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ADB:Karl II. (Kurfürst von der Pfalz)

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Artikel „Karl (II.), Kurfürst von der Pfalz“ von Arthur Kleinschmidt in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 15 (1882), S. 324–326, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Karl_II._(Kurf%C3%BCrst_von_der_Pfalz)&oldid=- (Version vom 23. November 2024, 17:36 Uhr UTC)
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Karl (II.), Kurfürst von der Pfalz. Geboren in Heidelberg am 10. April 1651, † am 26. Mai 1685. Als ältester Sohn des Kurfürsten Karl Ludwig v. d. Pfalz von Charlotte von Hessen-Cassel geboren, wuchs der kränkliche Knabe freudlos am Hofe des mit der Mutter zerfallenen Vaters auf; sein reizbares empfindliches Gemüth wurde verschüchtert und von den Eindrücken seiner Umgebung unangenehm berührt; seine Mutter zog sich 1657 nach Cassel zurück, er blieb einsam bei Hofe, widerwillig dem Vater unbedingten Gehorsam zollend. Ohne auf seine Individualität Rücksicht zu nehmen, wurde K. mit Gelehrsamkeit erdrückt; die berühmten Gelehrten Pufendorf und Spanheim leiteten seinen Unterricht; er zeigte viel Interesse an den Studien, besonders seit 1664 Paul Hachenberg sein Erzieher geworden, dem er ein kindliches Vertrauen schenkte. 1672 trat K. sogar (Frankfurt) anonym als Philotheus mit der theologischen Schrift „Symbola christiana“ hervor. 1670 machte er eine Reise durch die Schweiz und Frankreich, mit melancholischem Ernste das Leben betrachtend und mit dem Vater auf kaltem Fuße stehend. Als er eine württembergische Prinzessin heirathen wollte, bestimmte ihm der Vater die ihm ganz unsympathische Tochter des Königs Friedrich III. von Dänemark, Wilhelmine Ernestine (geb. am 20. Juni 1650), mit der er sich in Kopenhagen am 23. April 1670 verlobte und in Heidelberg am 30. Sept. 1671 vermählte. Ihre Hoffart und Unbedeutendheit entfremdete ihn ihr mehr und mehr, die Ehe blieb kinderlos. Als sein Vater die Mutter zu einer förmlichen Trennung ihrer Ehe veranlassen wollte, um dem Hause Erben zu erwecken, suchte K. in seinem Auftrage 1677, freilich sehr widerstrebend, auf die Mutter einzuwirken – umsonst, die neue Ehe mußte unterbleiben. Des Vaters Vorwürfe gegen ihn verdüsterten Karls Gemüth immer mehr; er wurde lebenssatt wie ein Misanthrop. Das Ceremoniel, auf das der Vater viel Werth legte, war ihm äußerst verhaßt. Ihn dürstete nach Selbständigkeit und Unabhängigkeit: seit 1678 hoffte er sehnsüchtig auf eine Statthalterei mit dem Sitze in Kreuznach, aber seine Hoffnung zerrann. Er wollte nun ein tüchtiger Soldat werden und ging diesem Berufe mit Leidenschaft nach; der Vater sah darin eine [325] krankhafte Laune und täglich wuchs sein Groll gegen den bei K. höchst einflußreichen Hachenberg. Als die Franzosen 1680 das pfälzische Oberamt Germersheim und andere Gebiete verheerten, ging K. mit Hachenberg nach England, um König Karl II. zum Auftreten gegen Ludwig XIV. zu bestimmen, erreichte aber nichts. Der König verlieh ihm im October den Hosenbandorden und die Universität Oxford creirte ihn am 2. October zum Doctor der Medicin. Auf dieser Reise erfuhr er daß er durch den Tod des Vaters am 28. Aug. 1680 „Kurfürst von der Pfalz und Erzschatzmeister des heiligen römischen Reichs“ geworden sei. Im October 1680 traf K. in Heidelberg ein. Hachenberg wurde leitender Minister und Günstling, ohne zum Staatsmann befähigt zu sein, während viele von Karl Ludwig begünstigte Personen und die Raugrafen, Karls Stiefbrüder, mit Ungnade belastet wurden. Hatte der Vater sorgsam den Schatz gehütet, so griff K. wiederholt tief hinein; so schickte er alsbald über 40 000 Gulden nach Cassel, um die Schulden seiner Mutter zu tilgen, die nun nach Heidelberg zurückkehrte. Stellen und Einkünfte wurden leichtsinnig verschleudert, der Nepotismus kam in Blüthe; die verständige Waltung eines Karl Ludwig wurde durch allzu große Freigebigkeit und Schwäche abgelöst. Der viel geschmähte Hachenberg starb schon nach wenigen Wochen plötzlich; ihm folgte als leitender Günstling und Minister der in den Geschäften weit gewandtere Hofprediger Johann Ludwig Langhanns. Der herrschsüchtige und leidenschaftliche Mann besaß das volle Vertrauen Karls, gebrauchte ihn als Mittel zu seinen Zwecken und nährte als eifriger Calvinist in ihm die Absicht, Alles in der Kirche wieder auf den Fuß der strengen calvinischen Epoche zurückzuführen. Sofort wurde der vom Vater reducirte Kirchenrath im Stile der früheren Zeit vermehrt, die Presbyterialordnung erneuert, die Wachsamkeit für Zucht und Ordnung den Presbyterien eingeschärft und regelmäßig fanden wieder Kirchenvisitationen statt. Das kirchliche Leben hob sich wesentlich. Die Schulen erhielten reiche Dotationen, besonders das sehr gesunkene Sapienz-Collegium in Heidelberg. Der Universität wurden nicht nur ihre Privilegien bestätigt, sondern am 1. Juli 1682 auch die Schatzungsfreiheit zu Theil; trotzdem waren ihre ökonomischen Verhältnisse unter K. sehr gedrückt. Der strenge Calvinismus eines Friedrich III. zog wieder in der Pfalz ein; freierer politischer Geist verschwand aus der Kirche. Hingegen wurde die Pfalz nach der Aufhebung des Edicts von Nantes das Asyl verdrängter französischer Calvinisten; in Reilingen bildete sich eine Colonie und bei Seckenheim entstand in Friedrichsfeld eine Gemeinde, die große Privilegien erhielt. Auch die in Oesterreich und Ungarn verfolgten Protestanten und die in Frankfurt bedrückten Reformirten fanden in K. einen Schützer. Die Lutheraner in der Pfalz wurden von der calvinistischen Regierung sehr beschränkt und gewaltsam bedrückt; von sulzbachischer Seite wurde in einigen mit der Pfalz gemeinsamen Aemtern gleichzeitig im katholischen Sinne Propaganda gemacht. Die Corruption zeigte sich überall in der Verwaltung; Karl Ludwigs Gleichgewicht zwischen Einnahme und Ausgabe brach zusammen und übermäßig steigerte sich letztere. Darum wurde die Grundsteuer bedeutend erhöht, was aber keine Abhülfe gewährte. Der Hof war das Dorado aller Müßiggänger und Schranzen und zehrte das Mark des Landes aus. In den Canzleien herrschten Nichtsthun und systematischer Betrug; der Stellenhandel griff immer schamloser um sich. Im Gegensatze zur Politik Karl Ludwigs wich der schwache K. leicht äußerem Drucke und gab z. B., als die Franzosen das Oberamt Germersheim gegen alles Recht ansprachen, es 1682 gegen Geld an Frankreich hin, das seine Räthe zu bestechen gewußt hatte. Weit mehr noch als früher Hachenberg, war Langhanns verhaßt und die ganze Pfalz schob die Schuld an Allem, was schlecht und drückend war, auf den Emporkömmling. Alle prunkhaften Feste stillten [326] nicht den Gram des unglücklichen Kurfürsten, dem seine Ehe am Entsetzlichsten dünkte, während er für eine Hofdame, Freiin Sophie Rüdt von Collenberg, schwärmte. Auch militärische Scheingefechte wurden mit großen Kosten inscenirt, um den unglücklichen Fürsten zu zerstreuen. Als bei ihm die Auszehrung auftrat, mußte an die Regelung der Erbfolge gedacht werden. Am 22. Mai 1685 schlossen in Schwäbisch-Hall Karls Minister mit denen des Neuburger Pfalzgrafen den Erbeinigungsreceß, wonach Pfalzgraf Philipp Wilhelm von Neuburg zur Thronfolge in der Kurpfalz berufen wurde und die kirchliche Freiheit vor katholischer Reaction gesichert schien. Aber ehe K. den Receß unterzeichnet hatte, starb er am 26. Mai 1685 in Heidelberg, wo er ruht. Das ganze Land trauerte tief, denn in ihm erlosch der Mannsstamm des Hauses Pfalz-Simmern und es drohte eine katholische Reaction. Karls Gemahlin starb erst am 23. April 1706 in Lichtenberg (Sachsen).

Häusser, Geschichte der rheinischen Pfalz, Bd. II, Heidelberg 1845; Hautz und v. Reichlin-Meldegg, Geschichte der Universität Heidelberg, Bd. II, Mannheim 1864; Häutle, Genealogie des erlauchten Stammhauses Wittelsbach, München 1870.