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ADB:Hochstetter, Ferdinand Ritter von

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Artikel „Hochstetter, Ferdinand von“ von Siegmund Günther in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 55 (1910), S. 500–502, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Hochstetter,_Ferdinand_Ritter_von&oldid=- (Version vom 4. November 2024, 22:38 Uhr UTC)
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Hochstetter *): Ferdinand v. H., Geologe, geboren am 30. April 1829 zu Eßlingen, † am 18. Juli 1884 zu Oberdöbling bei Wien. Er war ein Abkömmling jenes dereinst berühmten, mit den Fugger und Welser stets gleichzeitig genannten Patriciergeschlechts der Augsburger Höchstetter (so die frühere Schreibweise), welches den Handel mit den neu entdeckten Ländern sehr eifrig betrieb, freilich aber auch durch kühne Speculationen schwere Einbußen erlitt. [501] Sein Vater lebte als Geistlicher längere Zeit in Oesterreich und wirkte namentlich in den Jahren 1816–1824 segensreich in Brünn, wo er sich auch als Botaniker Verdienste um die Erforschung der mährischen Flora erwarb. Als er in der Eigenschaft eines Stadtpfarrers und Professors nach Württemberg berufen wurde, setzte er diese Studien fort, und es ist wahrscheinlich, daß er auf die naturwissenschaftliche Richtung des Sohnes keinen geringen Einfluß ausgeübt hat. Dieser sollte zwar, nachdem er das Gymnasium der Klosterschule Maulbronn absolvirt hatte, Theologie studiren, ging aber auf der Universität Tübingen bald zum Studium der Physik, Geologie und Mineralogie über. Zumal die Neigung zu wissenschaftlichen Reisen wurde frühzeitig in ihm erweckt. In den 1820er Jahren wurde ein württembergischer „Reise-Verein“ begründet, dem Pfarrer H. zeitweise vorstand und der die anerkennenswerthesten Leistungen aufzuweisen hatte; unter den von ihm ausgesandten Forschern befanden sich die Träger klangvoller Namen: Schimper, Kotschy, Welwitsch. Im Pfarrhause zu Eßlingen wurde der äußere Ertrag dieser Reise zusammengestellt, um von hier aus an alle Museen Europas vertheilt zu werden; in solcher Atmosphäre mochte allerdings eher ein Naturforscher als ein künftiger Landpfarrer gedeihen.

Nachdem H. 1852 mit einer krystallographischen Arbeit in Tübingen promovirt hatte, erhielt er eine Staatsunterstützung, um sich im Auslande weiter fortzubilden. Zunächst besuchte er die altvulkanischen Gegenden der Rheinlande, und über Belgien, den Harz und Schlesien kam er schließlich nach Wien, das ihn dauernd fesseln sollte. Die Freunde, die er in der österreichischen Hauptstadt gewann, legten es ihm nahe, sich der vor wenigen Jahren erst gegründeten, aber bereits zu weitaussehender Wirksamkeit fortgeschrittenen Geologischen Reichsanstalt anzuschließen, und ihr trat er denn auch 1853 bei. Nachdem er seine ersten Aufnahmen im südlichen Theile des Böhmerwaldes ganz nach Wunsch seiner Auftraggeber durchgeführt hatte, erhielt er eine Anstellung als Hülfsgeologe, um schon 1856 Chefgeologe zu werden. Im gleichen Jahre habilitirte er sich an der Universität, zunächst für Petrographie. Die Akademie der Wissenschaften war auf den strebsamen jungen Gelehrten aufmerksam geworden, und als es sich darum handelte, der eben in Vorbereitung befindlichen „Novara“-Expedition einen Geologen beizugeben, fiel die Wahl auf H. Am 30. April 1857 lief das Expeditionsschiff, unter Wüllerstorf’s Commando, aus, und erst 1860 kehrte sein geologischer Begleiter nach Wien zurück. Allein er war nicht immer auf dem Schiffe geblieben, vielmehr trennte er sich nach neunmonatlicher Fahrt von demselben, um die Doppelinsel Neu-Seeland, die so reich an wissenschaftlichen Problemen ist und damals noch recht wenig erkundet war, einer gründlichen Durchforschung zu unterziehen. Wenn wir jetzt über den Gebirgsbau und den eigenartigen Vulkanismus dieses Antipodenlandes sehr gut unterrichtet sind, so verdanken wir das in erster Linie seinen Bemühungen; auch die seitdem von den Engländern bethätigte Erschließung reicher Mineralschätze wurde von H. in die Wege geleitet. Ueber Australien, Mauritius und Suez kehrte er nach Wien zurück, und bald schon sah er sich zum Professor der Mineralogie und Geologie am k. k. Polytechnischen Institute, dem Vorgänger der jetzigen Technischen Hochschule, ernannt. Doch trat er sein Amt erst im Spätjahre 1860 an, weil er zuvor noch in England sich einer Reihe von Verpflichtungen zu entledigen hatte. Auch nachmals war er noch häufig in fremden Ländern; so 1863 in der Schweiz und in Italien, 1869 in der Türkei, 1872 in Rußland, wo er hauptsächlich das Gouvernement Perm untersuchte und auch die Europa von [502] Asien trennende Grenze überschritt. Von 1866–1882 führte er das Präsidium der k. k. Geographischen Gesellschaft; 1876 wurde er Intendant des großartigen neuen Naturhistorischen Hofmuseums, dessen Einrichtung großentheils sein Werk ist. An äußeren Ehren fehlte es ihm nicht. Er wurde 1872, als k. k. Hofrath, Lehrer des Kronprinzen Rudolf auf naturwissenschaftlichem Gebiete; 1875 vertrat er Oesterreich auf dem Internationalen Geographischen Congresse in Paris, 1876 bei der Congo-Conferenz in Brüssel. Sein Lehramt legte er 1881 nieder, um sich ganz seinen anderen Geschäften widmen zu können. Auch der persönliche Adel wurde ihm verliehen.

Hochstetter’s älteste Arbeiten betreffen das Kalkspatsystem. Geologisch trat er zuerst (theils im Jahrbuche der Reichsanstalt, theils in den Sitzungsberichten der Akademie) mit Studien über Böhmen hervor, die auch die Karlsbader Thermen umfaßten. Seine in der „Allgemeinen Zeitung“ veröffentlichten Reisebriefe „Aus dem Böhmerwald“ ließen schon sein Geschick für populärwissenschaftliche Darstellung erkennen. Von zahlreichen specialfachlichen Abhandlungen abgesehen, trat er 1863 mit einem sofort als mustergültig begrüßten Werke („Neu-Seeland“, Stuttgart 1863) vor das Publicum, dem bald eine wichtige, zusammen mit dem Kartographen A. Petermann bearbeitete Ergänzung folgte („Geologisch-topographischer Atlas von Neu-Seeland“, Gotha 1863). Die nächsten Jahre brachten aus seiner Feder drei Bände geologischen Inhaltes der „Reise der österreichischen Fregatte Novara um die Erde“ (Wien 1864–1866). Daran schlossen sich die folgenden geologisch-geographischen Berichte: „Reise durch Rumelien“ (Mittheil. d. k. k. Geogr. Gesellsch., 1870 bis 1871); „Die geologischen Verhältnisse des östlichen Theiles der Europäischen Türkei“ (Jahrb. d. Geol. Reichsanstalt, 1871 und 1872; „Ueber den Ural“ (Berlin 1878, in der Virchow-Holtzendorff’schen Sammlung); „Asien, seine Zukunftsbahnen und Kohlenschätze“ (Wien 1876). Von der Türkei besaß man vor H. überhaupt keine brauchbaren geognostischen Karten. In seinen letzten Jahren wandte er der prähistorischen Forschung besondere Aufmerksamkeit zu und begründete für sie im Schoße der Wiener Akademie eine eigene Commission, deren ständiger Obmann er auch war.

Einen dauernden Denkstein hat er sich durch seine trefflichen Unterrichtswerke gesetzt, in denen seine hohe Lehrbefähigung zum deutlichsten Ausdrucke kam. Die für Anschauungsmittel stets sehr rührige Schreiber’sche Verlagsbuchhandlung in seiner Vaterstadt gab von ihm heraus: „Geologische Bilder der Vorwelt und der Jetztwelt“ (Eßlingen 1878). Zwei Jahre später ließ er in Prag sein Lehrbuch „Die Erde“ erscheinen. Aus diesem aber erwuchs, indem er sich mit zwei hervorragenden Vertretern anderer Zweige verband, ein in jeder Beziehung ausgezeichnetes Handbuch der naturwissenschaftlichen Erdkunde („Die allgemeine Erdkunde“, Prag-Leipzig 1881). In ihm hatte Hann die mathematische Geographie und Meteorologie, Pokorny die sämmtlichen biologischen Theile übernommen, während H. die physikalische Geographie der Festländer und Meere in Verbindung mit Stratigraphie und Paläontologie lieferte. Noch zu seinen Lebzeiten wurde eine dritte Auflage erforderlich, und auch seitdem traten neue Ausgaben an das Licht, bei denen allerdings nur noch der Altmeister Hann allein von den drei ursprünglichen Autoren mitzuwirken im Stande war. Das Werk hat in der Unterrichtslitteratur geradezu vorbildlich gewirkt.

Deutsche Rundschau für Geographie und Statistik. 1. Jahrgang, S. 267. ff. – Zeitschrift für die österreichischen Gymnasien, 35. Bd.

[500] *) Zu Bd. L, S. 381.