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ADB:Karoline Luise (Markgräfin von Baden)

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Artikel „Karoline Luise, Markgräfin von Baden(-Durlach)“ von Karl Obser in: Allgemeine Deutsche Biographie, herausgegeben von der Historischen Kommission bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, Band 55 (1910), S. 510–513, Digitale Volltext-Ausgabe in Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=ADB:Karoline_Luise_(Markgr%C3%A4fin_von_Baden)&oldid=- (Version vom 24. November 2024, 06:40 Uhr UTC)
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Karoline Luise *), Markgräfin von Baden(-Durlach)[WS 1], wurde als Tochter des Erbprinzen und späteren Landgrafen Ludwig VIII. von Hessen-Darmstadt und der Gräfin Charlotte von Hanau am 11. Juli 1723 zu Darmstadt geboren. Nach dem frühen Tode der Mutter (1726) genoß sie unter der Obhut ihres Vaters und der hanauischen Großeltern, an deren kleinem Hofe zu Buchsweiler sie mit den Geschwistern ein gut Theil der Kinderzeit verlebte, eine sorgfältige Erziehung. Bescheidene Verhältnisse, in denen sie aufwuchs, lehrten sie schon in jungen Jahren kluges Haushalten; die Lehrer rühmen an ihr früh selbständiges Denken und vielseitige Begabung. Ein Project, sie mit dem Herzoge von Cumberland zu vermählen, scheiterte; die Werbung des Erbprinzen von Schwarzburg-Rudolstadt schlug sie aus. Statt dessen reichte sie am 28. Januar 1751 dem um vier Jahre jüngeren Markgrafen Karl Friedrich von Baden-Durlach (s. A. D. B. XV, 241 ff.) die Hand zum Ehebunde. Es war eine Convenienzheirath „zur Befestigung der freundschaftlichen Bande zwischen beiden Häusern“, aber gar bald erwuchs aus ihr eine auf aufrichtiger wechselseitiger Neigung und harmonischer Wesensergänzung beruhende glückliche Ehe, die beide Gatten bis zum Tode vereinte und für das Land eine Quelle des Segens wurde.

Wohl haben die späteren Tage Karl Friedrich reichen Zuwachs an Macht und äußeren Ehren gebracht: die glücklichsten und erfolgreichsten Zeiten seiner Regierung waren aber doch die Jahre, die er an der Seite Karoline Luisens [511] verlebte, in denen er in ihr eine treue, verständnißvolle Beratherin und Helferin bei all seinen Unternehmungen fand. Und umgekehrt vermochte auch Karoline Luise erst im Zusammenwirken mit ihm die Fähigkeiten und Kräfte, die in ihr lagen, zur vollen Entfaltung zu bringen. Wer ihren stattlichen schriftlichen Nachlaß überschaut, der nicht weniger als 154 Quart- und Foliobände füllt, ist erstaunt über die ungemeine geistige Regsamkeit dieser Fürstin. Es gibt nur wenige Gebiete des Wissens, mit denen sie sich nicht beschäftigt hat. Zahlreiche Excerpte beweisen, daß sie in der theologischen Litteratur ihrer Zeit so gut zu Hause war wie in der geschichtlichen. Ihr angeborenes Sprachtalent – sie beherrschte Latein, Französisch, Englisch und Italienisch – gestattete ihr, die römischen Classiker in der Ursprache, die griechischen in fremder Uebersetzung zu lesen; die französische schöne Litteratur des 17. und 18. Jahrhunderts kannte sie gründlich. Vor allen war es hier Voltaire, den sie verehrte, den sie auch an ihren Hof zu Gaste lud und mit dem sie noch lange in freundschaftlichem Briefwechsel stand. Nur der deutschen Litteratur ihrer Zeit gegenüber verhielt auch sie sich kühl: es ist bezeichnend, daß von Klopstock und Herder, die doch in Karlsruhe zu Besuch weilten, in ihren Aufzeichnungen nirgends die Rede ist.

Mit besonderer Vorliebe pflegte sie die Naturwissenschaften, somit ein Gebiet, das ihrem Geschlechte fremd zu sein pflegt. Unter der Leitung des gelehrten Böckmann beschäftigte sie sich eingehend mit Studien über Physik und Chemie; der Bergrath Erhardt führte sie in Mineralogie und Geologie ein, einer der bedeutendsten Botaniker des 18. Jahrhunderts, G. Köllreuter, der nach Karlsruhe berufen wurde, diente ihr als Berather auf seinem Wissensgebiete. Ihr Plan, ein großes botanisches Sammelwerk mit Abbildungen sämmtlicher Pflanzen nach dem Linné’schen System herauszugeben, dessen erste Lieferungen schon hergestellt waren, scheiterte nur an dem Mangel an Interessenten und finanziellen Schwierigkeiten. Auch medicinischen Fragen wandte sie ihre Aufmerksamkeit zu und ließ sich über sie unterrichten; gelegentlich versuchte sie, wie einige von ihr niedergeschriebene Krankheitsberichte lehren, selbst die Rolle des Arztes zu übernehmen und die Wirkung der Heilmittel zu verfolgen. Dabei war sie vorurtheilsfrei genug, um ihre Kinder der Impfung zu unterziehen. Weit über die Grenzen der Heimath hinaus unterhielt die „Vielwisserin und Vielfragerin von Baden“, wie Lavater sie einmal in einem Briefe an Goethe treffend bezeichnet, regen brieflichen Verkehr mit angesehenen Gelehrten, in dem sie ihre Kenntnisse zu bereichern suchte: ihrem Sammeleifer, der weder Mühe noch Opfer scheute, sind die werthvollen Schätze zu verdanken, die sie in dem von ihr begründeten Naturaliencabinet vereinigte und den Gästen ihres Hofes mit freudigem Stolze zeigte und erläuterte.

Neben all diesen wissenschaftlichen Interessen und Bestrebungen trat bei ihr in den Vordergrund eine warme Liebe zur Kunst und ein feines Verständniß für ihre Schöpfungen. Schon als Kind verrieth sie ungewöhnliche zeichnerische Fertigkeit; unter der Leitung tüchtiger Künstler, unter denen nach unverbürgter Tradition auch Liotard genannt wird, bildete sie sich später in der Pastellmalerei aus. Zahlreiche Werke dieser Art, sowie Rötelzeichnungen, zumeist Porträts, die wir von ihrer Hand besitzen, legen Zeugniß ab von einer sichern Auffassung und einem über das Dilettantenmäßige hinausgehenden tüchtigen Können; ihnen verdankte sie auch die ehrenvolle Aufnahme in die Kopenhagener Akademie der Künste. Auf ausgedehnten Reisen, die sie nach Ober- und Mittelitalien und wiederholt nach Paris führten, suchte sie ihre Kenntnisse durch eigene Anschauung zu erweitern und zu vertiefen; vor allem [512] aber dienten die Schätze der nahen Mannheimer Galerie als willkommenes Lehrmittel. Vorübergehend taucht in ihrer Correspondenz selbst der Gedanke an die Gründung einer Kunstakademie und an die Berufung Angelika Kaufmann’s auf, freilich ohne ernste Beachtung zu finden. Ihr bleibendes Verdienst aber ist es, daß sie sich mit feinem Geschmack und unter erheblichen Opfern ein eigenes stattliches Kunstcabinet schuf und mit ihm den Grund legte zu der heutigen großh. Gemäldesammlung; ihr schulden wir insbesondere die Erwerbung der prächtigen Niederländer, die eine Hauptzierde der Karlsruher Galerie bilden. Auch daß sie bei dem Neuaufbau des Residenzschlosses und seiner künstlerischen Ausschmückung wesentlichen berathenden Antheil hatte, soll ihr nicht vergessen werden.

Aber die Pflege und Förderung von Kunst und Wissenschaft, so umfassend sie war, füllte doch nur einen Theil ihres Wirkens aus. Ihr bei aller Gelehrsamkeit stets aufs Praktische gerichteter Sinn verlangte nicht minder Bethätigung und offenbarte sich am bedeutendsten in ihren volkswirthschaftlichen Neigungen, die sie mit dem Gemahl theilte. Ursprünglich eine Anhängerin des Merkantilismus, gab sie, wie wir wissen, den Hauptanstoß zur Begründung des wichtigsten Industriezweiges des Landes, der Pforzheimer Goldwaarenindusttie. Unter dem Einflusse Karl Friedrich’s gerieth sie dann in den 70er Jahren mehr und mehr in den Bannkreis physiokratischer Anschauungen. Alles, was sich auf die Landwirthschaft im weitesten Sinne bezog, die Hebung der Bodencultur und der bäuerlichen Verhältnisse, die Fürsorge für die Viehzucht begegnete ihrem lebhaftesten Interesse; zahlreiche Vorschläge, Gutachten und Berichte, die sich darauf erstrecken, finden sich in ihrem schriftlichen Nachlasse. So nahm sie auch die Verwaltung ihrer rechtsrheinischen Güter – die linksrheinischen waren verpachtet – selbst in die Hand, und mit Erstaunen sieht man aus ihren Aufzeichnungen, wie wohl vertraut die kluge, energische Frau mit allen einschlägigen Fragen war, wie trefflich sie sich auf das Wirthschaften verstand. Auch Seidenzucht und Krappbau betrieb sie auf eigene Rechnung, und wie sie hier sich bemühte, die Erzeugnisse an kauflustige Firmen abzusetzen, und ihre Handelscorrespondenz selbst führte, so verschmähte sie es auch trotz spöttischer Nachreden nicht, die Erzeugnisse des Feld- und Gartenbaues auf den Markt zu bringen. Daß sie den Vorwurf des Eigennutzes nicht verdiente, dafür zeugen die stillen Werke der Wohlthätigkeit, mit denen sie sich in warmer Menschenliebe der Armen und Nothleidenden allezeit annahm.

Alles in Allem eine außerordentliche Frau, von seltener Vielseitigkeit des Wissens und Könnens, den hohen Aufgaben ihrer Stellung in vollem Maße gewachsen, an Geist und Gesinnung ebenbürtig ihrem fürstlichen Gemahle. So ist sie Allen erschienen, die mit ihr in Berührung kamen, so haben die hervorragendsten ihrer Zeitgenossen ihr gehuldigt und willig ihre Bedeutung anerkannt. Wenn der kleine Karlsruher Hof im 18. Jahrhundert ein Mittelpunkt geistigen Lebens für den deutschen Südwesten geworden ist, so hat er dies neben dem vortrefflichen Markgrafen vornehmlich dieser Fürstin zu danken, die, abhold allem Ceremoniell, in ungezwungenem Verkehr ihr Bestes zu geben wußte und Alle, die der gastlichen Stätte nahten, bald in ernstem wissenschaftlichen Gespräch, bald in heiterem geistvollen Geplauder zu fesseln verstand.

Ihr Familienleben war ein überaus glückliches. Drei Söhne, die aus der Ehe hervorgingen, wurden die Freude und der Stolz der Eltern. Mit inniger Liebe hing Karoline Luise an diesen Kindern. „Je suis folle – gesteht sie einmal – des deux petits garçons qui m’appartiennent et comme [513] novice dans la qualité d’être mère“. Ihrer Erziehung widmete sie die größte Sorgfalt; sie leitete und überwachte persönlich den Unterricht und übernahm häufig selbst die Rolle der Lehrerin. Sie wollte die „Buben“, wie sie sich bezeichnend ausdrückt, nicht „verfürsteln“ lassen; die Erziehung sollte nach ihrem gesunden Empfinden stets „die Mittelstraße“ zwischen den Extremen einhalten.

Das Schicksal vergönnte es ihr, sich noch der Vermählung des ältesten Sohnes;, des Erbprinzen Karl Ludwig, mit ihrer Nichte, der Prinzessin Amalie von Hessen-Darmstadt, und der Geburt des ersten Enkelkindes zu erfreuen. Ein unglücklicher Sturz auf der Treppe im J. 1779 erschütterte ihre ohnehin nicht feste Gesundheit schwer. Während eines Aufenthalts in Paris im Frühjahr 1783, wo sie, von ihrem jüngsten Sohne, dem Prinzen Friedrich, begleitet, alte Beziehungen zu ihren französischen Freunden zu erneuern und die geliebten Sammlungen wieder zu durchwandern gedachte, traf sie ein Schlaganfall, dem sie nach wenigen Tagen, am 8. April, erlag. Tief erschüttert empfing Karl Friedrich die Kunde von ihrem Heimgange. „Mein Verlust“, schrieb er an Mirabeau, „ist auf dieser Welt unersetzlich. Nur die Ergebung in den Willen Gottes und seine unendliche Güte, die mich hoffen läßt, daß meine Gattin, meine theuerste Freundin, für alle Ewigkeit glücklich ist, vermag mich aufrecht zu erhalten und mir Kraft zu verleihen, mein Leid zu tragen“. Mit ihm und seinem Hause aber trauerte aufrichtig das ganze Land, das in der Dahingeschiedenen eine wahre Mutter, eine der bedeutendsten seiner Fürstinnen und eine Zierde ihres Geschlechtes verlor.

Vgl. v. Weech, Die Markgräfinnen Maria Victoria und Karoline Luise von Baden (Karlsruhe 1872) und die dort angeführte Litteratur. – K. Obser, Voltaire’s Beziehungen zu der Markgräfin Karoline Luise von Baden-Durlach und dem Karlsruher Hofe. Heidelberg 1902. – K. Obser, Zur Geschichte der Karlsruher Gemäldegalerie. François Boucher und Markgräfin Karoline Luise. (Zeitschr. f. Gesch. des Oberrheins, N. F. 17, 331 ff.) – Derselbe, Markgräfin Karoline Luise von Baden und ihr botanisches Sammelwerk (ebenda 23, 41 ff.). – Die Correspondenz mit Du Pont (ebenda 24, 126 ff.); mit Schöpflin bei Fester, J. D. Schöpflin’s brieflicher Verkehr. Tübingen 1906. – Mit Benutzung des schriftlichen Nachlasses im großh. Familienarchiv.

[510] *) Zu Bd. LI, S. 67.


Anmerkungen (Wikisource)

  1. von 1751–1771 Markgräfin von Baden-Durlach; von 1771–1783 Markgräfin von Baden