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ADB:Johann Wilhelm (Herzog von Jülich-Kleve-Berg)

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Artikel „Johann Wilhelm, Herzog von Jülich-Cleve“ von Felix Stieve in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 14 (1881), S. 228–230, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Johann_Wilhelm_(Herzog_von_J%C3%BClich-Kleve-Berg)&oldid=- (Version vom 3. Dezember 2024, 17:37 Uhr UTC)
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Johann Wilhelm, Herzog von Jülich-Cleve, geb. am 29. Mai 1562, † 1609. Da er der zweite Sohn Herzog Wilhelms IV. von Jülich-Cleve und der Tochter Kaiser Ferdinands I., Maria, war und die Lande seines Vaters nicht getheilt werden durften, wurde er, um ihn zu versorgen, dem geistlichen Stande bestimmt und in dem Collegiatstifte St. Victor zu Xanten, wo er späterhin Propst wurde, seit seinem neunten Jahre erzogen. Am 4. September 1573 erhielt er ein Canonicat am Dome zu Köln. Schon zwei Jahre vorher hatte ihn Johann von Hoya, Bischof von Osnabrück, Münster und Paderborn durch Vertrag vom 23. December 1571 zum Coadjutor für das Stift Münster angenommen, dagegen waren die Bemühungen, ihm in gleicher Weise auch zu Osnabrück und Paderborn die Anwartschaft auf die Nachfolge zu sichern, an dem Widerstreben der betreffenden Kapitel gescheitert. Am 5. April 1574 starb Bischof Johann; am 28. wurde J. W. vom münsterschen Kapitel einstimmig zum Nachfolger erwählt unter dem Vorbehalte, daß die Regierung des Stiftes bis zu seiner Mündigkeit von Bevollmächtigten des Kapitels und der weltlichen Landstände geführt werden solle. Gleich im folgenden Jahre eröffnete jedoch der Tod seines älteren Bruders Karl Friedrich unserem Prinzen die Anwartschaft auf die jülicher Lande und rief somit denselben von der geistlichen Laufbahn ab. Da das münstersche Kapitel sich nicht geneigt zeigte, das Stift einem weltlichen, regierenden Fürsten anzuvertrauen, schlug Wilhelm IV. zum Nachfolger seines Sohnes dessen Vetter, Herzog Ernst von Baiern, der bereits Bischof von Hildesheim war, vor. Die älteren Domherren waren bereit, diesem Wunsche zu entsprechen; die vorzugsweise aus den jüngeren Domherren bestehende Minderheit aber, welche den Restaurationseifer des bairischen Hauses fürchtete, wandte sich dem Gedanken zu, den protestantisch gesinnten Erzbischof von Bremen, Herzog Heinrich von Sachsen-Lauenburg, welcher in Osnabrück an die Stelle Johanns von Hoya erwählt wurde, zu erheben. Um die Verwirklichung dieses Planes zu verhüten und die Wahl Ernsts von Baiern durchzusetzen, wurde nun die Abdankung Johann Wilhelms im Einverständnisse mit der Minderheit, dem Hause Baiern und dem Papste zunächst verschoben und dann, nachdem die Verzichtsurkunde [229] unter dem 23. Februar 1577 ausgestellt worden war, sofort widerrufen, weil die Mehrheit, den vorher von ihr abgegebenen Erklärungen zuwider, sich anschickte, statt Ernsts den Lauenburger zu wählen. Der Vorschlag des jülicher Hofes, daß der Papst, um den Streit beizulegen und Zeit zu gewinnen, einstweilen J. W. als Administrator des Stifts anerkennen möge, stieß in Rom auf Bedenken, denn man hegte dort in Bezug auf die kirchliche Gesinnung Wilhelms IV. Argwohn, zweifelte deshalb daran, daß J. W. sich der strengkirchlichen Richtung anschließen werde und fürchtete insbesondere, daß Wilhelm, wie er selbst das Abendmahl unter beiden Gestalten empfing, dasselbe auch seinem Sohne in gleicher Weise ertheilen lassen werde, was, wenn dieser das Haupt eines Bisthums war, ein den Restaurationsbestrebungen nachtheiliges Beispiel geben und großen Anstoß erregen mußte. Gregor XIII. schickte Anfang März 1576 eigens einen Gesandten nach Cleve, um zu bewirken, daß J. W. unter einer Gestalt communicire. Wilhelm gab jedoch nur ausweichende Antwort und verschob die Abendmahlsfeier seines Sohnes, weil dieser noch „zu schwache Einsicht“ besitze. Erst Weihnachten 1578 ließ er ihn die erste Communion unter einer Gestalt empfangen. Hierdurch beruhigt, ernannte darauf der Papst, da sich inzwischen der Zwist im münsterschen Kapitel verschärft hatte und die Durchsetzung der Wahl Ernsts kaum zu hoffen stand, Ende 1579 J. W. durch ein Breve zum Administrator. Es war das ein durchaus unbefugter Eingriff, denn, da W. entschlossen war, nicht in den geistlichen Stand zu treten, handelte es sich nicht mehr um die vorläufige Bestätigung seiner Wahl zum Bischofe, sondern um die Anordnung der weltlichen Regierung eines Reichsstiftes, über welche der Kaiser, das Kapitel und die Landstände zu bestimmen hatten. Rudolf II. erhob daher gegen die Anmaßung des Papstes Einsprache und versuchte im Einverständnisse mit dem Erzbischofe von Bremen und dessen münsterschen Anhängern die Wahl eines seiner Brüder zu bewirken. Das mißglückte jedoch ebenso wie das Unterfangen der Minderheit, dem Herzoge Ernst durch Ueberrumpelung der Gegner den Sieg zu verschaffen. Beide Parteien einigten sich darauf – das päpstliche Breve unbeachtet lassend – unter Einwirkung der weltlichen Landstände dahin, J. W. als „Administrator und Gubernator der Weltlichkeit des Stiftes“ unter Beiordnung der früher mit der Regentschaft Beauftragten anzunehmen. Am 11. Mai 1580 wurde die betreffende Urkunde ausgefertigt; W. versprach hingegen, sobald er sich verheirathe, vorbehaltlos abzudanken. Seitdem hielt er sich in Horstmar bei Münster auf. Von seiner Regierungsthätigkcit ist nichts hervorzuheben, als daß er im Mai 1583 vom Rathe der Stadt Münster die Zulassung der Jesuiten begehrte. Am 2. Mai 1585 starb Erzbischof Heinrich. Da hierdurch für Ernst von Baiern die Bahn frei wurde, dankte W. auf der Stelle ab. Schon am 14. September 1584 hatte er sich mit der Markgräfin Jakobe von Baden verlobt; am 16. Juni 1585 wurde zu Düsseldorf die Vermählung mit ihr vollzogen. Die Heirath war herbeigeführt worden, um den Jungherzog der Restaurationspartei zu sichern. Zunächst wandte sich dieser jedoch der Spanien abgeneigten und in kirchlicher Hinsicht vermittelnden Richtung seines Vaters zu. Erst als er auf Anmahnen Rudolfs II. 1586 zu den Regierungsgeschäften zugezogen wurde, änderte er seine Haltung. Eigenmächtig ging er nun gegen den Protestantismus in den jülicher Landen vor. Dadurch verfeindete er sich jedoch mit den Räthen seines Vaters und mit diesem selbst, der, seit langen Jahren mehr und mehr in Geisteskrankheit verfallend, zu argwöhnischer Sorge um seine Gewalt neigte. Schon daß J. W. in so jungen Jahren zum Administrator von Münster erhoben worden war, hatte ihn mit „etwas Widerwillen“ gegen denselben erfüllt. Jetzt kam es dahin, daß der Vater den Rath verließ, wenn er seinen Sohn dort traf. Auch mit den überwiegend evangelischen Landständen [230] entspannen sich in Folge der Restaurationsversuche des Jungherzogs heftige Streitigkeiten. Diese Verhältnisse wirkten nachtheilig auf den geistigen Zustand desselben ein. Er war von Natur an Körper und Geist schwach und hatte die krankhafte Anlage seines Vaters geerbt. Unter den Erregungen der Händel, in welche er gerieth, entwickelte sich dieselbe mehr und mehr. Einerseits schmiedete er in wirrem Ehrgeiz allerlei Pläne, die Ketzerei in den jülicher Landen zu vertilgen und die Herrschaft dem Vater zu entreißen, andererseits erfüllte ihn in wachsendem Maße die Furcht, daß er von Verschwörungen und Anschlägen auf sein Leben bedroht sei. Daß den Landständen trotz seinem Widerspruche Zugeständnisse gemacht wurden, welche eine von ihnen gebildete Regierung der fürstlichen entgegenstellten, daß er von den Staatsgeschäften völlig ausgeschlossen wurde und daß die Räthe ihn und seine Gemahlin in drückender Geldnoth hielten, steigerte das Leiden des Jungherzogs. Dazu kam der Kummer über die Kinderlosigkeit seiner Ehe und über die Verwüstung der jülicher Lande durch spanisches und holländisches Kriegsvolk. Im März und heftiger im Sommer 1589 befiel ihn angstvolle Schwermuth. Am 1. Januar 1590 kam die Krankheit zum vollen Ausbruche; einige Wochen später verfiel er in Tobsucht. Seitdem blieb er wahnsinnig, doch besserte sich sein Zustand in Folge der Behandlung eines aus Holland berufenen englischen Arztes seit 1597 so weit, daß man ihn der Haft entlassen und am 20. Juni 1599, nachdem seine erste Gemahlin am 3. September 1597 ermordet worden war, mit Herzogin Antonie von Lothringen verheirathen konnte, um das Aussterben des jülicher Mannsstammes zu verhüten. Auch diese Ehe blieb indeß kinderlos, obwol wiederholt Antonie und ihr Gemahl langwierigen Exorcisationen unterworfen wurden, um ihre Unfruchtbarkeit und seine, wie es scheint, in dumpfen Blödsinn übergegangene Geisteskrankheit zu beseitigen. Am März 1609 starb J. W. ohne Erben.

H. Kock, Series episcoporum Monasteriensium, III. 143 ss. J. Niesert, Münstersche Urkundersammlung VII. 225 ff., Münstersche Geschichtsquellen III. 49 ff. Theiner, Annales eccl. II und III, und Mittheilungen aus ungedruckten Acten von Herrn Dr. Max Lossen. Stieve, Zur Geschichte der Herzogin Jakobe von Jülich (Zeitschrift des bergischen Geschichtsvereins XIII. 1 ff.,). Derselbe, Actenstücke und Regesten zur Geschichte der jülicher Lande (a. a. O. XVI. 1 ff.). A. Mörath, Beiträge z. Gesch. der rheinischen Linie des Fürstenhauses Schwarzenberg (a. a. O. XVI. 204 ff.) (Beer von Lahr.), Originaldenkwürdigkeiten eines Zeitgenossen am Hofe Johann Wilhelms III., Herzogs von Jülich. Düsseldorf 1834. P. Ph. Wolf, Geschichte Maximilians I. von Baiern) und seiner Zeit, II. 514 Anm. 1. Zeitschrift des bergischen Geschichtsvereins, II. 201 ff. Monatsschrift für die evangelische Kirche der Rheinprovinz und Westfalens, 1853, I. 20 ff. Ein gutes Bild Johann Wilhelms findet sich in: Des Fürstlichen Geschlechts und Hauses Jülich, Clef, Berg und Mark etc. Stammregister, Arnheim 1610, Fol.