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ADB:Karlmann (fränkischer König)

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Artikel „Karlmann, fränkischer König“ von Bernhard von Simson in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 15 (1882), S. 395–397, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Karlmann_(fr%C3%A4nkischer_K%C3%B6nig)&oldid=- (Version vom 19. November 2024, 14:33 Uhr UTC)
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Karlmann, jüngerer Bruder Karls des Großen, Sohn König Pippins und der Bertrada, einer Tochter des Grafen Charibert von Laon. – Als Karlmanns Geburtsjahr wird 751 angegeben. Von seiner Kindheit wissen wir, wie von der Karls, nur sehr wenig. Am 28. Juli 754 wurde er zugleich mit seinem Vater und Bruder von dem Papste Stephan II. in St. Denis zum Könige gesalbt und zum Patricius der Römer ernannt. Im Juli des folgenden Jahres (755) wohnte er mit Pippin und Karl der Translation des heiligen Germanus in St. Germain des Prés bei, dessen Gebeine damals aus einer Seitenkapelle der Stiftskirche in den Chor derselben übertragen wurden. Im J. 762 begleitete er, gleich Karl, den Vater auf dessen drittem Feldzuge nach Aquitanien, demjenigen, in welchem die Hauptstadt dieses Landes, Bourges, erobert wurde. Am 13. August desselben Jahres ertheilen beide Söhne ihre Einwilligung zu der Stiftungs- und Schenkungsurkunde ihrer Eltern an das Kloster Prüm; 763 erhalten beide einige Grafschaften, gleichsam als Vorbereitung für ihre künftige Herrscherthätigkeit. Wir finden K. sodann mit Bertrada und Karl in der Begleitung Pippins, als sich dieser im J. 768, schon vorher in Saintes von tödtlicher Krankheit ergriffen, von St. Martin zu Tours nach St. Denis begab. Hier nahm der sterbende König unter Zustimmung der weltlichen und geistlichen Würdenträger die Theilung des Reichs unter seine Söhne vor, bei welcher K. Burgund nebst der Provence und Gothien sowie Alamannien und Elsaß empfing, während das von Pippin eroberte Aquitanien zwischen beide Söhne vertheilt werden sollte. Nachdem Pippin bald darauf (24. September 768) verschieden war, bestatteten ihn seine Söhne seinem Willen gemäß in St. Denis und eilten dann von ihren Theilreichen Besitz zu nehmen. Karlmann’s Thronerhebung erfolgte am 9. October 768 zu Soissons, während diejenige Karls am nämlichen Tage zu Noyon geschah. Aber alsbald trat Uneinigkeit unter den beiden königlichen Brüdern hervor, wie denn schon früher ein tiefgehendes Mißverhältniß zwischen ihnen bestanden zu haben scheint, über dessen Gründe wir indessen auf [396] unsichere Muthmaßungen angewiesen bleiben. Bei dem Zuge, welchen Karl im J. 769 nach Aquitanien gegen Hunald unternahm, entzog ihm der Bruder die Hülfe, obwol er sie ihm versprochen hatte. Beide Könige hatten eine Zusammenkunft in Duasdives (wahrscheinlich Moncontour an der doppelarmigen Dive, Departement Vienne), nach welcher K. in sein Reich zurückkehrte, während Karl den begonnenen Feldzug fortsetzte. Im nächsten Jahre (770) traf K. zu Selz im Elsaß mit seiner Mutter Bertrada zusammen, die mit ihm daselbst ohne Zweifel wichtige politische Verhandlungen führte. Bald darauf sehen wir sie eine Reise nach Italien antreten, deren doppeltes Resultat die Rückgabe zahlreicher Städte seitens der Langobarden an den päpstlichen Stuhl und die Vermählung einer Tochter des Langobardenkönigs Desiderius mit Karl war. Schon vorher hatten Karl und K. dem Papste Stephan III. durch Gesandte mittheilen lassen, daß die Zwistigkeiten zwischen ihnen beseitigt und eine Versöhnung hergestellt sei. Aber diese Ausgleichung scheint nur von kurzer Dauer gewesen zu sein. Einhard drückt sich über das Verhältniß der königlichen Brüder so aus, daß die Eintracht zwischen ihnen nur mit der größten Schwierigkeit aufrecht erhalten worden sei, da Viele auf Seiten Karlmanns sie zu trennen gestrebt, Einige sogar darauf gesonnen hätten sie in Krieg mit einander zu verwickeln. So soll es nach einer anderen Quelle auch der Rath seiner Großen gewesen sein, der Karlmanns oben erwähntes Verhalten im aquitanischen Kriege verschuldete. An einer anderen Stelle macht Einhard aber auch K. persönlich für das höchst unerfreuliche Mißverhältniß verantwortlich, indem er die Gelassenheit rühmt, mit welcher Karl die Mißgunst und die Ränke des Bruders ertragen habe. In einem Briefe an Karl, welcher um 775 geschrieben ist, wird unter den besonderen Wohlthaten, welche der König der göttlichen Vorsehung verdanke, auch die aufgezählt, daß ihn dieselbe vor den Nachstellungen seines Bruders bewahrt habe, wie Jakob vor Esau; ferner daß sie jenen davongenommen und ihn ohne Blutvergießen über das ganze Reich erhöht habe. K. starb nämlich schon nach nicht viel mehr als dreijähriger Regierung in der Blüthe der Jugend; er erlag am 4. December 771 zu Samoussy einer Krankheit. In einer ganz kurz vorher von ihm ausgestellten Schenkungsurkunde für das Kloster St. Denis, welches er überhaupt eifrig begünstigte, scheint sich schon die Voraussicht des nahen Todes auszusprechen. Bestattet ward K. zu St. Remi bei Reims, welcher Kirche er die Villa Novilliacus (vermuthlich Neuilly-St. Front, Departement Aisne) geschenkt hatte. – Was wir sonst über Karlmanns Politik erfahren, bezieht sich im Wesentlichen auf die Verhältnisse zum päpstlichen Stuhl, ist jedoch äußerst fragmentarisch und wenig klar. Zu Papst Stephan III. hatte er in näheren Beziehungen gestanden; als sich dieser Papst jedoch unter dem Einflusse seines Oberkämmerers Afiarta dem Langobardenkönige Desiderius in die Arme warf und die bisherigen fränkisch gesinnten Leiter seiner Politik Christophorus und Sergius fallen ließ, änderte sich das Verhältniß. Ein Bevollmächtigter Karlmanns, Dodo, welcher sich damals (771) mit Truppenmacht in Rom befand, hatte für Christophorus und Sergius Partei ergriffen, und man glaubte sogar, daß K. mit Heeresmacht nach Rom kommen werde, um jene zu rächen und den Papst gefangen zu nehmen. – Von Karlmanns Hofbeamten kennen wir seinen Kaplan Abt Fulrad von St. Denis, welcher dieselbe Stelle auch schon unter Pippin und auch später unter Karl bekleidete, den Kanzler Maginarius (der mit dem gleichnamigen Nachfolger Fulrads in St. Denis nicht identisch zu sein scheint) und den Pfalzgrafen Chrodoin. – Karlmanns Tod bahnte Karl den Weg zur Alleinherrschaft. Die meisten Großen Karlmanns, der Abt Fulrad, der Erzbischof Wilcharius und die Grafen Warin und Adalhard an der Spitze, unterwarfen sich Karl alsbald zu Corbeny bei Laon. So gewann Karl mit überraschender Schnelligkeit das ganze Frankenreich und hat die kurze Regierung [397] seines Bruders auch später offenbar möglichst ignorirt und der Vergessenheit anheimfallen lassen. Dagegen flüchtete sich Karlmanns Wittwe Gerberga mit ihren kleinen Söhnen (der zweite hieß Pippin und war 770 geboren) und einigen der vornehmsten Großen ihres verstorbenen Gemahls, worunter Autchar, unter den Schutz des Langobardenkönigs Desiderius. Die letzteren repräsentiren offenbar diejenige Partei, welche schon bei Karlmanns Lebzeiten den Zwist mit Karl unterhalten hatte. Karl soll diese Flucht, welche nach Einhards Behauptung nicht motivirt war, gelassen hingenommen haben. König Desiderius aber, dessen Tochter Karl verstoßen hatte, suchte sich der Söhne Karlmanns als Mittel seiner Politik zu bedienen. Er drang in den Papst Hadrian I. zu ihm zu kommen, um dieselben zu Königen zu salben. Da der Papst sich dessen hartnäckig weigerte, setzte sich der Langobardenkönig mit Heeresmacht und einem Gefolge, in dem sich auch Gerberga nebst ihren Söhnen und Autchar befanden, nach Rom in Bewegung. Als Karl sodann (773) in Italien eingedrungen war, zog sich des Desiderius Sohn und Mitregent Adalgis mit Karlmanns Familie und Autchar in das besonders feste Verona zurück, jedoch lieferten die letzteren sich K. aus, als dieser mit Kerntruppen seines Heeres von dem belagerten Pavia aus vor Verona zog. Seitdem hören wir auch von Karlmanns Familie nichts weiter, wenigstens nicht in der beglaubigten Geschichte.

Mühlbacher, Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern, 1. Lfg. Innsbruck 1880. – Oelsner, Jahrbücher des fränkischen Reiches unter König Pippin, Leipzig 1871. – S. Abel, Jahrb. des fränkischen Reiches unter Karl dem Großen, I. Berlin 1866.