ADB:Kalckstein, Christian Ludwig von

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Artikel „Kalckstein, Christian Ludwig von“ von Bernhard von Poten in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 15 (1882), S. 16–17, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Kalckstein,_Christian_Ludwig_von&oldid=- (Version vom 27. April 2024, 05:03 Uhr UTC)
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Band 15 (1882), S. 16–17 (Quelle).
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Kalckstein: Christian Ludwig von K., einer der Hauptführer der Stände des Herzogthums Preußen in deren Kämpfen um ihre „Libertät“ gegen die Bestrebungen des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg, seine Souveränetät dort zur Geltung zu bringen, diente zuerst unter Turenne, ward von diesem seiner schlechten Aufführung wegen von der Armee entfernt, ging dann in polnische Dienste, war eine Zeitlang in moskowitischer Gefangenschaft und wurde um 1655 vom Kurfürsten zum Oberst über 1000 Mann zu Fuß und 600 Dragoner ernannt, außerdem erhielt er die Hauptmannschaft zu Oletzko. Der Kurfürst hoffte um so mehr durch solche Gunstbezeigungen seine Partei unter dem preußischen Adel zu verstärken, als er dadurch zugleich Kalckstein’s Vater, den Generallieutenant Albrecht von K. auf Knauten, die Seele der Umtriebe gegen das brandenburgische Regiment, welcher indeß ein so verstecktes Spiel trieb, daß der Kurfürst ihn für einen seiner Anhänger hielt, noch inniger an sich zu fesseln dachte. Der Oberst hauste aber auf Oletzko so übel, daß Fürst Boguslaw Radziwill, der Statthalter in Preußen, schon 1659 eine Untersuchung wider ihn einleitete und daß er im Herbst 1660 wegen brutalen Mißbrauches seiner Amtsgewalt, welche er ganz im eigenen Interesse ausbeutete, vom Dienste suspendirt wurde. Rachebrütend ging er nach Polen, von wo man Beistand gegen die kurfürstlichen Bestrebungen erwartete, doch gelang ihm nicht, den Fürsten Paul Sapieha, bei dessen Heere wir ihn 1663 finden, zum Einfall in das Herzogthum zu bestimmen. Da starb am 26. Mai 1667 sein Vater. Zwischen den hinterlassenen Kindern entstand Streit über die Erbschaft und in Veranlassung davon brachte Kalckstein’s Bruder, der Oberstlieutenant Christian Albrecht von K. eine Denunciation wegen Majestätsverbrechens wider ihn ein. Die Untersuchung förderte eine Reihe von beleidigenden Aeußerungen über den Kurfürsten und von Drohungen gegen dessen Person, welche der Oberst gethan, an den Tag und enthüllte dessen Gelüste mit polnischer Hülfe die alten Zustände in Preußen herzustellen; sie gewährte zugleich einen erschreckenden Einblick in die Verhältnisse, das Leben und Treiben der ganzen Familie, deren Mitglieder einander alle möglichen Verbrechen und Schandthaten vorwarfen; die Proceßakten bieten ein Bild von Zuständen wie in Sodom und Gomorrha. Der im J. 1668 gefällte Spruch einer für diesen Zweck eigens berufenen Kommission lautete auf lebenslängliches Gefängniß; der Kurfürst setzte die Strafe auf Zahlung von 10 000 Thlrn. und auf Abtretung der Elensjagd innerhalb der Knauten’schen Güter herab, ermäßigte auch die Strafsumme später auf die Hälfte. Gegen die Versicherung, daß er bis zum 27. April 1669 zahlen werde, setzte man K. in Freiheit. Er ließ den Termin indeß verstreichen, bezahlte später einmal 333 Thaler „um seinen guten Willen zu zeigen“, suchte aber sonst der übernommenen Verpflichtung sich dauernd zu entziehen und entwich endlich, als das Mahnen der Regierung zu Königsberg immer dringender wurde, am 10. März 1670 nach Polen; vier Männer schleppten mit Mühe eine Geldkiste auf den Schlitten, der ihn von Knauten wegführte. Seine Agitationen, um eine Einmischung Polens in die preußischen Händel herbeizuführen, wurden immer offener, seine Sprache immer heftiger; auf des Kurfürsten Antrieb aus Warschau entfernt, von der polnischen Armee weggewiesen, als bekannt wurde, daß er derselbe K. sei, der schon zweimal als Schelm fortgejagt worden, das letzte Mal als er mit 200 Reitern und der Regimentskasse von 20 000 Gulden sich aus [17] dem Staube gemacht habe, kehrte er bald nach Warschau zurück, wo im September 1670 der Reichstag versammelt war und bestürmte, von den Jesuiten unterstützt, welche ihn, den Convertiten, begünstigten, diesen, wie den König Michael Korybut, mit Klageschriften und mit Bitten um Hülfe gegen den Kurfürsten. Er geberdete sich dabei als den Vertreter der preußischen Stände, ein Verfahren, welches ihm später vornehmlich zur Last gelegt wurde. Der Kurfürst drang auf seine Auslieferung; als diese Bemühungen vergeblich blieben und die Gefahr immer größer wurde, entschloß er sich zu einem Gewaltstreiche. – K. hatte sich gleichzeitig mit dem brandenburgischen Residenten in Warschau, Eusebius von Brandt in Verbindung gesetzt, um durch diesen die Erlaubniß zu straffreier Rückkehr nach Preußen zu erlangen; im Vertrauen auf einen vom Könige von Polen ihm ausgestellten Schutzbrief kam er mehrfach in Brandt’s Wohnung, anfangs von Bewaffneten begleitet, dann allein. Da ließ ihn dieser durch brandenburgische Reiter unter Rittmeister Montgommery, welche der Statthalter von Preußen, Herzog von Croy, zu diesem Zwecke nach Polen gesandt und die der Resident heimlich in sein Haus aufgenommen hatte, überwältigen, geknebelt in einen Wagen setzen und über die Grenze nach Memel bringen; am 9. December wurde er dort abgeliefert. Die Polen geriethen in heftige Erregung; der Kurfürst mußte gegen Brandt und Montgommery ein gerichtliches Verfahren einleiten, als dieses aber zum Schluß kam und die Angeklagten verurtheilte, waren sie längst in Sicherheit, militärische Hülfe, welche der Kurfürst schon im Sommer 1672 der Adelsrepublik gegen die drohende Türkengefahr brachte, machte die ohnmächtigen Zornesausbrüche der Polen bald verstummen. Brandt ließ eine Schrift: „Ludovici K…i mores & fata“ (1 Band in 4°) drucken, welche die Bestimmung hatte, den Oberst in Polen ganz zu discreditiren. Zu Feststellung seiner Schuld wurde trotz Einspruches der Stände und der gewichtigen Bedenken, welche von anderen Seiten gegen ein so gewaltsames Vorgehen geltend gemacht wurden, wie das vorige Mal eine besondere Commission bestellt; auf der Folter, deren Anwendung ein kurfürstliches Rescript vom 27. März der zögernden Kommission „ohne weiteres Cunctiren“ anbefahl, gestand er am 11. April 1671 die Wahrheit der gegen ihn erhobenen Anklagen zu; die zur Fällung des Urtheils von neuem berufene Commission vom J. 1668 erkannte nach langem Zaudern und Widerstreben am 8. Jan. 1672 mit allen gegen eine Stimme wegen Eidbruchs, Hochverraths und Majestätsbeleidigung auf den Tod durch das Schwert und Verlust aller Güter nach dem Reverse von 1668. Die Vollstreckung des Spruches verzögerte sich; monatelang verschob Friedrich Wilhelm die Bestätigung; erst als er zum Kriege gegen Frankreich aufbrach, erfolgte dieselbe, und am 8. Novbr. 1672 geschah zu Memel die Vollstreckung, ein Gewaltact, aber eine Handlung des politischen Nothrechtes, welche der Welt zeigte, daß die Souveränetät in Preußen wirklich bestand und daß der Kurfürst entschlossen war, sie durchzuführen. Nirgends findet sich eine Andeutung, daß dieser Fürst an der Ueberzeugung von seinem Rechte und von seiner Pflicht so zu handeln, wie er handelte, je irre geworden sei.

J. G. Droysen, Geschichte der Preußischen Politik, 3. Theil, 2. und 5. Abth. Leipzig 1863, 1865.