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ADB:Ittig, Thomas

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Artikel „Ittig, Thomas“ von Gotthard Lechler in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 14 (1881), S. 645–646, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Ittig,_Thomas&oldid=- (Version vom 16. Dezember 2024, 13:50 Uhr UTC)
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Ittig: Thomas I., Dr. theol., war einer der hervorragendsten und ehrwürdigsten Theologen am Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts. Geboren zu Leipzig am 31. October 1643, stammte er aus einer angesehenen Familie, studirte in Rostock, Leipzig und Straßburg; an ersterer Universität war er Christian Kortholt’s, an letzterer J. Konrad Dannhauer’s und Sebast. Schmid’s Schüler. Nachdem er zwei Jahre als Hauslehrer in Dresden gearbeitet hatte, betrat er in Leipzig die akademische Laufbahn und zwar in der philosophischen Fakultät 1670. In demselben Jahre wurde er zum Pfarrer der damaligen Vorstadtkirche St. Johannis ernannt; von da an stieg er von einer Stufe geistlicher Aemter seiner Vaterstadt zur anderen, wurde 1674 Subdiakonus zu St. Thomae, 1675 Diakonus daselbst, 1685 Diakonus zu St. Nicolai, 1686 Archidiakonus und 1699 Pastor daselbst und Superintendent, zugleich wurde er [646] zum Assessor des Consistoriums zu Leipzig ernannt. Theologische Vorlesungen eröffnete er 1679 privatim, promovirte aber 1685 zum Licentiaten der Theologie, wurde 1697 zum außerordentlichen Professor der Theologie berufen, aber schon 1698 zum ordentlichen Professor befördert, worauf ihm im folgenden Jahre die theologische Doctorwürde und eine Meißener Domherrnstelle übertragen wurde. So war er zu den ansehnlichsten kirchlichen und akademischen Würden Schritt vor Schritt aufgerückt. – Als Professor war er seiner Gelehrsamkeit und seines Fleißes wegen hoch geachtet; seine Stärke lag auf dem Gebiete der Kirchengeschichte des Alterthums, d. h. der ersten sechs Jahrhunderte; auf diesem Felde arbeiteten Ende des 17. Jahrhunderts nicht nur Theologen der anglikanischen und der französischen reformirten Kirche, sondern auch lutherische Gelehrte, unter denen I. hervorragte. Einige patristische Schriften hat er herausgegeben. Indessen fehlte es ihm nicht an warmer und weitherziger Theilnahme für die evangelische Kirche neuerer Zeit, hat er doch eine Geschichte der französisch-reformirten Nationalsynoden in Angriff genommen, von der aber nur der erste Theil 1705 erschienen ist. Den Pietismus sah er sich entwickeln, betheiligte sich aber, ungeachtet er der lutherischen Orthodoxie angehörte, an der Polemik gegen denselben nur fachlich, mit Mäßigung und Milde. Eine der Debatten, welche den pietistischen Streit bilden, der terministische Streit, über die Frage: ob dem Menschen eine peremtorische Frist zur Bekehrung von Gott gesetzt sei, wurde zwischen Dr. Adam Rechenberg und I., als den Hauptsprechern, 1700–1709 geführt. I. vertheidigte die lutherische These, daß „allen Sündern die Gnadenthür bis an den Tod offen stehe“. Eine Anzahl gelehrter und populärer Schriften Ittig’s bewegt sich um diesen Angelpunkt. – Als Prediger und Seelsorger war I. nicht weniger geachtet, denn als Gelehrter und Professor. Er war ein Mann von ungeheuchelter warmer Frömmigkeit. Wären alle Männer der lutherischen Orthodoxie von solcher herzlichen Frömmigkeit beseelt gewesen, wie er, so würde der von Spener ausgegangene Pietismus nicht unentbehrlich geworden sein. I. war ein Mann des Gebets, seine Heimath im Himmel; wie oft schrieb er Studenten, die ihm ihr Stammbuch brachten, die Worte aus Hebr. 13, 14 ein: μέλλουσα μένουσα. In einem streitbaren Zeitalter war er, bei allem Eifer für die reine Lehre, mild, aufrichtig und human, eine Seele ohne Falsch. Verehelicht war er nur Jahr und Tag. Am 16. Mai 1685 wurde er mit Sophie Elisabeth geb. Böschen, der Wittwe eines Amtmanns Sulzberger, getraut; sie starb aber schon am 19. December 1686 kinderlos, und I. ist von da an Wittwer geblieben. Er genoß bis ins 62. Lebensjahr der besten Gesundheit. Von 1705 an litt er am Stein und anderen Uebeln, trug aber sein Leiden mit Willensstärke und frommer Geduld, und starb gläubig und zum Heimgang bereit am 7. April 1710.

Die beste Nachricht über ihn gibt Joh. Friedrich Kern, De Vita obitu scriptisque – Thomae Ittigii – epistolica dissertatio ad – Jo. Fechtium, Lips. 1710, 4.