ADB:Juan de Austria
Kaiser Karls V. Als Karl im J. 1546, April bis August, sich in Regensburg aufhielt, knüpfte er zu seiner Zerstreuung und Erheiterung ein Verhältniß mit einem Bürgermädchen, Barbara Blomberg, an. Als Frucht desselben wurde am 24. Februar 1547 – an seinem Geburtstage – dem Kaiser ein Knabe, Johann, geboren. Mit einer gewissen Heimlichkeit wurde dieser Sachverhalt umgeben; aber Karl erkannte den Sohn Barbara’s ohne weiteres als sein Kind an. Barbara heirathete später einen kleinen Beamten, den Kriegs- und Musterungscommissarius Kegel in den Niederlanden; als sie Wittwe geworden, sorgte die spanisch-niederländische Regierung für ihren standesgemäßen Unterhalt. Ihr und des Kaisers Kind war schon 1550 nach Spanien geschickt und dort unter der Obhut des Luis de Quijada in Leganes von einfachen Leuten im Stillen erzogen worden. 1554 nahm Quijada sogar den Knaben „Geronimo“ in sein Haus auf. Während Karls Aufenthalt in San Juste war der Knabe im Gefolge Quijada’s, so daß der alte Kaiser ihn oft sehen konnte. In einem Codizill, das er seinem Testamente beifügte, empfahl er seinem Sohne König Philipp II. die Sorge für seinen jüngeren Halbbruder; er wünschte, derselbe solle Mönch werden, jedoch wollte er ihn dazu nicht gezwungen sehen. Nach Philipps Rückkehr auf spanischen Boden im September 1559 wurde J. aus seiner bisherigen Verborgenheit hervorgeholt und als Prinz des kaiserlichen Hauses öffentlich bezeichnet; neben Philipps eigenem Sohne Don Carlos bildete er jetzt einen Theil des spanischen Hofes. Es scheint, daß die beiden auch im Alter einander nahestehenden jungen Prinzen eine gemeinsame oder doch ähnliche Erziehung genossen. Mehrere Jahre verlebte J. in Alcalà, den Studien ergeben. Es heißt, der König habe vergeblich für seinen Halbbruder sich um einen Kardinalshut bemüht. Allmälig aber wurde es auch immer deutlicher, daß des Heranwachsenden Neigungen sich auf Kriegsdienst, nicht auf geistliche Dinge richteten; er selbst verlangte ungestüm, zum Waffenwerke zugelassen zu werden. Als 1565 die Kunde von der Bedrängniß Malta’s durch die Türken nach Spanien gelangte, versuchte J. heimlich dorthin [279] zu entweichen; doch dem gemessenen Befehle des Königs, an den Hof zurückzukehren, leistete er unweigerlich Gehorsam: seinen ganzen jugendlichen Thatendrang und Kriegseifer stellte er offen und loyal in den Dienst seines Königs. So übertrug Philipp ihm bald wichtige Posten; er machte ihn schon im Januar 1568 zum Capitan general del mar mediterraneo y adriatico, indem er ihm in Requesens einen erfahrenen Militär und Diplomaten zur Seite stellte; ihn zum Feldherrn der spanischen Monarchie zu erziehen war offenbar des Königs Absicht. Und J. rechtfertigte schnell und glänzend das in ihn gesetzte Vertrauen und die von ihm gehegten Hoffnungen. 1569 und 1570 zog er gegen den Aufstand der Moriskos in Granada zu Felde; 1571 wurde er sogar an die Spitze der vereinigten Flotten erhoben, welche die Mächte der Heiligen Liga, Spanien, Venedig und der Papst, gegen die Türken ausgeschickt hatten: unter seinem Befehle wurde der glänzende Seesieg bei Lepanto am 7. October 1571 errungen; auf sein Haupt fiel der Ruhmeskranz des Vertheidigers der Christenheit wider den Islam. Aber bald machten sich Meinungsverschiedenheiten unter den Verbündeten über die Ausnutzung des Sieges geltend; das Unternehmen ging nicht so vorwärts, wie es begonnen. Johanns Ehrgeiz war durch seine ersten Erfolge erweckt; sein Sekretär Juan de Soto fachte ihn zu immer höherem Fluge an. Ein Königreich in Morea zu gründen oder Tunis zu erobern, das waren die Gedanken, die J. vorschwebten. Nach dem Abfall Venedigs von der Liga trug J. die spanischen Waffen nach Tunis, im October 1573. Die spanische Regierung wünschte dort die Befestigungen geschleift zu sehen; aber J. wollte lieber selbst an jener Stelle sich festsetzen. Gegenseitige Verstimmung griff über diese Frage bald zwischen J. und König Philipp Platz. Daß J. das Ziel seines Ehrgeizes durch päpstliche Fürsprache zu erreichen gedachte, nahm Philipp sehr übel auf. Auch daß J. die Hoffnung nährte, als „Infant“ von Spanien anerkannt zu werden, stimmte nicht zu Philipps Gedanken. J. hatte es verstanden, sich in Italien recht beliebt zu machen: eine jugendlich schöne Erscheinung war er, leutselig und liebenswürdig, dabei fleißig und thätig in allen seinen Berufsarbeiten, ohne deshalb den Vergnügungen eines Cavaliers oder dem galanten Verkehre mit schönen Damen zu entsagen. Im April 1574 beauftragte ihn König Philipp, im Zwist der Parteien in Genua als Vermittler und Schiedsrichter zu erscheinen. Den wiederholten Reibungen zwischen J. und dem Kardinal Granvelle, der damals die Verwaltung in Neapel führte und mit Johanns Auffassung und Ansprüchen oft zusammenstieß, wurde ein Ende gemacht 1575, als Philipp seinen Halbbruder auf dessen Wunsch zum obersten Gewalthaber aller spanischen Besitzungen in Italien erhob, in der Machtausdehnung wie sie 1556 schon einmal dem Herzog von Alba anvertraut gewesen war. Nach kurzem Besuche in Spanien verweilte J. 1575 in Italien, bald in der Nähe von Genua, bald in Neapel residirend. Aber immer blieb Johanns Wunsch noch auf Höheres gerichtet. Mochte man auch an Stelle des Sekretärs Soto, dem man nicht mehr traute, ihm in Escovedo einen neuen Sekretär geschickt haben, – auch Escovedo ging bald auf Johann’s Denkweise ein und diente seinem hoffnungskühnen Ehrgeiz als brauchbares Werkzeug. Es scheint, daß J. seine Wünsche damals nach Schottland gerichtet, wo ihm die Hand und die Königskrone der schönen und geistreichen Maria Stuart winkte: sie aus der englischen Haft zu befreien und den schottischen Thron mit ihr zu theilen, diese Aussicht hatte für J. etwas Verlockendes; er knüpfte nach dieser Seite Verbindungen an, in der Meinung, daß dabei die Hülfe der spanischen Politiker ihm nicht fehlen könnte. Und wenn ihm im April 1576 König Philipp die Statthalterwürde der Niederlande übertrug, so war dies ein Schritt, auch der Verwirklichung des schottisch-englischen Projectes näher zu treten. Es war eine schwierige Aufgabe, die in den Niederlanden [280] J. auferlegt werden sollte; er hätte sie gern abgelehnt; es war ein seinem Bruder gebrachtes Opfer seiner eigenen Wünsche, wenn er das durchzuführen unternahm, was weder Alba noch Requesens in 9 Jahren erreicht hatten. Ohne Philipps Zustimmung abzuwarten, ja gegen die ihm aus Spanien gemachten Andeutungen eilte J. Ende August 1576 selbst nach Spanien, mündlich mit dem königlichen Bruder die ihm übertragene Mission zu erörtern. Sodann aber brach er schleunigst nach den Niederlanden auf; verkleidet und heimlich ritt er durch Frankreich und langte am 4. November in Luxemburg an. Hier begegnete er seiner verwittweten Mutter; er vermochte sie zur Abreise aus den Niederlanden zu bewegen; sie ging auf ihres vornehmen Sohnes Wunsch nach Spanien und beschloß dort, erst 1598, in Zurückgezogenheit ihre Tage. J. brachte den aufständischen Niederlanden die Botschaft des Friedens; ihm war anheimgestellt, durch Milde und Nachgiebigkeit an der Aussöhnung zwischen Niederländern und Spaniern zu arbeiten; er war zu Concessionen ermächtigt, welche vor einem Jahrzehnt vielleicht die Opposition der Niederländer zu beschwichtigen vermocht hätten, jetzt aber als verspätete Einräumungen nur geringe Heilkraft besaßen. Mißhelligkeiten zwischen dem neuen Statthalter und den niederländischen Führern blieben nicht lange aus. Die offene und verdeckte Opposition Oraniens erschwerte J. jeden einzelnen Schritt auf seinem schon so schwierigen Wege. Hin und her wurde über Johanns Zulassung und Anerkennung verhandelt: die Frage der Aufrechterhaltung des katholischen Glaubens und der Entlassung des spanischen Heeres gaben von vornherein großen Anstoß; am 12. Februar 1577 endlich hieß J. die in Gent am 8. November verabredete Pacification gut, obwohl er nicht alle einzelnen Bestimmungen derselben billigte. Er selbst wurde in seiner niederländischen Stellung bald von Unmuth erfüllt; er verlangte nach der englisch-schottischen Action, aber Philipp schob stets den Moment zu derselben hinaus. Der niederländische Boden wurde J. immer heißer. Sein Einzug in Brüssel (1. Mai 1577) besserte seine Stellung nicht; argwöhnisch und mißtrauisch hielt Oranien sich zurück. Selbst die Entlassung der spanischen Söldner schaffte noch nicht Beruhigung oder Befriedigung. J. gewann daher bald die Ansicht, daß alle Nachgiebigkeit doch vergeblich, daß er auch auf den Fall neuen Kampfes sich vorsehen müsse: so behielt er den noch nicht entlassenen Theil der deutschen Soldaten in seinem Sold; am 24. Juli bemächtigte er sich der Feste Namur, um eine gesicherte Residenz zur Verfügung zu haben. Die Fluth der popularen Bewegung stieg inzwischen immer höher; Oraniens Ansehen überwog immer mehr: J. befand sich in einer immer peinlicheren Lage. Von einer niederländischen Adelscoterie berufen, erschien plötzlich der junge Erzherzog Mathias, um die Verwaltung zu übernehmen und einen Compromiß der entgegengesetzten Tendenzen anzubahnen. Ihm unterwarf sich Oranien, um durch ihn zu herrschen. Darauf kündigten die Staaten J. den Gehorsam in förmlichem Acte auf, 7. December 1577. Dieser Schritt forderte ihn jetzt offen zum Kriege heraus. Die spanischen Soldaten kehrten zurück; sein junger Freund Alessandro Farnese gesellte sich zu ihm. Aufs neue begann der Krieg. Am 31. Januar 1578 siegte J. bei Gemblours und gegen Brüssel selbst marschirten darauf seine Schaaren. Die neue Kriegserhebung hätte König Philipp damals gern vermieden gesehen; er lieh bisweilen den Klagen aus den Niederlanden über des Bruders Kriegslust sein Ohr, andererseits aber gewährte er J. keineswegs die Bitte, von der Aufgabe in den Niederlanden abberufen zu werden. J. selbst aber verlangte das englische Unternehmen wagen zu dürfen. Mit Argwohn verfolgte Philipp Thaten und Reden des kühnen, hoffnungsreichen Jünglings. Zuträgereien und Einflüsterungen über Johanns Ehrgeiz, der am Ende sogar nach der spanischen Krone seine lüsternen Blicke richten dürfte, entfremdeten den König mehr und [281] mehr einer richtigen Würdigung und Schätzung seines Bruders. Man schöpfte besonders gegen seinen Vertrauten Escovedo Verdacht; ihn ließ deshalb Antonio Perez, des Königs Secretär, durch gedungene Mörder am 31. März 1578 umbringen. Die Kunde dieser Vorgänge erschütterte J. tief und zeigte ihm, wie gefährlich seine ganze Stellung geworden. Im Sommer 1578 drohte Frankreichs Einmischung in die niederländischen Händel: immer bunter und chaotischer wurde das Bild der niederländischen Zustände und Parteiungen. Im Sommer 1578 empfing J. militärische Verstärkungen; die offene Billigung Philipps zur gewaltsamen Bekämpfung des Aufstandes wurde ihm gleichzeitig zu Theil. Bei Mecheln versuchte er am 1. August vergeblich die Gegner zu überwinden; er hatte seitdem nicht allein den von deutschen Hülfstruppen unterstützten Aufstand, sondern auch ein französisches Heer sich gegenüber. J. fühlte sich selbst krank und in seinem Lebensmuthe gebrochen; ihm fehlten ausreichende Mittel; seinem Leben drohten wiederholt Nachstellungen fanatischer Feinde; das Vertrauen des Bruders schien ihm entzogen; da tauchte mitunter der Wunsch bei ihm auf, aus der Welt ins Kloster sich zurückziehen zu dürfen. In ein befestigtes Lager bei Namur führte er sein Heer. Dort brach eine Pest aus; bald ergriff sie ihn selbst; er übertrug vorsorglichen Sinnes für den Fall seines Todes die Führung der spanischen Sache an Alessandro Farnese; zwei Tage nachher erlag er am 1. October 1578, ein 31jähriger Krieger. Seine Leiche wurde später nach Spanien geschafft und im Eskurial beigesetzt. Es ging das Gerücht, J. sei vergiftet worden; einige Böswillige setzen hinzu, König Philipp selbst sei dafür verantwortlich. Derartige Verdächtigungen entbehren aber der geringsten Spur eines Beweises.
Johann von Oesterreich (Don Juan de Austria), unehelicher Sohn- Lorenzo van der Hammen, Don Juan de Austria (1627). – Ranke in Fürsten und Völker von Südeuropa I. (1827), später in Sämmtl. Werke, 35 u. 36 ((1877). – Lafuente, Historia general de España, XIII u. XIV (1854). – Prescott, History of the reign of Philipp the second (1855). – Havemann, Das Leben des Don Juan de Austria (1865). – Vgl. ferner die neuere Litt. über Philipp II. und den niederländischen Aufstand.