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ADB:Köpke, Balthasar

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Artikel „Köpke, Balthasar“ von Ernst Köpke in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 16 (1882), S. 663–667, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:K%C3%B6pke,_Balthasar&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 12:45 Uhr UTC)
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Köpke: Balthasar K., ein mit Spener verbundener und von Spener in seiner Richtung bestimmter Theolog, war am 7. Juni 1646 als dritter Sohn des Pastors Balthasar K. zu Nennhausen bei Rathenow geboren. Er stammte aus einer Familie, deren Gedächtniß sich bis auf die Mitte des 16. Jahrhunderts durch einen von Joachim Samuel K. um 1750 entworfenen Stammbaum zurückführen läßt. Ein ehrsamer Bäcker in Spandow übertrug seinen frommen evangelisch-lutherischen Sinn auf eine Reihe von Nachkommen, welche auf den Kanzeln [664] des Havellandes bis zum J. 1763 gestanden haben, da dann Sam. Anastas. Christoph K. nach Pommern übersiedelte und in Medow bei Anklam seine Pfarre fand. Ein Urenkel dieses Bäckermeisters war Balthasar K. Die Nachrichten, welche Rudolf K. (Kleine Schriften S. 36, 37) von dem älteren Balthasar K., dem Vater des hier genannten gibt, erhalten ihre Berichtigung aus einer hölzernen Gedächtnißtafel aus der Kirche zu Nennhausen, jetzt im Besitz des Verfassers dieser Zeilen. Sie lautet: A. D. T. | Vir piae recordationis | Balthasar Köpkius | pastor Nenhusanus | Natus anno 1609 | Patre Joachimo Köpkio, pastore Lipens: | matre Anna Klessens. | Postquam coeptis in scholis patris per Marchiam literarum | studiis iisdemque in Acad. Wittebergensi feliciter absolutis | vocatus anno 1637 | Ad s s. Ministerium ecclesia Christi, quae hic colligitur Nenhusae | eoque per annos 40 gnaviter functus esset; Tandem | demum a Deo ter optimo | Evocatus anno 1677. d. 29. Octobri | Ex hac mortalitate anno aetat: suae 68 ad ecclesiam triumphan | tem in coelis | Reliquit Agnesiam Schultzen viduam, denuo viduam. ut et | Liberos 10 | nimirum | Joachimum | Joachimum | Balthasarum | Samuelem | Köpkios Agnesiam | Dorotheam | Catharinam | Annam | Luciam | Köpkias | quorum primo genitus et ultimo genita tenerî adhuc aetate | diem obiere suum. | Reliqui superstites octo una cum matre moestissima Beato | Parenti in memoriam piae Educationis aliorumque beneficiorum Paternorum Hoc posuere | Monumentum. Der hier als dritter Sohn genannte B. K. erhielt seinen für die Universitätsstudien vorbereitenden Unterricht auf den Schulen zu Rathenow, Brandenburg a./H. und Tangermünde und seit 1661 auf dem köllnischen Gymnasium zu Berlin. Er bezog dann 1665, wie seiner Zeit sein Vater, die Universität Wittenberg und etwa 1666 Jena. Im J. 1667 übernahm er eine Informatorstelle, wurde dann 1671 als Pfarrer der Gemeinden zu Fehrbellin und Tarmow am 14. Sonntag nach Trinitatis (23. August) eingeführt. Am 24. October heirathete er die Wittwe seines Amtsvorgängers, Frau Anna Marg. Havemann, geb. Wagner, welche ihm aus erster Ehe eine Tochter zuführte. In die Zeit seiner Amtsführung fällt die Schlacht von Fehrbellin, nach welcher er noch 20 Jahre die Kanzel in jener Stadt inne hatte. Im J. 1695 wurde er als Inspector nach Nauen versetzt; aber noch in demselben Jahre verzehrte eine Feuersbrunst einen großen Theil der Stadt und mit ihm die Kirche und das Pfarrhaus. Außer dem Verluste von Habe und Gut beklagte K. den seiner Bibliothek und seiner nur handschriftlich vorhandenen Arbeiten; er hatte nichts gerettet als seine Bibel. Da Jahre über den Wiederaufbau von Kirche und Amtswohnung vergingen, so siedelte er wieder zeitweilig nach Fehrbellin oder auch nach dem nahegelegenen Dorfe Lietzow über. Seine Gattin verlor er am 5. November 1709; er selbst starb kinderlos am 28. Juli 1711. – Aus der Zeit seines Fehrbelliner Wirkens stammt seine persönliche Bekanntschaft mit Philipp Jacob Spener, der seit 1691 Propst von Berlin war. Am 6. October 1692 schreibt Spener aus Berlin: er habe einen sehr lieben Prediger vom Lande, Herrn Köpken, bei sich zu Tische gehabt. Die Gemeinsamkeit sowol ihrer Anschauungen vom Reiche Gottes, wie ihrer Bestrebungen, dasselbe den Gläubigen zuzuführen, hatte die beiden Männer verbunden. Ihre Glaubensgenossenschaft bezeugt ein Vergleich der Schriften Köpke’s, die ihn den Schulorthodoxen gegenüber als einen Pietisten kennzeichnen, der die Uebertragung der rechtgläubigen Lehre auf den Handel und Wandel des Gläubigen betonte und die erbauliche Kraft des Evangeliums wieder zu Ehren bringen half. Nicht Lehre, sondern That sollte das Christenthum sein; es sollte erlebt, nicht formulirt werden. Im J. 1680 verfaßte K. den „Dialogus de tribus sanctorum gradibus“, welcher noch in der Handschrift durch Freunde Spenern mitgetheilt wurde. So sehr derselbe mit dem Inhalte übereinstimmte, traute er sich doch nicht allein die Entscheidung über die Richtigkeit der vorgetragenen [665] Lehre zu. Erst als die theologische Facultät zu Leipzig den Druck anstandslos gutgeheißen, wurde das Werk mit Spener’s Vorrede „von der christlichen Vollkommenheit“ in erster Auflage ohne Köpke’s Namen im J. 1689 veröffentlicht. K. lehrt, daß wie Gott das Volk Israel aus der beweglichen Stiftshütte Mosis zu dem festbegründeten Tempel Salomonis hinübergeführt habe, so auch der gläubige Christ von dem alten Testament in das neue hineinwachsen müsse, vom Buchstaben des Gesetzes zum Geist, von der Geschichte zur Allegorie und Tropologie, zum Tempel Gottes, einem gotterleuchteten und geheiligten Herzen. Der Gläubige aber schreitet zuerst über die Schwelle dieses Tempels und den ersten Vorhof, wo die in Christo Anfangenden stehen, die Kinder im Glauben; dann in den zweiten Vorhof mit den im Glauben Heranwachsenden und endlich in das Allerheiligste, wo die Erwachsenen ihn aufnehmen. Alle drei Lebensalter im Glauben werden mit ihren Vorzügen und Mängeln geschildert. Das Werk bezeugt von vornherein die mystisch-allegorisirende Richtung, welcher K. in seinen 15 bekannt gewordenen Schriften folgte. Ihm hatte die Bibel einen zwiefachen Sinn, einen buchstäblichen und einen geistlichen, den nur ein glücklicher Exeget aus jenem herauslieset. – Die Anonymität, unter welcher dieses „Templum Salomonis“ erschien, wurde bald aufgegeben. Spener nannte Köpke’s Namen in einer anderen Vorrede zu dessen „Praxis catechetica“, 1691; derselbe war ja auch „sonst aus einigen anderen Tractätlein bekannt geworden“, und K. selbst wurde, obschon von Natur nicht streitbar, genöthigt, seine Glaubens- und Lehrsätze zu vertheidigen. Denn von vielen Seiten wurde Widerspruch erhoben. Dan. Hartnack, Rector in Schleswig, bezüchtigte ihn 1690[WS 1] im Bibliothecarius socinianischer und arminischer Lehren, Dr. Josua Schwartze, Propst zu Rendsburg, bezeichnete in seiner Rede, mit der er 1694 den Kirchhof einweihte, K. und seine Freunde als neue Heilige, die eine hier wegen der menschlichen Schwachheit unmögliche Heiligkeit, als adulti und vollkommene, für möglich hielten, und griff im Anhang den Satz aus dem dialogus heraus, daß Gott im Neuen Testament einen höheren Grad der Heiligkeit verlange als im Alten, um an diesen die Anklage pharisäischer Verachtung anderer Leute und den Vorwurf valentinianischer, montanistischer und novatianischer Ketzerei zu knüpfen. Pastor Meyer in Hamburg schalt 1695 auf Spener, daß er durch seine Vorrede die Verbreitung von Irrlehren begünstige. Spener vertheidigte seinen Freund durch eine eigene Schrift in der Rettung seiner reinen Lehre und K. suchte die Beschuldigungen niederzuschlagen durch seinen „Anhang von dem Vorzug der Gläubigen Neuen Testaments für denen im Alten Testament in der Gnade unsers Herrn Jesu Christi sowol in der Erleuchtung als Heiligung“, welchen er einer deutschen Uebersetzung beifügte, die er sammt Spener’s verdeutschter Vorrede, um sich auch dem Laien verständlicher zu machen, 1695 herausgab. Die Uebersetzung erschien in erster Auflage 1695, eine spätere aus dem Jahre 1706 ist im Besitze des Schreibers dieser Zeilen unter dem Titel „Dialogus de templo Salomonis, das ist: Ein geistlich Gespräch von der Heiligung und deroselben dreyen Stuffen, der Anfangenden, Wachsenden und Geübten Heiligen, Nebst andern dahin gehörigen und zum Wachsthum im Christenthum nützlichen Sachen, genommen aus dem Fürbilde des Tempels Salomo und dessen dreyen Vorhöfen, wodurch man pflag in das Heiligthum zu gehen, und nach Anleitung der Heiligen Schrifft kürtzlich beschrieben. Sammt der Vorrede Herrn Dr. Philipp Jacob Spener etc.“ Auch eine zweite lateinische Auflage des „Dialogus de Templo Salomonis sive de tribus Sanctorum gradibus“ liegt vor uns. Sie erschien zu Amsterdam 1698 bei Heinr. Wetstein. In der Vorrede zu derselben berichtet K. auch über die Streitigkeiten, welche ihm aus der ersten Ausgabe erwachsen seien; und da Lipsiae omnis spes secundae Editionis adempta, quin eo fere res redacta esset, ut vulgo protinus tanquam erroneum rejiciatur, quod ceu pium [666] commendatur, so habe er die dargebotene Vermittlung seiner Freunde gern angenommen und sein Buch in Amsterdam erscheinen lassen.

Gegen den Danziger Pastor Bücher, der 1697[WS 2] Spener und dessen Freunde bezüchtigte, sie hätten die Ketzerei Rathmann’s durch ihren Pietismus wieder ins Leben gerufen; ihr Pietismus habe seinen Ursprung im Platonismus, schrieb K. seinen Beantworteten Rathmannus redivivus, Frankf. 1698, 4°, zu dem Spener wieder die Vorrede gab. Als aber Bücher seine litterarische Rauflust zu dem Plato mysticus steigerte und zu erweisen suchte, daß Plato’s Philosophie „das giftige Ei gewest, welches so viel Wahrsager- und Zauberkunst ausgehecket“, und K. habe sich in seinen Lästerschriften von den Pietisten zu ihrem Instrumente mißbrauchen lassen, so antwortete K. mit der „Sapientia dei in mysterio crucis Christi abscondita. Die wahre Theologia Mystica oder Ascetica Aller Gläubigen Alten und Neuen Testaments. Entgegengesetzet der falschen aus der Heydnischen Philosophie Platonis und seiner Nachfolger. In zwey Theile abgefasset durch B. K., Inspector zu Nauen. Nebst Herrn Dr. Ph. J. Spener’s Vorrede. 1700. 2 voll.“ K. gibt einen geschichtlichen Ueberblick über die Entwicklung der mystischen Theologie und über ihre Gnadenwirkungen; auch stellt er die Urtheile zusammen, welche aus der Kirche selbst über sie gefällt waren. Er berührt somit das eigentliche Wesen des Pietismus, durch welches sich derselbe von der Kathederorthodoxie der theologischen Lehrer unterscheidet; diese könne ja doch die ganze Seele des Menschen nicht erfüllen, sondern bleibe nur als Gegenstand des Wissens in seinem Gedächtniß haften. Ausgehend von des Apostels Wort an die Cor. 1, 2, 7 sucht er nachzuweisen, wie die heimliche verborgene Weisheit Gottes, welche Gott verordnet hat vor der Welt zu unserer Herrlichkeit eigentlich die Lehre von der Dreieinigkeit und von dem Mensch gewordenen Gotte sei, die zuerst dem Abraham geoffenbart, von seinen Erben nach Aegypten getragen, dort bei Priestern vererbt und endlich an Pythagoras und Thales, an Plato und Aristoteles gekommen sei. Vornehmlich hatte Plato, der Weisesten Einer, in seiner Lehre von der Seele erwiesen, daß er nicht als Urheber des Fanaticismus noch als Zauberer und Teufelskünstler anzusehen sei; er beschäme vielmehr manchen Christen heutigen Tages durch sein redliches Streben nach Weisheit und Wahrheit. Auch nach Spener’s Tode sieht sich K. genöthigt, 1708 dessen Lehre von dem allgemeinen Priesterthum in der Schrift „Die Unschuld Herrn Dr. Spener’s in der Lehre vom geistlichen Priesterthum“, daß er dasselbige nicht zu weit extendiret etc. zu vertheidigen.

Einen durchaus praktischen Charakter trugen die 1691 zu Frankfurt a. M. herausgegebenen „Quatuor colloquia de Ἀταξίᾳ vitae parochialis in quibus vita pastorum in ecclesia nostra examinatur iuxta normam verbi divini“ und die „Praxis catechetica. Etlich Ausflüchte der gemeinen Leute auf dem Lande, womit sie ihre Sünde durch christliches, unbußfertiges Wesen pflegen zu entschuldigen etc. Sampt einem Anhang von gleicher Materie, und einer Vorrede Herrn P. J. Speners.“ 1691. In der ersten Schrift mahnt K. zur Besserung des christlichen Hausstandes; und das Elend, welches über die deutsche Nation gekommen und die Mißachtung, mit welcher unsre Landsleute von auswärtigen Feinden übel tractiret worden, soll „uns ernstlich bessern, damit uns nicht dergleichen widerfahre“. Die letztere wendet sich gegen die sogenannte menschliche Schwäche sowol seiner Amtsbrüder, wie der Gelehrten und Mächtigen dieser Welt. Er tadelt ihre Zuchtlosigkeit im Eheleben, ihre Völlerei und Rauflust, ihr Prunken mit Kleidern und Perüken, ihre Eitelkeit und Sucht nach Ehrerweisung. – Von seinen weiteren Schriften sind noch zu erwähnen: „Meditatio von der Zanksucht“, 1692; „Reditus precationum. Wiederkunft des Gebetes aus dem Himmel. Vormahls in Englischer Sprache beschrieben von Thomas [667] Goodwin, Itzo aber aus dem Lateinischen verteutschet“ etc., 1693; „Meletemata evangelico-catechetica. Evangelische Katechismus-Lust“, 1694; „Obedientia Dei. Der neue heilige Gehorsam gegen Gott, in vier Theilen abgefasset“, 1701; „Gloria piorum cum Christo in Deo abscondita olim manifestanda. Die für die Welt mit Christo in Gott Verborgene Herrlichkeit der wahren Christen, so künfftig wird offenbahret werden“, 1703; „Brevis introductio ad prophetas“. Eine kurze Einleitung zu den Propheten. 1706, und „Vita S. Chrysostomi ex Palladio historia tripartita et aliis fide dignis auctoribus una cum specimine doctrinae e scriptis eius collecta“, 1706.

R. Köpke, Kleine Schriften, S. 38 ff.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: 1609
  2. Vorlage: 1607