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ADB:Heyden, August von

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Artikel „Heyden, August von“ von Karl Siebert in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 55 (1910), S. 782–783, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Heyden,_August_von&oldid=- (Version vom 26. November 2024, 06:20 Uhr UTC)
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Heyden *): August Jakob Theodor von H., Maler, wurde am 13. Juni 1827 in Breslau geboren als Sohn des Dichters Friedr. Aug. v. H. (s. A. D. B. XII, 351). Er widmete sich dem Bergfach und war als Bergbeamter einige Zeit in Istrien thätig, von wo aus er Venedig besuchte. Nachdem er 1854 sein Staatsexamen in Breslau abgelegt hatte, trat er in die Dienste des Herzogs von Ujest, dessen Bergwerke in Oberschlesien er zuletzt als Verwaltungschef leitete. Erst mit 32 Jahren kam er in die glückliche Lage, seinen sehnlichsten Wunsch zu erfüllen, Maler zu werden. Beim Holzbildhauer Professor Holbein in Berlin erhielt er zunächst regulären Zeichenunterricht und trat dann später in das Atelier von Karl Steffeck ein. 1861 begab er sich zur weiteren Ausbildung nach Paris und arbeitete unter Gleyre und Couture. Sein erstes selbständiges Gemälde, eine „Heilige Barbara als Schutzpatronin der Bergleute“, entstand 1864 in Paris und trug ihm die goldene Medaille ein. Der romantisch-poetische Zug in diesem Bilde, das sich als Altarbild in der Kirche zu Dudweiler im Saargebiet befindet, kündet uns schon die Richtung an, in der sich seine Kunst vorzugsweise bewegen sollte. Aus dieser Zeit stammt auch ein kleineres, wenig bekannt gewordenes Bild „In Gedanken“ (im Besitz von Dr. F. v. Heyden in Dresden), das fein charakterisirt und etwas an die Art von Meissonier [WS 1] erinnert. Wiederholte Reisen nach Italien machten ihn mit den Monumentalmalereien der Renaissancekunst bekannt. Eifrig befaßte er sich mit dem Studium des deutschen Mittelalters und der deutschen Renaissance, das ihm Stoff zu mehreren Bildern gab, von denen „Luther’s Zusammentreffen mit Frundsberg vor seinem Eintritt in den Reichstag zu Worms“ (Germanisches Museum in Nürnberg) hervorzuheben wäre. Das Aufsehen, das damals dieses Bild wegen seines Realismus hervorrief, erscheint uns heute etwas unverständlich. Sein Bestreben, germanisches Empfinden mit hellenischem Geiste zu verschmelzen, zeigt uns die umfangreiche Composition für den Vorhang des Berliner Opernhauses: „Arion auf den Meereswogen“ (1868), eine phantasiereiche Verkörperung der Macht des Gesanges. Leider ging dieses Kunstwerk durch einen unglücklichen Zufall zu Grunde, und es wurde von ihm fast 25 Jahre später ein zweiter Vorhang gemalt, für den er Scenen aus der altnordischen Mythologie gewählt hatte. Seine Vorliebe für die Darstellung des nackten Frauenkörpers lockte ihn zu einer Reihe von Themen, die er mit großem Geschick durchgeführt hat. Seine unbekleideten Frauengestalten zeichnen sich fast durchweg durch eine hoheitsvolle Anmuth aus und sind frei von jedem frivolen Beigeschmack. Dies lehrt uns die künstlerische Wiedergabe der gewagten Situation, in welcher die Prinzessin Clemence den werbenden Abgesandten des Königs von Frankreich in völlig unverhüllter Schönheit vor Augen tritt (1869). Eine Reihe Genrebilder, zumeist auf Renaissancehintergrund, entstanden jetzt, darunter auch der „Festmorgen“ in der Nationalgalerie (1870). Durch seinen „Walkürenritt“ (im Besitz des deutschen Kaisers), der auf der Wiener Weltausstellung 1873 zu bewundern war, wurde sein Name weithin bekannt, wenn auch F. Pecht in der F. v. Reber’schen Kunstgeschichte sich etwas ablehnend dahin ausspricht, daß „diese Damen zu sehr ihre Abstammung von sehr modernen Berlinerinnen verrathen und dadurch die sonst schwungvolle Composition viel zu sehr ernüchtern“. Eine reife Frucht seines Schaffens ist der „Hochzeitsritt des Herrn Olof“ (1878), ein stimmungsvolles Bild, dessen Stoff einer dänischen Ballade aus [783] Herder’s „Stimmen der Völker“ entnommen wurde. Aus der deutschen Heldensage stammt „Wittichs Rettung“ in der Karlsruher Kunsthalle (1880) und „Siegfried in der Waberlohe“ (im Besitz des deutschen Kaisers). In seinem letzten größeren Tafelbild: „Treue Kameraden“ (1890) greift er wieder auf einen Gegenstand zurück, mit dem er sich als Maler eingeführt hat; wir sehen in einem oberschlesischen Kohlenbergwerk einen verunglückten Bergmann, dem seine Kameraden helfend beispringen. Außer diesen Oelbildern wurde A. v. Heyden mit Aufgaben der monumentalen und decorativen Malerei bedacht. So führte er Wandmalereien im Keller, im Bürgersaal und in der Thurmhalle des Berliner Rathhauses sowie im Moltkezimmer des Generalstabsgebäudes aus. Im Kuppelsaal der Nationalgalerie malte er in Wachsfarben auf schwarzem Grund in die Thürlünetten Scenen aus der deutschen Kunstgeschichte und innerhalb des Kuppelgewölbes friesartig einen prächtigen Thierkreis mit farbigen Figuren auf Goldgrund. Auch außerhalb Berlins war H. thätig. In Breslau hat er den Festsaal des Korn’schen Hauses mit Wandmalereien geschmückt, in Posen (1881) den Schwurgerichtssaal mit zwei Wandgemälden, die sich auf die Rechtsgeschichte des Landes beziehen, und in Guben die Aula des Gymnasiums mit einem großen Bilde, das die letzten Kämpfe des Markgrafen Gero mit den slavischen Leutizen bei Guben darstellt. Seit 1882 wirkte H. als Professor der Kostümkunde an der Berliner Kunstakademie als Nachfolger von Professor Hermann Weiß und bekleidete dieses Amt bis zum Winter 1893. Durch das besondere Wohlwollen des Kaisers Wilhelm II. vielfach ausgezeichnet, wurde er 1890 in den Staatsrath berufen. Am 1. Juni 1897 starb er nach längerem Leiden in Berlin.

Will man das Wesen der Kunst A. v. Heyden’s kurz skizziren, so muß in erster Linie hervorgehoben werden, daß seine Bilder sich durch eine klare Linienführung wie eine anmuthige Composition und große decorative Wirkung auszeichnen, während sie nicht immer frei von einer theatralischen Auffassung sind. Seine Monumentalmalerei macht zuweilen den Eindruck von vergrößerten Staffeleibildern. Ein stark romantischer Zug, der selbst vor rein historischen Vorgängen nicht zurückscheut, durchdringt seine gesammte künstlerische Thätigkeit. Nicht so hoch wie seine Zeichnung darf man sein Colorit bewerthen, das bei manchen Bildern etwas verschwommen erscheint, oder durch allzustarke Farbencontraste die Gesammtwirkung beeinträchtigt. Eine tiefere Charakteristik seiner Personen vermißt man öfters, wohingegen die Kostümtreue seiner Figuren, die auf ernsten Studien beruht, fast eine absolute ist. Auch litterarisch war H. thätig. Er gab die „Blätter für Kostümkunde“ (Berlin 1874 ff. und in 2. Auflage 1876–1890) heraus und schrieb: „Die Tracht der Kulturvölker Europas vom Zeitalter Homers bis zum Beginne des XIX. Jahrhunderts“ (Leipzig 1889), wobei er einen Theil der 222 Abbildungen selbst zeichnete. 1878 erschienen zwei Bergmannsmärchen mit beachtenswerthen Naturschilderungen unter dem Titel „Aus der Teufe“ (Berlin) und hiervon 1881 eine Prachtausgabe mit Illustrationen von seiner Hand unter dem Titel „Die Perlen“.

F. v. Reber, Geschichte der Neueren deutschen Kunst. 2. Aufl. Leipzig 1884. Bd. 3, S. 356. – A. Rosenberg, Geschichte der modernen Kunst. Leipzig 1889. Bd. 3, S. 166–171. – Müller-Singer, Allgem. Künstlerlexikon. Frankfurt a. M. 1896. Bd. 2, S. 175. – Die Kunst für Alle. 12. Jahrg. 1896/97, S. 527 u. 528. – Einzelne Angaben beruhen auf mündlichen Mittheilungen des Prof. Hubert v. Heyden, seines Sohnes, der als angesehener Landschafts- und Geflügelmaler in München thätig ist.

[782] *) Zu Bd. L, S. 309.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Jean Louis Ernest Meissonier (1815–1891); war einer der bekanntesten französischer Maler in den 1850 und 1860er Jahren.