ADB:Hippel, Theodor Gottlieb von (Kommunalpolitiker)

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Artikel „Hippel, Theodor Gottlieb von (Kommunalpolitiker)“ von Emil Brenning in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 463–466, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hippel,_Theodor_Gottlieb_von_(Kommunalpolitiker)&oldid=- (Version vom 23. April 2024, 16:47 Uhr UTC)
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Hippel: Theodor Gottlieb v. H., wurde am 31. Januar 1741 in dem kleinen ostpreußischen Städtchen Gerdauen geboren. Sein Vater war Rector der dortigen Schule, seine Mutter entstammte einer Handwerkerfamilie in dem kleinen benachbarten Orte Barten, obwol H. in dem Bemühen, seinen Anfängen möglichsten Glanz zu verleihen, in seinen biographischen Aufzeichnungen jenen [464] zum Geistlichen machte, diese aus geistlicher Familie (dem Stamme Levi, wie er es selbst ausdrückt) herrühren ließ. Seinen Unterricht will er allein von dem Vater erhalten haben, obwol andere Nachrichten diesen für einen geistesschwachen, unbedeutenden Mann erklären. Im Herbste 1756, noch nicht 16 Jahre alt, bezog H. die Universität Königsberg, um Theologie zu studiren. Im J. 1760 unternahm er eine Reise nach Rußland, die bis zum Februar 1761 währte und für seine Entwickelung bedeutsam wurde. Er reiste in Begleitung eines russischen Officiers, eines Lieutenant v. Keyser, welcher der Kaiserin Elisabeth in einigen bedeutenden Bernsteinfunden einen Tribut aus der eben im siebenjährigen Kriege unterworfenen Provinz Preußen zu Füßen legen sollte. Keyser’s Vater war Viceadmiral und lebte in Kronstadt auf großem Fuße. Dort lernte H. das Leben der vornehmen Welt kennen und die beiden Dämonen, welche seitdem sein inneres Leben beherrschten, der Ehrgeiz und die Habsucht wurden dadurch in seiner Brust entfesselt. Er gab die theologische Laufbahn auf, obgleich seine Vorbereitung für dieselbe schon vollendet war und ging zur Jurisprudenz über. Unter unglaublichen Entbehrungen quälte er sich die neuen Studienjahre hindurch, aber er hatte gewonnen Spiel, als er damit fertig war und als Advocat auftreten konnte. Denn sein ungewöhnlicher Scharfsinn, verbunden mit lebhafter Rednergabe, verschafften ihm schnelle Erfolge. Und wie ernst es ihm um Erfolge um jeden Preis zu thun war, beweist der Umstand, daß er sich in der Familie des bekannten Schauspielunternehmers Schuch einen förmlichen, kunstmäßigen Unterricht in der Declamation ertheilen ließ. 1765 ward H. Advocat beim Stadtgericht, dann beim Hofgericht, 1772 städtischer Gerichtsverwandter und Assessor des Stipendiencollegs, und dann ging es rasch weiter, er ward Kriminalrath, Stadtrath, dann Hofhalsrichter, oder wie wir jetzt sagen würden, Kriminalgerichtsdirector. Diese Stelle verlor er zwar wieder in Folge der Cabinetsordre vom 14. April 1780, in welcher eine durchgängige Gerichtsreform verheißen wurde, was ihm sehr schwer fiel, indeß ward er in gewissem Sinne dadurch entschädigt, daß er in die Commission ernannt wurde, welche die Vorarbeiten für die Herstellung des preußischen Landrechts erledigte. Von seiner Tüchtigkeit auch für dieses Geschäft gibt es Zeugniß, daß er von vom Minister v. Carmer ein eigenes Belobungsschreiben und eine goldene Medaille erhielt. 1780 schon war H. zum dirigirenden Bürgermeister in Königsberg erwählt worden und hatte den Titel eines Kriegsrathes erhalten, wofür wir jetzt Regierungsrath sagen würden, denn die jetzigen Regierungen hießen damals Kriegs- und Domänenkammern. Der Thronwechsel 1786 brachte keine Veränderung in der Gunst, deren sich H. bei der Regierung erfreute. Der neue König Friedrich Wilhelm II. zeichnete ihn bei der Huldigung in Königsberg 1786 persönlich aus und er erhielt kurz nachher die Titularbeförderung zum Geheimen Kriegsrath und Stadtpräsidenten. Im J. 1790 ließ er den alten Adel seiner Familie erneuern, ein Schritt, welcher viel getadelt wurde, obwol H. ihn nur im Interesse seiner Familie that und persönlich nie für sich davon Gebrauch machte. Im J. 1795 ward er von seinem alten Freunde, dem damaligen Minister von Preußen, Freiherrn v. Schrötter, nach Danzig gesendet, um diese durch die zweite polnische Theilung an Preußen gefallene Stadt in den Organismus der preußischen Verwaltung einzufügen. Diese Unterbrechung seiner geregelten Lebensweise bekam ihm schlecht. Er kränkelte seitdem, wie er denn auch durch eine Entzündung dort ein Auge verloren hatte. Er starb im folgenden Jahre, am 23. April 1796, an der Brustwassersucht. Ueber die Verwaltung aller seiner öffentlichen Aemter war unter den Zeitgenossen nur eine Stimme. Er ehrt jedes Amt, welches er bekleidet, wurde von ihm gesagt. Mit Recht erhob sich mancher Vorwurf gegen seinen Charakter. Zwar die Anklagen, welche Schlichtegroll in seinem Nekrolog gegen sein sittliches Leben [465] erhebt, werden durch entgegenstehende Zeugnisse seiner Nächsten entkräftet. Aber es fehlt seinem Wesen an jeder Offenheit und Wahrheit. Es geht ein seltsamer Widerspruch durch sein ganzes Leben zwischen seinem Aeußern und Innern. Das Gegentheil von dem, was er in seinen Schriften preist, zeigt sich in seinem Handeln. Er empfahl dringend das eheliche Leben und blieb unvermählt, er tadelt das Streben nach Ehrenstellen und nach irdischem Gute, und ihn beseelte ein verzehrender Ehrgeiz und mit Nichts anfangend hinterließ er ein beträchtliches Vermögen, er macht sich vielfach über das Ordenswesen lustig und war ein eifriger Freimaurer. Und dieser Gegensatz ließe sich nach anderen Seiten noch verfolgen. Ein ganz sonderbares Geheimniß machte er aus seiner Schriftstellerei, die sich über viele Gebiete erstreckte. Mit einer bewundernswürdigen List suchte er durch Schleichwege aller Art die Erkenntniß derselben zu verhindern und leugnete geradezu ab, wenn er darauf angeredet wurde. Er schrieb zwei Lustspiele, „Die ungewöhnlichen Nebenbuhler“ und „Der Mann nach der Uhr“, welches Lessing in seiner hamburgischen Dramaturgie nicht in der schmeichelhaftesten Weise erwähnt. Sie sind ganz nach der französischen Schablone jener Zeit gearbeitet. Von seinen geistlichen Liedern gingen einige in den Gebrauch der Gesangbücher über. Einzelne juristische Schriften beziehen sich auf heimathliche Verhältnisse. Ein umfassendes Werk über Gesetzgebung und Staatenrecht blieb Fragment, ist aber interessant dadurch, daß es besonders den Einfluß der französischen Philosophen Rousseau und Montesquieu bekundet. Am berühmtesten machten seinen Namen zwei humoristische Romane, „Die Lebensläufe in aufsteigender Linie“ und „Die Kreuz- und Querzüge des Ritter A–Z“, welche in Bezug auf das Ungleichmäßige und Zusammenhangslose der Composition die allgemeine Schuld der Werke dieser Gattung mittragen. Man hat seinem Humor den Mangel ächter Gemüthswärme vorgeworfen und ohne Zweifel steht er darin Jean Paul nach. Es bricht öfters das Herbe, Säuerliche seines Wesens durch, aber auf der anderen Seite legt er einen wahren Schatz von treffenden allgemeinen Bemerkungen über die meisten Verhältnisse und Beziehungen des sittlichen Lebens darin nieder, und man versteht es von hier aus, daß Kant ihn einen Centralkopf nannte. In dem ersteren Roman findet man einzelne Züge aus seinem eigenen Leben aufgenommen und culturhistorischen Werth hat er durch die Schilderungen aus den curländischen Verhältnissen jener Zeit. Aufsehen machte er in derselben auch dadurch, daß die Grundzüge des Kant’schen Systemes darin noch vor dem Erscheinen von dessen großen Werken ausgeplaudert wurden. Der zweite enthält namentlich die Polemik gegen das gesammte Ordenswesen und die geheimen Gesellschaften, welche in den letzten Decennien des vorigen Jahrhunderts eine so bedeutende Rolle spielten. Als Hippel’s Lebenswerk kann man die Schrift über die Ehe bezeichnen, von der er selbst vier Auflagen besorgte und in der letzten fast vollständig das Gegentheil von den Ansichten der ersten behauptet. Es ist nicht nur eine warme Empfehlung des ehelichen Lebens darin enthalten, sondern er versucht eine völlige Veränderung des socialen Zustandes herbeizuführen, indem er als ein Vorläufer der modernen Frauen-Emancipationstheorien auftrat. Noch bestimmter verfolgte er diesen Zweck in einer späteren kleineren Schrift: „Von der bürgerlichen Verbesserung der Weiber“, von der er eine zweite Auflage vorbereitete, ohne damit noch zu Stande zu kommen. Die Vorarbeiten dazu finden sich unter dem Titel „Ueber weibliche Bildung“ in seinen gesammten Werken. Erst nach seinem Tode ward seine Schriftstellerthätigkeit übersehbar und die Empfindlichkeit seiner Freunde, die von einer so bedeutenden geistigen Arbeit nichts direct erfahren hatten, ist begreiflich, um so mehr, weil er in seinen Romanen manche Züge aus ihrem Leben und aus gelegentlichen Gesprächen, die er mit ihnen gepflogen, verwendet hatte. Seine Werke erschienen in 14 Bänden, [466] Berlin 1827–38, von denen die beiden letzten seinen Briefwechsel mit Scheffner enthalten. Von seinen Romanen erschien eine neue Ausgabe in 6 Bänden, Stuttgart, Göschen 1846–60, und von den Lebensläufen eine „Jubelausgabe, für die Gegenwart bearbeitet von Alex. v. Oettingen“, Leipzig, Duncker & Humblot, 1878. „Das Buch über die Ehe“ ward am meisten gedruckt, zuletzt herausgegeben Leipzig, Brockhaus 1872, in der Bibliothek der Deutschen Nationallitteratur.

Schlichtegroll, Nekrolog 1796, II. 171–346; 1797, I. 123–416; unverändert wieder abgedruckt in: Biographie des kgl. preuß. Geh. Kriegsraths v. Hippel in Königsberg (Gotha, Perthes 1801). W. G. Keber, Nachrichten und Bemerkungen den Geheimen Kriegsrath v. Hippel betreffend, Königsberg, Unzer 1802. Dagegen: Epistolische Lection für den Herrn Ertz-Priester Keber (Danzig 1804). (E. Borowski), Ueber das Autorschicksal des Verf. des Buches über die Ehe, Königsberg 1797. Theodor Mundt in Zeitgenossen, dritte Reihe, IV. Heft 1–2, Leipzig, Brockhaus, 1832.