, Geradheit und vor allem Bescheidenheit die Interessen ihrer Vaterstadt und deren Bürgerschaft vertreten; keinem gemeinnützigen Unternehmen ließ er seine Theilnahme fehlen; überall, wo es galt, das Wohl der Gesammtheit zu fördern, stand er begeistert an der Spitze, bald selbst thätig, bald andere mit seiner unendlichen Rührigkeit anregend und mit sich fortreißend. Um von den mannigfaltigen städtischen Verwaltungsangelegenheiten, die durch seine Initiative in Angriff genommen und zumeist zu glücklichem Ende geführt wurden, zu schweigen, erinnern wir hier nur an die von segensreichen Erfolgen begleitete Gründung eines Gartenbauvereins und eines Gewerbevereins und an seine Verdienste um das seiner Zeit mit vielfachen Schwierigkeiten verknüpfte Zustandekommen der thüringischen Eisenbahn, deren Verwaltung ihren Sitz nach Herrmann’s Ansicht und seinem Einflusse gemäß nirgends anders als in Erfurt nehmen durfte. Eine verdiente Anerkennung dieses Wirkens war es, daß er alsbald mit zur Leitung dieses Unternehmens berufen wurde, und bis kurze Zeit vor seinem Tode hat er als Directionsmitglied mit derselben Pflichttreue und Ausdauer, wie in allen seinen übrigen Functionen gewirkt; zu seinem großen Bedauern mußte er indeß mit Rücksicht auf die wachsenden Geschäfte des letzteren Amtes seine städtische Stellung 1850 aufgeben. Seine politische Haltung während der Wirren des J. 1848 bedarf hiernach keines Commentares, doch muß betont werden, daß er durch seinen biederen Charakter und seine gewinnende Persönlichkeit einen überaus beruhigenden Einfluß auf die Kreise der arbeitenden Bevölkerung ausübte; in ganz eigenthümlicher Weise verstand er es indeß, aus dem Verlaufe der deutschen Politik jener Tage ein für Erfurts äußere Stellung und innere Entwickelung günstiges Moment herauszugreifen: der Gedanke, Erfurt zum Sitze des Drei-Königs-Parlamentes zu machen, war zuerst in ihm entsprungen und kam durch eine von ihm geleitete Agitation zur Ausführung. So wenig die hieran sich knüpfenden Schöpfungen Bestand hatten, hatten sie doch einem in H. seit frühester Zeit lebendigen Zuge neuen Anstoß und Nahrung gegeben: seinem Interesse für die Vergangenheit seiner Vaterstadt und des engeren thüringischen Vaterlandes. Schon im jugendlichen Alter angezogen durch die mündlichen Ueberlieferungen aus dem 18. Jahrhundert, sowie durch die nicht wenig zahlreichen, wenn auch hier und da mit einem romantischen Anstriche behafteten Producte der damaligen historischen Litteratur suchte er in reiferen Jahren mit Vorliebe den Umgang erfahrener Forscher, erwarb jeden ihm nur erreichbaren litterarischen Beitrag zur heimischen Geschichte und alsbald auch handschriftliche Quellen, die er sämmtlich erst nach gründlicher Lectüre und Studium seinen Sammlungen einverleibte; seine amtliche Wirksamkeit im Magistrate der Stadt ließ ihn dazu die noch vorhandenen archivalischen Schätze kennen und für deren bessere Erhaltung und Ordnung Sorge tragen; war er damals auch noch nicht selbständig schriftstellerisch thätig, so verdanken doch die in den 40er Jahren erschienenen Fragmente einer thüringischen Chronik von Ludwig Storch und das zum Abschluß gelangte gleichnamige Werk H. Döring’s einer Anregung von Herrmann’s Seite ihr Dasein. Erst die Stellung im Eisenbahndienste gab ihm die erwünschte ausgiebigere Muße, um die zum vollen Verständniß der Quellen nothwendigen Vorkenntnisse nachträglich sich zu erwerben; ferner boten ihm die in jenem Amte erforderlichen Reisen durch ganz Deutschland Gelegenheit, die in auswärtigen Bibliotheken und Archiven befindliche Erfurter Litteratur kennen zu lernen; enger und enger wurden Herrmann’s Beziehungen zu einheimischen und auswärtigen Gelehrten, die in Folge des berührten Hervortretens Erfurts in der politischen Tagesgeschichte auch der Vergangenheit der Stadt ihre Aufmerksamkeit zuwandten und wie H. aus ihrem Umgang manche Bereicherung seiner Kenntnisse gewann, wirkte er wiederum anregend auf ihre Forschungen und reizte durch [220] sein Beispiel auch manchen befähigten Laien zur Nachahmung an. Aus diesen Wechselbeziehungen gingen nun eine Reihe selbständiger Arbeiten und vielfache Vorträge Herrmann’s und schließlich die Gründung eines Geschichtsvereins hervor; auch die erste Neuorganisation eines städtischen Archives ist diesen Bestrebungen zu verdanken. Seit Rücktritt von seinem Amte als Eisenbahndirector hoffte er ganz und gar jener Thätigkeit zu leben, doch war ihm dies nur auf äußerst kurze Zeit vergönnt; am 24. October 1874 entriß ihn ein plötzlicher Tod den mehrfachen in Angriff genommenen Arbeiten. Einzelne von denselben, fragmentarische Untersuchungen über die Organisation der Stadtverfassung von 1664–1818, über die Einrichtung von Stadtschulen von 1823–28, über den Erfurter Weinbau und über die Geschichte des Erfurter Zeitungswesens sind nach seinem Tode im VII. Hefte der Mittheilungen des Erfurter Geschichtsvereines der Oeffentlichkeit übergeben worden; auf der von ihm hinterlassenen Selbstbiographie beruhen die von H. Weißenborn als Beiheft zu den genannten Mittheilungen herausgegebenen „Erinnerungen an Karl M. E. Herrmann“; aus den früheren Vereinspublicationen würde seine „Abhandlung über das Wappen und die Siegel der Stadt Erfurt“ (Heft I. 1865, 126 S.) zu nennen sein; das bedeutendste und verdienstvollste seiner Werke ist dagegen ohne Frage die 1863 herausgegebene, 500 Seiten starke „Bibliotheca Erfurtina“, ein mit ebenso viel Aufwand an Mühe wie Sorgfalt angelegtes Verzeichniß und Nachweisung der gesammten Erfurt betreffenden Litteratur an Quellen und Bearbeitungen, für die indeß sein Nachlaß noch manche werthvolle Ergänzung und Berichtigung ergab.