ADB:Schlichtegroll, Friedrich von

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Artikel „Schlichtegroll, Adolf Heinrich Friedrich“ von Richard Hoche in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 31 (1890), S. 484–487, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Schlichtegroll,_Friedrich_von&oldid=- (Version vom 19. März 2024, 06:47 Uhr UTC)
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Schlichtegroll: Adolf Heinrich Friedrich S. (seit 1808: von S.), bekannter biographischer Schriftsteller, Archäologe und Numismatiker, 1765–1822. Er wurde in dem Städtchen Waltershausen bei Gotha am 8. December 1765 geboren; sein Vater war herzoglich sächsischer Amtscommissar bei dem Justizamte Tenneberg, später Lehenssecretär und Rath bei der Landesregierung in Gotha. Den ersten Unterricht erhielt S. im elterlichen Hause, theils vom Vater selbst, theils von Privatlehrern; im 14. Jahre – 1779 – kam er auf das Gymnasium zu Gotha, welches damals unter dem Rector F. A. Stroth einen neuen Aufschwung nahm. Der Leitung dieses geistvollen und vielseitig gebildeten Mannes, welcher sich des fähigen Schülers mit besonderer Zuneigung annahm, verdankte S. die glücklichste Anregung zu wissenschaftlichen Studien, vornehmlich zu theologisch-philologischen. Dem Wunsche des Vaters nachgebend ließ er sich zwar, als er im Herbste 1783 das Gymnasium verließ, zunächst als Jurist in Jena einschreiben, vertauschte die Rechtswissenschaft aber bald mit der Theologie. Allerdings beschäftigte er sich eigentlich nur mit „Philologie auf dem Gebiete der Theologie“; Griesbach, Eichhorn und Schütz waren die Lehrer, an welche er sich vornehmlich anschloß. Mehr und mehr den rein philologischen Studien sich zuwendend, siedelte er nach einigen Semestern nach Göttingen über, um hier Heyne hören zu können, wurde von diesem in sein philologisches Seminar aufgenommen und auch durch persönlichen Verkehr freundlich gefördert. Nach dem Göttinger Universitätsjubiläum kehrte S. 1787 in die Heimath zurück und erhielt sogleich eine Stelle als Lehrer am Gothaischen Gymnasium und damit die Leitung des mit dieser Anstalt verbundenen Coenobiums. Während der 13 Jahre seines Lehramtes hatte er vorzugsweise den Unterricht in der Religionslehre, im Hebräischen und Deutschen zu ertheilen, daneben aber auch den Elementarunterricht im Lateinischen; sein anregendes Wesen und seine Pflichttreue erwarben ihm allseitige Anerkennung. Kurz nach dem Antritte seines Amtes veröffentlichte S. seine erste selbständige Arbeit „Ueber den Schild des Herkules“ 1788, und begann damit die Reihe seiner archaeologischen Publicationen, deren bedeutendste das großangelegte Werk über das Stoschische Cabinet von geschnittenen Steinen geworden ist: „Auswahl vorzüglicher Gemmen mit mythologischen und artistischen Erläuterungen“ 1797 in zwei Ausgaben und Formeln, französisch und deutsch; nachmals als „Dactyliotheca Stoschiana“ mit einem zweiten Theile nach erweitertem Plane 1805 herausgegeben. Zunächst aber wandte sich sein Interesse noch einem anderen Gebiete zu. Von Jugend auf hatte er biographische Darstellungen [485] mit besonderer Vorliebe verfolgt; er sah in diesem Zweige der Geschichtschreibung „eine Sitten- und Klugheitslehre in Beispielen, ein brauchbares Erziehungs- und Bildungsmittel des früheren und des späteren Alters“. Von dieser Anschauung aus entwarf er (1790) den Plan des „Nekrologes“, welcher „den Denkmälern des Kerameikos vergleichbar, das Andenken der Verstorbenen erhalten und der Nachwelt das Muster ihrer Tugenden zur Nachahmung oder ihre Verirrungen zur Warnung erhalten“ sollte. Der ursprüngliche Gedanke, die hervorragenden Männer aller Culturvölker berücksichtigen zu wollen, erwies sich bald als undurchführbar; S. beschränkte sich daher auf Deutschland und fand selbst bei dieser engeren Aufgabe noch unerwartete Schwierigkeiten genug. Schon die Beschaffung und Prüfung des Materials nahm große Opfer an Zeit und Kraft in Anspruch, mehr Mühe noch erforderte die Form, da nur in den seltensten Fällen die Beiträge ohne Umarbeitung aufgenommen werden konnten. Die Mehrzahl der Artikel, welche in den 16 Jahren, in denen S. den Nekrolog herausgab, in diesem erschienen sind, hat der Herausgeber selbst schreiben müssen.

Bereits durch seine Schrift „Ueber den Schild des Herkules“ hatte S. die Aufmerksamkeit des regierenden Herzogs Ernst II. erregt; durch die Arbeiten für den Nekrolog war er dann öfter auf der herzoglichen Bibliothek in unmittelbare Berührung mit dem Fürsten gekommen und von diesem mehrfach zu Privatgeschäften gebraucht worden. Als nun im J. 1799 dem Director des herzoglichen Münzcabinets Rousseau, mit dessen zweiter Tochter S. seit 1792 verheirathet war, eine Hülfe gegeben werden sollte, ernannte der Herzog ihn zum Assistenten seines Schwiegervaters und erfüllte damit lebhaft gehegte Wünsche Schlichtegroll’s. Freilich stellte sich bald heraus, daß das neue Amt seine ganze Arbeitskraft in Anspruch nahm und nicht wohl neben dem Lehramte geführt werden konnte; S. entschloß sich daher, seine Professur am Gymnasium aufzugeben und schied mit Ablauf des Jahres 1800 ganz und für immer aus dem Schuldienste. Das erste wissenschaftliche Ergebniß der neuen Stellung war eine Darstellung der Geschichte der Sammlung, welche unter dem Titel „Historia Numothecae Gothanae“ dem Herzoge gewidmet wurde; das spätere großangelegte Unternehmen „Annalen der gesammten Numismatik“ ist nicht über den Anfang des zweiten Bandes hinausgekommen. Das Cabinet selbst erhielt durch seinen neuen Conservator, der die Gunst des Herzogs für die Sammlung lebendig zu erhalten wußte, namhafte Vergrößerungen und Umgestaltungen; so wurde u. a. 1803 die in Constantinopel zusammengebrachte Knobelsdorf’sche Sammlung erworben und das ganze Cabinet nach einheitlichem Plane neu geordnet. Auch nach dem im J. 1804 erfolgten Tode des Herzogs konnte S. zunächst noch erfolgreich für seine Sammlung thätig sein; eine wissenschaftliche Reise, welche er 1805 über Genf nach Paris machte, brachte ihn in persönliche Bekanntschaft mit den Autoritäten seines Faches und kam der Sammlung auch unmittelbar zu Gute. Das Herannahen des Krieges im folgenden Jahre erregte lebhafte Besorgniß; S. sah sich beauftragt, die werthvollsten Münzen und eine größere Menge anderer Kunstschätze nach Altona auf dänisches Gebiet in Sicherheit zu bringen, und erreichte dies Ziel noch glücklich unmittelbar vor der Erstürmung Lübecks. Erst im folgenden Jahre holte S. das Gerettete zurück; er hatte jetzt die Freude, in Hamburg und Holstein anregende Bekanntschaften machen oder erneuern zu dürfen.

Die Rückführung der Kunstsachen war einer der letzten Dienste, welche S. seinem Heimathlande leisten konnte. Friedrich Heinrich Jacobi hatte gelegentlich seiner Uebersiedelung von Eutin nach München 1805 S. in Gotha aufgesucht und war von da an in regem Verkehr mit ihm geblieben. Als nun zwei Jahre später Jacobi vom Könige von Baiern zum Präsidenten der Akademie der Wissenschaften in München ernannt worden war, schlug er S. für die Stelle des Directors und Generalsecretärs [486] der Akademie vor. Die dringende Aufforderung der bairischen Regierung legte S. zunächst seiner Landesbehörde vor; da deren Berathungen aber nur „langsam und zögernd“ geführt wurden, so entschloß er sich zur Annahme und siedelte Ende Mai 1807 nach München über; am 27. Juli konnte die reorganisirte Akademie feierlich eröffnet werden. – Der Geschäftskreis, den S. zu übernehmen hatte, war ein sehr bedeutender. Nicht nur die gewöhnlichen Geschäfte eines ständigen Secretärs, wie Leitung der Sitzungen, Briefwechsel, Herausgabe der Akademieschriften und dergl., hatte er zu besorgen; es lag ihm auch die obere Leitung und Verwaltung der sämmtlichen an die Akademie angegliederten wissenschaftlichen Sammlungen und Institute ob, deren Aufgaben ihm wenigstens zum Theil bis dahin ganz fremd gewesen waren. Es waren dies die Bibliothek, die Naturaliensammlung, das mathematisch-physikalische Cabinet, das polytechnische Cabinet, das chemische Laboratorium, das Münzcabinet, das Antiquarium, das Observatorium und der botanische Garten. Fast alle diese Anstalten erforderten damals neue Ordnung, räumliche Erweiterungen und theilweise auch ganz wesentliche Umgestaltungen und Neueinrichtungen, alles Aufgaben, welche der Director der Akademie mit den zunächst Betheiligten zu lösen oder doch zur Lösung vorzubereiten hatte. Es ist nicht zu verwundern, daß es bei dieser umfangreichen und tiefgreifenden Thätigkeit Schlichtegroll’s auch an Reibungen mannigfaltiger Art nicht fehlte, zumal der Gegensatz zwischen Nord- und Süddeutschen in München namentlich während des Krieges von 1809 mit besonderer Schärfe hervorgetreten war. Es gelang S. jedoch, Conflicte zu vermeiden und den ungestörten Fortgang der Geschäfte zu sichern, sich selbst aber die allgemeine Anerkennung als vorzüglicher Beamter und zuverlässiger Charakter zu erringen, der Gegensätze auszugleichen und Hemmungen bei Seite zu schieben, in besonderem Maaße verstand. Schon im J. 1808 hatte der König Max Joseph S. ein besonderes Zeichen seiner Anerkennung dadurch gegeben, daß er ihn bei der ersten Vertheilung des neugestifteten Ordens der bairischen Krone zum Ritter desselben ernannt und dadurch in den Adelstand erhoben hatte, von mehr wesentlicher Bedeutung war es aber, daß, als nach dem Kriege Jacobi das Präsidium der Akademie niederlegte, dieses Amt nicht wieder besetzt, vielmehr S. ausschließlich mit der Wahrnehmung der Geschäfte betraut wurde. Auch die Leitung der Bibliothek hatte er damals zu übernehmen und gerade hier neuordnend und vermittelnd vielfach einzugreifen. – Es ist staunenswerth, daß S. neben der Fülle der Geschäfte, zu denen doch auch noch die Zusammenstellung der Jahresberichte der Akademie, die Abfassung der Biographieen verstorbener Mitglieder und die Ausarbeitung eigener wissenschaftlicher Abhandlungen gehörte, doch noch im Stande war, die Herausgabe litterarischer Zeitschriften, wie der der Pflege der deutschen Sprache gewidmeten „Teutoburg“ und einer anderen, „welcher der heilige Bund ihre Entstehung gegeben hatte“, zu übernehmen, auch an den verschiedensten wissenschaftlichen und technischen Gesellschaften und Vereinen sich mit lebhafter Theilnahme fördernd und leitend zu betheiligen. Sein Haus war der Sammelpunkt, in welchem die wissenschaftlichen Interessen der in München wohnenden Gelehrten und der dorthin kommenden Fremden sich zusammenfanden; für die Entwickelung der Werkstätten von Utzschneider, Reichenbach, Fraunhofer war seine Theilnahme von besonderem Werthe; vornehmlich aber trat er für die Erfindung der Lithographie durch Aloys Senefelder unmittelbar thätig ein; in einer Reihe von Briefen, welche er 1816 und 1817 im „Anzeiger für Kunst- und Gewerbfleiß“ veröffentlichte, entwickelte er die Bedeutung der neuen Kunst, und das „Lehrbuch der Steindruckerei“, welches Senefelder auf Schlichtegroll’s Antrieb herausgab, führte dieser durch eine Vorrede ein, wie er auch eine englische Uebersetzung von seinem ältesten Sohne verfassen ließ. Die letzte größere Arbeit Schlichtegroll’s war ein [487] umfangreicher Plan für die Neuorganisation der Akademie, den er in Gemeinschaft mit dem Secretär der mathematischen Classe, Geh. Rath v. Moll und dem Secretär der philosophischen Classe, Director v. Schelling, dem Könige vorlegte. Mannigfacher Verdruß, der sich für ihn aus den namentlich auch von Seiten der katholischen Geistlichkeit gegen die Akademie gerichteten Angriffen ergab, und die Schwierigkeiten, auf welche die Genehmigung seines Organisationsentwurfes stieß, trugen namhaft dazu bei, seine früher gute Gesundheit zu erschüttern. Im Sommer 1822 besuchte er gelegentlich einer Badereise nach Kissingen noch einmal die Heimath, erkrankte aber in Weimar und hat sich danach nicht wieder erholt. Er starb in München in der Nacht vom 3. auf den 4. December 1822, fast 57 Jahre alt.

Cajetan v. Weiller, Zum Andenken an A. H. F. v. Schlichtegroll. 1823. – Fr. Jacobs, N. Nekrolog d. D. 1823. I, 1–31. – Fr. Jacobs, Personalien, S. 179, 526.