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ADB:Hochmann von Hochenau, Ernst Christoph

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Artikel „Hochmann, Ernst Christoph“ von Heinrich Heppe in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 12 (1880), S. 523–525, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hochmann_von_Hochenau,_Ernst_Christoph&oldid=- (Version vom 21. November 2024, 21:20 Uhr UTC)
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Hochmann: Ernst Christoph H. (aus dem altadelichen Geschlecht v. Hasenau), als Sohn eines sachsen-lauenburgischen Zollamtmanns um 1670 geboren und hernach in Nürnberg (wo sich der Vater niederließ), in der lutherischen Confession erzogen (während die Mutter und sämmtliche Pathen katholisch waren) – ist als der bedeutendste separatistische Mystiker in den beiden ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts anzusehen. Leider ist derselbe in der Kirchengeschichte bis jetzt nur wenig beachtet worden. In Halle, wohin sich H. begab, um bei dem mit den Pietisten in Zusammenhange stehenden Prof. Thomasius juristische Vorlesungen zu hören, erhielt er seine erste Erweckung, und zwar durch [524] den Einfluß des A. H. Francke. Indessen nahm diese Erweckung sehr bald einen dem äußeren Kirchenthum sich so entschieden entgegenstemmenden schwärmerischen Charakter an, daß er wegen anstößiger Aeußerungen 1693 arretirt und relegirt ward. – Im J. 1697 kam H. nach Gießen zu Gottfried Arnold, dem eigentlichen Führer des mystischen Separatismus. Im folgenden Jahre begab er sich nach Frankfurt a/M., wo er unter den Juden zu missioniren versuchte, jedoch ohne allen Erfolg. Er gedachte daher schon daran zu Frankfurt in anderer Weise für die Erweckung eines inneren, lebendigen Christenthums zu wirken, als gleichzeitig hier und in der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt die strengsten Edicte gegen die Pietisten und Schwärmer erschienen, welche ihn nöthigten, Frankfurt zu verlassen. Daher nahm er den Wanderstab und zog in die einsamen Waldthäler der Grafschaft Wittgenstein, wo er, wie ein Ascet lebend und wie ein Prophet predigend, bald die Mehrzahl der Angehörigen des gräfl. Hauses für sich gewann, während ihn ein Bruder der verwittweten Gräfin zu Berleburg, Graf Rudolf zur Lippe-Bracke, mit solcher Grausamkeit mißhandelte, daß er sich wiederum genöthigt sah, das Land zu verlassen. H. durchlebte nun 1700–11 12 Jahre einer eigentlich ziellosen Pilgrimschaft, indem er das nördliche Deutschland bis Bremen und Leipzig, Rheinland und Westfalen durchzog und im Süden bis in die Pfalz und nach Nürnberg vordrang, wo er überall als Prediger des inwendigen, separatistischen Christenthums gegen die äußere Kirchlichkeit und todte Rechtgläubigkeit eiferte. Er that dieses auch öffentlich in den gottesdienstlichen Versammlungen der Gemeinden, auch im Verhör vor Obrigkeiten und Behörden. Die Störungen des Gottesdienstes und sonstige Unordnungen, welche er hierdurch hervorrief, sowie seine offen ausgesprochenen Irrlehren über Kirche und Sacrament, Obrigkeit und Ehe, sein Chiliasmus und seine Verwerfung der Kindertaufe zogen ihm nicht nur vielfache Mißhandlung, Verfolgung und Verwarnung durch die Behörden, sondern auch wiederholte Gefangenschaft, z. B. 1702 in Detmold, 1703 in Hannover, 1708–9 in Nürnberg, 1711 in Halle und an anderen Orten zu. Der Graf zur Lippe ließ ihn 1702 nicht eher los, bis er ihm ein vollständiges für die Beurtheilung des mystischen Separatismus sehr wichtiges Glaubensbekenntniß vorgelegt hatte. – Seit 1708 gewährte ihm die Gräfin Hedwig Sophie von Wittgenstein-Berleburg einen bleibenden Zufluchtsort in dem Dorfe Schwarzenau, wo er sich auf einsamer Bergeshalde eine Hütte baute und mit einem Diener zusammenlebte. Er nannte die Hütte seine „Friedensburg“, correspondirte von derselben aus fleißig mit nahen und fernen Freunden und war gegenüber dem schandbaren Treiben der Buttlar’schen Rotte im Wittgensteiner Lande ein Elias Gottes, vor dem dieselbe weichen mußte. – Oefters brach jedoch H. von seiner „Friedensburg“ auf, um dem Geiste Gottes hier oder da die Thüre zu öffnen. Ein besonders fruchtbares Feld fand er am Niederrhein, wo er jedoch in Duisburg und Wesel (an welchem letzteren Orte er den ganzen Winter 1709–10 hindurch oft bis tief in die Nacht hinein Conventikel hielt) mit dem geistlichen Ministerium und der Ortsobrigkeit schwere Kämpfe hatte. Er verfocht hier den (philadelphischen) Gedanken, daß alle äußeren Secten und Religionen aus der Verwirrung von Babel ihren Ursprung haben, „sintemal zur Zeit der Reformation die große Babel nicht gefallen oder gar aufgehört, sondern sich nur in drei Theile getheilt habe“. Gott werde diese Zertheilung der Kirche jetzt dadurch zu Ende führen, daß er sich in den empfänglichen Seelen unmittelbar offenbare und sich so aus allen Confessionen sein einiges wahres Volk bereite. – H. gewann auf seinen Reisen eine ganz außerordentlich große Anzahl von Freunden und Verehrern, die an ihn als an ein Werkzeug Gottes zur Begründung der wahren Kirche glaubten. Diesen Anhang hatte er in allen, auch in den höchsten Ständen. Darum pilgerten Unzählige [525] zur „Friedensburg“ in dem einsamen Waldthal, um sich daselbst Nahrung, Trost und Stärkung für ihre Seelen zu holen. In Crefeld und Mülheim am Niederrhein waren alle ernsten und lebendigen Christen ihm zugethan. Tersteegen sah an ihm hoch hinauf, und nachdem H. längst (1721) gestorben war, schrieb Jung-Stilling (1785) in seinem „Theobald oder die Schwärmer“: „H. war ehrbar, sauber und bürgerlich gekleidet und von dem trefflichsten Charakter, den man sich denken kann. Ueberall suchte er Gelegenheit zum Lehren. Er versammelte wenige und viele Menschen, wie es die Gelegenheit gab, und lehrte sie den reinsten Mysticismus, gänzliche Sinnesänderung, vollkommene moralische Besserung nach dem Beispiel Christi etc. H. redete mit … unbeschreiblichem Feuer, aber ohne Schwulst und Schwärmerei … und Alles, was er lehrte, belebte er selbst. Ganz Meister über sein Herz und über seine Leidenschaft, demüthig und gelassen im höchsten Grade, stahl er Jedem das Herz, der mit ihm umging. Wo er geladen wurde, da ging er hin, setzte sich unten an oder bei das Gesinde. Er schwieg, bis er glaubte, mit Reden etwas ausrichten zu können; mit Einem Worte: er war ein herrlicher Mann“.

Vgl. M. Göbel, Gesch. des christl. Lebens im Rheinland etc., Bd. II. S. 809–855, wo sich S. 809–811 auch die auf H. bezügl. Litteratur angegeben findet.