ADB:Welwitsch, Friedrich
Jacquin, Host und Trattinick waren seine Lehrer in dieser Wissenschaft. Welwitsch’s erste Publication war ein Aufsatz im 4. Bande der Beiträge zur Landeskunde Oesterreichs (1834) „Beiträge zur kryptogamischen Flora Unterösterreichs“, welcher mit einem Preise der Stadt Wien gekrönt wurde. Nicht lange darnach betraute ihn die österreichische Regierung mit einer Untersuchung der Cholera in Savoyen und dieser ehrenvolle Auftrag söhnte den Vater mit dem Wechsel seines Berufes aus. Nachdem er dann noch kurze Zeit hindurch einen österreichischen Edelmann auf dessen Reisen als Erzieher begleitet hatte, wurde er, nach Wien zurückgekehrt, zum Dr. med. promovirt auf Grund einer Dissertation: „Synopsis Nostochinearum Austriae inferioris“, welche 1836 im Drucke erschien. Durch diese, wie durch die vorhin erwähnte Arbeit kann W. als Gründer der Kryptogamenflora von Niederösterreich angesehen werden. Ein Besuch der deutschen Naturforscherversammlung regte in ihm zuerst den Gedanken an, sich als Forschungsreisender zu versuchen und es fand sich bald eine Gelegenheit zur Ausführung dieses Planes. Im J. 1839 wurde W. von dem Württembergischen Reiseverein, dessen Mitglied er war, beauftragt, die Pflanzenwelt der Azoren und Capverdischen Inseln zu erforschen. Im Sommer desselben Jahres verließ er Wien und [700] erreichte, nach kurzem Aufenthalte in England, im Juli Lissabon. Hier erfuhr seine Reise einen unerwarteten Aufschub. Er benutzte die Zeit zu floristischen Studien in der Umgebung der portugiesischen Hauptstadt und zur Anlage einer umfangreichen Pflanzensammlung. Diese Thätigkeit fesselte ihn so, daß er beschloß, ganz in Portugal zu verbleiben. Innerhalb sechs Wochen erwarb er sich eine hinreichende Kenntniß der Landessprache und entwarf nun den Plan zur systematischen Erforschung von ganz Portugal. Nach Oesterreich kehrte er nicht wieder zurück, verließ auch, kurze Besuche in London und Paris abgerechnet, sein Adoptivvaterland nicht vor dem Jahre 1853. Er übernahm die Aufsicht über die botanischen Gärten in Lissabon und Coimbra und die Verwaltung der Gärten des Herzogs von Palmella in Cintra und Alemtejo. Seine Reisen führten ihn durch den größten Theil des Königreichs und brachten ihm reiche Pflanzensammlungen ein. Nicht weniger als 56 000 Exemplare sandte er dem Reiseverein und lieferte Collectionen für die Herbarien der Akademien in Lissabon und Paris. Sein Privatherbar umfaßte an portugiesischen Pflanzen mehr als 9000 Species in tadellosen Exemplaren in den verschiedensten Wachsthumszuständen und mit sorgfältigen Bestimmungen. Die litterarischen Ergebnisse seiner Reisen in Portugal, vornehmlich den Kryptogramen, dem Gegenstande seiner besonderen Vorliebe gewidmet, waren eine im zweiten Bande der Acten der Akademie von Lissabon 1850 erschienene Beschreibung der „Genera Phycearum Lusitanae“, worin er allein 250 neue Tangarten aufzählt, ferner einige Aufsätze in der Zeitschrift Flora: „Ueber einige halbtropische, augenscheinlich in Portugal heimische Arten“ (1849) – „Ueber portugiesische Eichen“ (1861), und – seine letzte wissenschaftliche Arbeit – „Notizen über die Bryologie von Portugal“ (1872). Außerdem wurden die von W. gesammelten Laub- und Lebermoose von Mitten bearbeitet. Im J. 1850 beschloß die portugiesische Regierung, einer zur Bereisung ihrer Kolonien an der westafrikanischen Küste bestimmten Expedition einen wissenschaftlichen Begleiter mitzugeben. Die Wahl fiel auf W. Er reiste 1851 behufs Information und Ausrüstung für seine Reise nach London und verließ im August 1853 Europa. Seine Reiseberichte sind in den veröffentlichten Briefen an die portugiesische Regierung und in der Einleitung zu Morelet’s: „Memoir on the Land and Fresh-Water Shells“ enthalten. Nach kurzem Besuche von Madeira, den Capverden, S. Jago und den Prinzen-Inseln, landete die Expedition im September d. J. in Freetown an der Sierra-Leone-Küste und erreichte Anfangs October Loanda, die Hauptstadt Angolas. Diese Stadt bildete zunächst die Operationsbasis. Nahezu ein Jahr verwendete W. zur gründlichen Erforschung der maritimen Zone und begab sich dann, dem Laufe des Bengo folgend, ins Innere. Golungo-Alto bildete den Mittelpunkt eines Gebiets, dessen Erforschung ihn zwei Jahre festhielt. Obwol in dieser Zeit wiederholt leidend an den gewöhnlichen Erkrankungen europäischer Reisenden in den Tropenländern, an Fieber und Dyssenterie, war er dennoch unermüdlich thätig im Sammeln von Pflanzen und Thieren und erschloß ein bis dahin floristisch noch wenig bekanntes Land. Hier war es auch, wo er im October 1854 mit Livingstone zusammentraf, was zur Folge hatte, daß er seine ursprüngliche Idee, unter Durchquerung des Continents die ostafrikanischen portugiesischen Besitzungen aufzusuchen, aufgab. 1856 verließ W. Golungo-Alto und erreichte im October das südwestlich davon liegende Pungo-Andongo. Eine graphische Skizze dieser Reise enthält Murray’s Journal of Travel and Natural History (Nr. 1). Die Flora dieses Districts schildert er als eine paradiesische mit den lebhaftesten Farben und bezeichnete Pungo-Andongo geradezu als einen botanischen Garten gewaltiger Ausdehnung, in welchem man die interessantesten Formen der Vegetation des tropischen und [701] subtropischen Afrikas beisammen fände neben einer beträchtlichen Zahl endemischer Pflanzen. Von Interesse war auch seine Entdeckung der Rhipsalis Cassytha, der einzigen bisher außerhalb Amerikas gefundenen Cactee. Nach achtmonatlichem Aufenthalte in diesem Landstrich, den W. nach allen Richtungen durchkreuzte, ostwärts bis zu den Fällen des Quanza vordringend, ging er über Golungo-Alto nach Loanda zurück, das er im August 1857 erreichte. Soweit ihm sein Gesundheitszustand zu arbeiten gestattete, benutzte er die Zeit der Ruhe zur litterarischen Verwerthung seiner Forschungsergebnisse. Ueber die Vegetation von Angola geben 2 werthvolle Briefe an W. Saunders Aufschluß, abgedruckt in dem Linn. Soc. Journal Vol. III und seine Reiseberichte erschienen in Lissabon unter dem Titel: „Apontamentos Phyto-geographicos sobre a Flore da Provincia de Angola na Africa Equinocial“ in den Annaes do Conselho Ultramarino im December 1858. Aus diesen ergibt sich, daß W. während der drei Reisejahre 3227 Species gesammelt und bestimmt hatte. Später kamen noch 510 Arten hinzu. Bei jeder Familie ist die Zahl der gesammelten Arten sowie die Region ihres Fundortes angegeben, ob an der Küste, innerhalb der Gebirgsregion oder auf dem hohen Tafellande wachsend. Angeschlossen ist eine Liste der Culturpflanzen mit Bemerkungen über deren Verbreitung. Nach kurzer Schonzeit, welche er seiner Gesundheit schuldete, setzte W. Ende Juni 1859, obwol noch am Fieber leidend, seine Forschungen nach einer anderen Richtung fort. Er beabsichtigte zunächst nur die Littoralregion von Benguela und Mossamedes zu besuchen, dehnte indessen, da sich seine Gesundheit stetig besserte, seine Excursionen allmählich weiter aus und zwar zunächst südwärts bis über Cap negro und dann, als im October der Frühling einbrach, in das Innere von Benguela zur Erforschung der Hochebene von Huilla, welche in einer Entfernung von ungefähr 80 Meilen von der Küste sich in Höhen von 5800–6000’ über den Meeresspiegel erhebt. Seine Eindrücke über die Küstenflora von Benguela und Mossamedes, die sich wesentlich von derjenigen an der Loangoküste unterscheidet und bunter und mannichfaltiger ist, schilderte W. in einem von Loanda aus an Hooker gerichteten Briefe, abgedruckt im Journal of Linn. Soc. Vol. V. Die interessanteste Entdeckung aber machte W. in der Nähe des Cap negro. Hier fand er auf einer, aus Kalk, Tuff und Lehmlager bestehenden, mit sandigem Geröll bedeckten Hochebene die merkwürdige Gnetacee<,/tt> die Hooker in den Linn. Soc. Trans. Vol. XXIV 1863 beschrieben und dem Entdecker zu Ehren Welwitschia mirabilis benannt hat, jenen Zwergbaum, welcher bei einem oft 4 Fuß messenden Durchmesser des Stammes, dennoch nie über 1 Fuß hoch sich über die Erde erhebt und während seines, nicht selten ein Jahrhundert überschreitenden Wachsthums immerfort nur die beiden holzartig werdenden Cotyledonen beibehält. Später wurde die Pflanze in ähnlicher Gegend von Baines und Anderson im Damaraland, unfern der Walfischbai aufgefunden. Das Landschaftsbild von Huilla erinnerte den Reisenden an die Schweizer Vorgebirge, nur daß zahlreiche Melastomaceen, Combretaceen und Apocyneen den Tropencharakter wahrten. Eine Schilderung der Vegetation dieses Plateaus findet sich in einem Briefe, den W. nach seiner Rückkehr nach Portugal an De Candolle richtete und der in der Bibliothèque universelle de Genève vom Juli 1861 publicirt ist. Gegen 2000 Pflanzenspecies waren das Sammlungsergebniß dieser letzten Reise. Im Januar 1861, also nach 7½jähriger Abwesenheit von Europa, kehrte W. nach Lissabon zurück. Hier begann er alsbald eine kritische Sichtung des enormen Pflanzenmaterials. Unzweifelhaft gehören seine Sammlungen zu den besten, welche je in Afrika gemacht wurden und zwar nicht nur wegen der reichen Artenzahl, sondern auch wegen der Sorgfalt in der Behandlung und Auswahl des Gesammelten, sowie der werthvollen Notizen halber, welche der Sammler seinen [702] Objecten nach Beobachtungen an Ort und Stelle beigefügt hatte. Zu einer gründlichen Bearbeitung dieser Schätze erwies sich aber Lissabon als nicht geeignet. Es fehlte hier an Sammlungen, welche zum Vergleich hätten herangezogen werden können, an litterarischen Hilfsmitteln und an geeigneten, genügend geschulten Mitarbeitern. So war W. genöthigt nach London zu gehen. Hier begann er 1863 seine Arbeit, unterstützt durch eine pecuniäre Beihülfe seitens der portugiesischen Regierung. Allein schon nach 2 Jahren entzog man ihm die Unterstützung. Ganz unbewiesenen Anschuldigungen, welche man im Lissaboner Parlament gegen ihn erhob, als bereichere er sich persönlich durch den Verkauf der Angola’schen Sammlung, lieh die Regierung Gehör. So blieb denn W. in London und begann sein vorgestecktes Werk aus eigener Kraft in die Hand zu nehmen, zwar tief gekränkt durch die schmachvolle Behandlung seitens des Landes, dem er seine besten Kräfte gewidmet hatte, aber unentwegt und trotz seiner Leiden, welche ihn nie mehr ganz verlassen sollten. Zwar war sein Gesundheitszustand bis zum Sommer 1872 leidlich. Da aber brach in seinem Hause Feuer aus und bedrohte ernstlich seine werthvollen Sammlungen. Die Folge war eine Nervenerschütterung, welche seinem Körper gefährlich wurde. Nur eine kurze Zeit noch konnte er sich wissenschaftlich beschäftigen und nach sechswöchentlichem schmerzlichen Siechthum verschied er zu London in einem Alter von 65 Jahren.
Welwitsch: Friedrich W., botanischer Reisender, geboren zu Maria-Saal in Kärnten 1807, † zu London am 20. October 1872. Als Sohn eines Gutsbesitzers hatte W. in seiner Knabenzeit reichlich Gelegenheit, Feld und Flur zu durchstreifen, wodurch schon frühzeitig sein Sinn auf die Pflanzenwelt gelenkt wurde. Er bezog die Universität Wien, um, einem väterlichen Wunsche entsprechend, Jura zu studiren. Seine Neigung aber gehörte den Naturwissenschaften und da ihm für derartige Studien vom Hause keine Unterstützung zukam, war er zur Beschaffung seines Unterhaltes auf sich selbst angewiesen. Er schrieb zu diesem Zwecke Theaterkritiken. Bald trat er ganz zur medicinischen Facultät über und trieb mit Eifer Botanik.Außer den schon angeführten Arbeiten und noch einigen später publicirten Abhandlungen über afrikanische Pflanzen und Drogen, die im Journal of the Linn. Soc. (Vol. VIII) in den Transactions of Linn. Soc. (Vol. XXVI) und in Gardener’s Chronicle (1871) erschienen sind, ist Welwitsch’s wichtigste Publication sein: „Sertum Angolense“, 1869 in den Transactions of Linn. soc. (Vol. XXVII) abgedruckt. Es enthält, in lateinischer Sprache geschrieben, neben einer geographischen Skizze, die ausführlichen und von guten Abbildungen begleiteten Beschreibungen einer größeren Anzahl der interessantesten neuen und wenig bekannten Pflanzenformen der portugiesischen Colonien Westafrikas, im ganzen 12 neue genera und 48 neue species. Von andern Autoren, welche auf Grund der Welwitsch’schen Sammlungen die Wissenschaft förderten seien genannt: Hooker, der eine Flora of Tropical Africa herausgab, A. de Candolle, welcher die Campanulaceen, Oliver, der die Lentibulariaceen monographisch bearbeitete, ferner Müller, Seemann, Schott und Hegelmaier, welche unter dem Titel: „Welwitschii Iter Angolense“ mehrere Artikel im Journal of Botany (Vol. II u. III) veröffentlichten. Von Kryptogamen hat Duby die Moose beschrieben (Memoirs of the Natural History Society of Genera 1870/71) und Nylander eine Uebersicht über die Flechten geliefert (Bull. Soc. Linnéenne de Normandie 1869). In Welwitsch’s Nachlaß theilten sich das Berliner Herbar, der botanische Garten in Wien, das Landesmuseum in Kärnthen, das British Museum, der Garten in Kew, die Museen zu Paris, Kopenhagen, Rio de Janeiro, die portugiesische Regierung und die Akademie der Wissenschaften in Lissabon, sowie der Afrikareisende G. Schweinfurth und Alphonse de Candolle in Genf.
- Nekrolog von H. Trimen im Journal of Botany (New Series, Vol. II) 1873. – Oesterr. bot. Zeitschrift 1861. – Botanische Zeitung 1872.